Trotz Verlagerung des Luftverkehrs auf die Schiene sind Kurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands nach wie vor gefragt. So verzeichneten die Hauptverkehrsflughäfen 2015 rund 300.000 Inlandsflüge im gewerblichen Luftverkehr. Insgesamt wurden 23,1 Millionen Personen befördert. Die aktuelle Deutschlandkarte verdeutlicht die Hauptverkehrsströme und Passagierzahlen im innerdeutschen Luftverkehr. Newcomer Airports haben es auf dem Markt besonders schwer.

Der Luftverkehr boomt langfristig, obwohl er anfällig gegenüber regionalen und globalen Krisen ist. Das weltweite Wirtschaftswachstum und der rasante Aufstieg der Low-Cost-Airlines sowie der Fluggesellschaften aus der Golfregion in den letzten beiden Jahrzehnten haben auch Auswirkungen auf deutsche Flughäfen. An vielen Standorten sind die Passagierzahlen deutlich gestiegen. Besonders die beiden internationalen Drehkreuze Frankfurt am Main und München, aber auch Düsseldorf, haben kaum noch Kapazitätsreserven. Im innerdeutschen Luftverkehr stellt sich der Markt hingegen eher schwankend dar. Gerade bei kleineren Flughäfen wurden viele Hoffnungen enttäuscht.

Passagierzahlen und Fluggastströme
Die Visualisierung der Passagierzahlen im innerdeutschen Luftverkehr (Karte 1) spiegelt die polyzentrische Struktur Deutschlands wider: Nicht der Flughafen Frankfurt am Main, der mit insgesamt 61 Millionen Passagieren (11 Prozent innerdeutsche, 51 Prozent europäische und 38 Prozent außereuropäische Flüge; ADV 2016, S. 11) größte Hub (Glossar), dominiert, sondern die Flughäfen, die eher am Rand liegen. Besonders München und Berlin-Tegel weisen viele gut nachgefragte, hochfrequent bediente Verbindungen zu deutschen Zielen auf. Die Strecke zwischen den beiden Standorten wird pro Jahr von fast zwei Millionen Fluggästen genutzt. Insgesamt wurden 2015 im innerdeutschen Luftverkehr 23,1 Millionen Passagiere befördert (Grafik 1, StBA 2016b).

Marktsituation
Der innerdeutsche Luftverkehr ist in mehrfacher Hinsicht komplex. Es gibt viele Strecken mit nur einem Anbieter und entsprechend hohen Preisen, aber auch solche mit konkurrierenden Fluggesellschaften. Beispielsweise wird die Relation von Berlin (Tegel und Schönefeld) nach Köln/Bonn von den drei Low-Cost-Airlines Air Berlin, Eurowings/Germanwings und Ryanair bedient (Glossar). Trotzdem ist die marktbeherrschende Stellung des Lufthansa-Konzerns ausgeprägt. Dies ist für Regionalflughäfen in der Peripherie ein Problem. Sie wünschen sich oft eine Tagesrandverbindung nach Frankfurt a.M. oder München, aber die Lufthansa hat kein Interesse und andere geeignete Fluggesellschaften gibt es nur sehr wenige. Hinzu kommt, dass Flugzeuge mit bis zu 50 Sitzplätzen kaum noch rentabel betrieben werden können. Wenn es doch zu Streckenaufnahmen kommt, ist der ökonomische Erfolg meist gering und die Einstellung droht.

Die Karte zeigt für den Zeitraum 2011 bis 2015 deutliche Rückgänge für Flughäfen jeder Größenordnung. An kleineren Standorten sind sie besonders stark (z.B. bei Münster/Osnabrück, Saarbrücken, Karlsruhe/Baden-Baden oder Friedrichshafen). Oft spielen Insolvenzen von unabhängigen Regionalfluggesellschaften dabei eine Rolle. Hinzu kommen jene vielen kleineren Flughäfen, einige davon Newcomer Airports (Glossar), die zum Teil gar nicht auf der Karte erscheinen, da sie relativ geringe Passagierzahlen im innerdeutschen Luftverkehr aufweisen. Ihnen ist es trotz großer Erwartungen nicht gelungen, Fluggesellschaften anzusiedeln, die innerdeutsche Strecken regelmäßig bedienen (z.B. Erfurt-Weimar, Kassel, Lübeck oder Magdeburg-Cochstedt).

