Eine gut ausgebaute Kindertagesbetreuung wird für eine moderne und flexible Lebensgestaltung zunehmend wichtiger. Die starken Unterschiede bei der Kleinkinderbetreuung in den Bundesländern hat der IfL-Experte Tim Leibert im Beitrag 2 (11.2008) 12 aufgezeigt. Der aktuelle Beitrag verdeutlicht die Situation auf der kommunalen Ebene.

Der Ausbau der Kindertagesbetreuung ist eine Pflichtaufgabe der Länder und Kommunen, die dafür vom Bund an anderer Stelle finanziell entlastet werden. Da ab 2013 für jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz besteht, müssen in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen erfolgen. In den ostdeutschen Regionen ist bereits eine bedarfsorientierte und nahezu flächendeckende Versorgung gesichert. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob der vom Gesetzgeber beschlossene Ausbau zusätzlicher Plätze in Kindergärten, Krippen und in der Tagespflege von den westdeutschen Ländern fristgerecht umgesetzt wird. Da die konkreten Ausbauentscheidungen auf der lokalen Ebene getroffen werden, wird die Dynamik im Wesentlichen von den finanziellen Möglichkeiten vor Ort und der Akzeptanz der Kleinkinderbetreuung bei den kommunalen Entscheidungsträgern beeinflusst.

Gründe für die Ost-West-Unterschiede
Die in den Karten sichtbaren regionalen Unterschiede der Betreuungsanteile und der täglichen Betreuungsdauer sind ein Indikator für unterschiedliche Kinderbetreuungskulturen und unterschiedliche Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern in Ost- und Westdeutschland. Die von mehr als zwei Dritteln der westdeutschen Frauen und fast 80 Prozent der Männer vertretene Ansicht, dass die Erwerbstätigkeit der Mutter einem Kleinkind schade, wird nur von etwa 40 Prozent der Ostdeutschen geteilt (Stöbel-Richter/Brähler). Im Gegenzug stimmen zwei Drittel der ostdeutschen Männer und fast drei Viertel der Frauen der Aussage zu, dass eine Berufstätigkeit der Mutter sogar gut für ein Kind sei; in den alten Ländern sind nur rund ein Drittel der Männer und etwa jede zweite Frau der gleichen Meinung. Ähnlich weit gehen die Meinungen bei der Frage auseinander, ob eine Frau zu Hause bleiben und sich ausschließlich um Haushalt und Kindererziehung kümmern sollte. 48 Prozent der westdeutschen Frauen befürworten eine derartige „traditionelle“ Rollenverteilung, während mehr als 72 Prozent der ostdeutschen Frauen das Hausfrauenmodell ablehnen. Trotz dieses großräumiges Musters gibt es auch deutliche regionale Unterschiede.

Ost-West- und Stadt-Land-Gegensätze
Bei der Betreuungsquote ist auf der Kreisebene ein ausgeprägter Ost-West-Gegensatz festzustellen (Karte 1). Bei kleinräumiger Betrachtung zeigen sich jedoch Nuancen. In den alten Ländern können Universitätsstädte wie Heidelberg oder Freiburg i.Br. ein besonders gut ausgebautes Kinderbetreuungsangebot vorweisen. Offensichtlich stehen die Verantwortlichen dort dem Krippenausbau positiver gegenüber als in den ländlichen Regionen Bayerns und Niedersachsens oder den Altindustriestädten West- und Norddeutschlands, wo die Betreuungsquoten besonders niedrig sind.

Auch in den neuen Ländern, in denen die Quoten überdurchschnittlich hoch sind, bestehen regionale Unterschiede, die z.T. bereits zu DDR-Zeiten existierten. So hat sich das Betreuungsgefälle zwischen dem Leipziger Raum und den übrigen Regionen Sachsens bis heute erhalten (Graphik).

Im Kindergartenjahr 2006/07 wurden deutschlandweit in fast allen Kreisen zusätzliche Betreuungsangebote geschaffen (Karte 2). Erwartungsgemäß sind die prozentualen Zuwächse in Regionen mit niedrigem Ausgangsniveau besonders hoch. Die Steigerung der Betreuungsquote von einem auf drei Prozent (+200 Prozentpunkte) im niedersächsischen Landkreis Nienburg fällt prozentual stärker ins Gewicht als der Sprung von neun auf 17 Prozent (+77 Prozentpunkte) in Darmstadt (Karte 2B). Die negativen Werte in einigen ostdeutschen Kreisen, beispielsweise in Thüringen, können als Schwankungen auf hohem Niveau interpretiert werden (vergl. Karten 1 u. 2). Überraschender ist, dass es in einigen westdeutschen Kreisen mit weit unterdurchschnittlicher Betreuungsquote – trotz finanzieller Förderung und klaren bundespolitischen Vorgaben – zu einer Verschlechterung der Betreuungssituation gekommen ist: so beispielsweise in Nordrhein-Westfalen im Kreis Heinsberg und in Wuppertal.

Bei der Ganztagsbetreuung (Karte 3) ist wiederum ein Ost-West-Gegensatz erkennbar. Die überdurchschnittliche Inanspruchnahme von Ganztagsbetreuungsplätzen in Ostdeutschland ergibt sich aus der Tatsache, dass 55% der dortigen Mütter einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen (West: 32%). Im Westen ist ein deutlicher Stadt-Land-Gegensatz festzustellen. In ländlichen Kreisen Süddeutschlands und Niedersachsens wird nur ein kleiner Prozentsatz der Kinder ganztags betreut. In den Kernstädten der Rhein-Main-Neckar-Region und in Teilen Nordrhein-Westfalens ist Ganztagsbetreuung selbstverständlich.