Verlagerung des Verkehrs von der Luft auf die Schiene
Die im internationalen Vergleich sehr guten und kontinuierlich ausgebauten Netze des Straßen- und Schienenfernverkehrs haben in den letzten 25 Jahren in Deutschland zu einer Verlagerung des Luftverkehrs geführt. Gerade die Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahn haben wie in vielen anderen Ländern durch enorme Reisezeitverkürzungen zur Reduktion oder Einstellung von Flugverbindungen beigetragen (z.B. auf den Strecken Köln/Bonn – Frankfurt, Stuttgart – Frankfurt oder Hannover – Frankfurt). Eine wichtige Rolle spielt dabei der Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens. Mit dem „Lufthansa Express Rail“-Angebot aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird er optimal in Wert gesetzt. Das Prinzip, reguläre ICE-Züge mit einer Flugnummer zu versehen und den Gepäcktransport zu garantieren, könnte auf deutlich mehr Strecken und alle Fluggesellschaften ausgeweitet werden. Der große Vorteil für die Passagiere ist, dass sie mit dem Einsteigen am Ausgangsbahnhof auch das Luftverkehrssystem „betreten“. Wenn dann durch Zugverspätungen Flüge verpasst werden, sorgt die Fluggesellschaft für die Weiterbeförderung. Derzeit werden mit dem Angebot aber nur 300.000 Passagiere pro Jahr befördert.

Nachhaltigkeit
Die weitere Reduktion von kurzen Inlandsflügen zugunsten des Verkehrsträgers Schiene (z.B. auf den Strecken Stuttgart – München, Nürnberg – München, Nürnberg – Frankfurt) entspräche dem Leitbild „Nachhaltiger Verkehr“ (Glossar). Es beinhaltet neben der Vermeidung unnötigen Verkehrs (z.B. des durch niedrige Ticketpreise der Low-Cost-Airlines neu induzierten Luftverkehrs) die Verlagerung auf emissionsärmere Verkehrsmittel. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Minderung des konfliktreichen Fluglärms. Demgegenüber kann es aber auch Inlandsflüge von und zu peripheren Regionen geben, die durchaus dem Nachhaltigkeitsziel der sozialen Gleichheit dienen, da sie den dortigen Bewohnern und Unternehmen den Zugang zu Metropolen und Märkten erleichtern.

ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) (Hrsg.) (2016): ADV Monatsstatistik 12/2015. Berlin.

Behnen, Tobias (2010): Newcomer Airports und Low-Cost Airlines – Neues Mobilitätsverhalten im deutschen Luftverkehr und die Frage nach einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung. In: Geographie heute, 279, S. 20-24.

Behnen, Tobias (2006): Die deutsche „Flughafenlandschaft“ im Wandel: Etablierte Standorte und „Newcomer Airports“ zwischen Krise und Wachstum In: Grenzwerte – Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen – 55. Deutscher Geographentag Trier 2005. S. 291-300.

Deutsche Lufthansa (2016): Mit Lufthansa Express Rail jetzt von Dortmund nach Frankfurt. (Presseinformation vom 4.4.2016). URL: https://www.lufthansagroup.com/de/presse/meldungen/view/archive/2016/april/04/article/3984.html
Abrufdatum: 27.05.2016.

Fraport (Hrsg.) (2015): Zahlen, Daten, Fakten 2015 zum Flughafen Frankfurt. Frankfurt a.M.

Pak, Henry und Dieter Wilken (2015): Zur zukünftigen Verkehrsentwicklung an den deutschen Flughäfen: Ursachen und Folgen divergierender Wachstumsperspektiven. In: Internationales Verkehrswesen, H. 9, S.30-36.

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StBA (Statistisches Bundesamt) (Hrsg.) (2016a): Luftverkehr auf Hauptverkehrsflughäfen 2015. Fachserie 8 Reihe 6.1. Wiesbaden.

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Terpstra, Ilse und Mark G. Lijesen (2015): The impact of high speed rail on airport competition. In: Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie, H. 3, S. 263-275.

Bildnachweis
Flughafen München; Tobias Behnen

Zitierweise
Behnen, Tobias (2016): Der innerdeutsche Luftverkehr: eine komplexe Marktsituation. In: Nationalatlas aktuell 10 (06.2016) 4 [22.06.2016]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Luftverkehr.4_06-2016.0.html

Dr. Tobias Behnen
Georg-August-Universität Göttingen
Geographisches Institut
Abteilung Humangeographie
Goldschmidtstr. 5
D-37077 Göttingen
Tel.: (0551) 39-8085
E-Mail: tbehnen@gwdg.de

Hub: Drehkreuz des Luftverkehrs mit einem hohen Anteil Umsteigeverkehr, in Frankfurt a. M. z.B. 55 Prozent (Fraport 2015, S. 10). Die hohen Passagierzahlen der Hubs ergeben sich aber auch aus der statistischen Besonderheit, dass dort Umsteiger erst als Aussteiger und dann als Einsteiger, also doppelt gezählt werden.

Low-Cost-Airlines: Fluggesellschaften, die durch extreme Kostenkontrolle niedrige Ticketpreise anbieten können.

Nachhaltiger Verkehr: Leitbild, das auf dem 3V-Konzept (Verkehr vermeiden, verlagern, verbessern) basiert.

Newcomer Airports: Flughäfen, die nach Neubau, Ausbau oder Konversion versuchen, am Luftverkehrsmarkt teilzuhaben.