DEUTSCHER BUNDESTAG (Hrsg.) (2008): Bericht der Bundesregierung 2008 nach § 24a Abs. 3 SGB VIII über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2007. Berlin.
URL: http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ
/Abteilung5/Pdf-Anlagen/tag-bericht,property=pdf,
bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf
Abrufdatum: 10.09.2008.

KRAFTFAHRTBUNDESAMT (KBA) (Hrsg.): Kfz-Kennzeichen für Deutschland. Flensburg.
URL: http://www.kba.de.

LEIBERT, Tim (2008): Fortschritte bei der Kleinkinderbetreuung? In: Nationalatlas aktuell 2 (11.2008) 12 [20.11.2008]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Kleinkinder.12_11-2008.0.html

MONMONIER, Mark (1996): Eins zu einer Million. Die Tricks und Lügen der Kartographen. Basel, Boston, Berlin.

STATISTISCHES AMT DER DDR (Hrsg.) (1990): Statistisches Jahrbuch 1989 der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin.

STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER (Hrsg.) (2007): Kindertagesbetreuung regional 2006. Ein Vergleich aller 439 Kreise in Deutschland. Wiesbaden.

STATISTISCHE ÄMTER DES BUNDES UND DER LÄNDER (Hrsg.) (2008): Kindertagesbetreuung regional 2007. Ein Vergleich aller 439 Kreise in Deutschland. Wiesbaden.

STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.) (2006): Leben und Arbeiten in Deutschland. Sonderheft 2: Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ergebnisse des Mikrozensus 2005. Wiesbaden.

STÖBEL-RICHTER, Yve u. Elmar BRÄHLER (2005): Sozialisationsaspekte und Rollenleitbilder zur Vereinbarkeit von Familie und weiblicher Berufstätigkeit sowie zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. In: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 30, Heft 2-3, S. 293-312

Zitierweise
Leibert, Tim (2009): Kleinkinderbetreuung im regionalen Vergleich In: Nationalatlas aktuell 3 (01.2009) 1 [08.01.2009]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Kleinkinder.1_01-2009.0.html

Dipl.-Geogr. Tim Leibert
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
Stipendiat im Projekt
„Demographischer Wandel“
Tel.: (0341) 600 55 188
E-Mail: t_leibert@leibniz-ifl.de

Klassifizierungsmethoden: gleichabständige Klassifizierung, Quantilmethode (Quintile, Octile)

Die Verwendung unterschiedlicher Klassifikationsverfahren kann trotz Berücksichtigung der selben Daten völlig unterschiedliche Raummuster hervorbringen und zu unterschiedlichen Interpretationen führen. Im Kartenbeitrag zur Kleinkinderbetreuung werden zwei häufig verwendete Klassifizierungsverfahren vergleichend nebeneinander gestellt:

• das Prinzip der Quantile, bei dem alle Klassen die gleiche Zahl von Elementen enthalten, aber unterschiedlich breit sind, und
• die gleichabständige Klassifizierung, bei der die Klassen gleich breit, aber unterschiedlich besetzt sind.

Die Klassifizierung nach der Quantilmethode ist in den Karten auf der linken Seite angewendet worden; in der Karte 3A zur Ganztagsbetreuung wurden Quintile gebildet, d.h. der Datensatz wurde in fünf gleichgroße Teile zerlegt. In den übrigen Karten wurden acht Klassen gebildet, so genannte Octile. In den Karten auf der rechten Seite ist die gleichabständige Klassifizierung gewählt worden.

Vor- und Nachteile
Die gleichabständige Klassifikation ist für den Kartennutzer leicht verständlich und gut zur Visualisierung von Extremwerten (höchste und niedrigste Werte) geeignet. Unter Umständen können aber einzelne Klassen unbesetzt bleiben oder nur von wenigen Fällen besetzt sein, während andere Klassen eine große Zahl von Fällen enthalten. Um dieses Problem zu vermeiden, wurde in der Karte 1B von der Gleichabständigkeit abgewichen, indem die Klasse 0-10% geteilt wurde, da sie ansonsten 203 der 439 Kreise enthalten hätte.

Dieses Problem stellt sich bei der Quantilmethode nicht. Trotzdem können auch hier Kompromisse notwendig werden, insbesondere, wenn der darzustellende Indikator bei einer größeren Zahl von Raumeinheiten den gleichen Wert annimmt oder ganzzahlige Klassengrenzen angestrebt werden. Aus diesen Gründen wurde in Karte 1A (Octile) in der Klasse 5-7% von dem Prinzip der Teilung in eine annähernd gleich große Anzahl von Kreisen abgewichen, so dass in dieser Klasse 66 statt 55 Kreise enthalten sind.

Der subjektive Faktor (in der Kartographie)
Die Karten 2A und 2B zeigen deutlich, dass die Verwendung unterschiedlicher Klassifikationsverfahren bei gleicher Klassenzahl unterschiedliche Raummuster erzeugen. Aus Karte 2B geht hervor, dass die Betreuungsquote in den meisten Kreisen 2006/07 nur leicht angestiegen ist; die Kreise mit den höchsten Veränderungen treten klar hervor. In Karte 2A sind dagegen diese Extremwerte nicht zu erkennen, dafür ist das „Hauptfeld“ differenzierter dargestellt; insbesondere die Zuwächse in vielen süddeutschen Kreisen kommen klar zur Geltung.

Das Beispiel belegt, dass in der kartographischen Darstellung (Karten) der subjektive Faktor eine gewisse Rolle spielt – trotz scheinbar objektiver Methoden.