Immer mehr Menschen schließen sich gegenwärtig in Genossenschaften zusammen. Seit der Novellierung des Genossenschaftsgesetztes 2006 wurden allein rund 2000 Genossenschaften neu gegründet. Waren in der Vergangenheit traditionell die klassischen Aufgabenfelder Kreditwesen, Landwirtschaft, Wohnen und Konsum vertreten, betreffen die Neugründungsinitiativen vermehrt die Bereiche erneuerbare Energien, Dienstleistungen und das Gesundheitswesen. Daneben werden zunehmend gemeinwesenorientierte Genossenschaften zur Sicherung der Daseinsvorsorge gegründet. Aktuelle Deutschlandkarten zeigen das Gründungsgeschehen auf lokaler und regionaler Ebene.

Seit November 2016 zählt die Genossenschaftsidee zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe. Die Auswahlkommission begründete ihre Entscheidung damit, dass Genossenschaften in besonderer Weise das Gemeinwesen stärken und innovative Lösungen auf gesellschaftliche Herausforderungen liefern (UNESCO 2016). Basierend auf den Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung stellt die Genossenschaft eine Unternehmensform dar, in der jedes Mitglied unabhängig vom eingebrachten Kapital eine Stimme erhält. Dabei zielt sie nicht in erster Linie auf Gewinne ab, sondern ist der Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet (§1 Genossenschaftsgesetz; Glossar). Die etwa 8.000 Genossenschaften in Deutschland (Karte 3) zählen rund 22 Millionen Mitglieder (Stappel 2015, S. 39) und sind damit die mitgliederstärkste wirtschaftliche Organisationsform (DGRV 2016).

Renaissance der Genossenschaftsidee
Die Genossenschaftsidee erlebt in Deutschland gegenwärtig eine Renaissance. Das ist erstaunlich, denn lange Zeit galt die eingetragene Genossenschaft als wirtschaftliches Auslaufmodell (vgl. Ringle 2009, S. 46). Nachdem ihre Zahl in der Bundesrepublik seit 1950 aufgrund von Fusionen und Auflösungen stark zurückgegangen ist, werden seit den frühen 2000er Jahren wieder vermehrt Genossenschaften gegründet (Stappel 2012, S. 20f.) – allein zwischen 2007 und 2015 waren es fast 2000 (Karten 1 u. 3). Diese Entwicklung kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Auf formal-rechtlicher Ebene wurden mit der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes 2006 deutliche Erleichterungen zur Gründung geschaffen (Blome-Drees u.a. 2015, S 307; Glossar). Mit Blick auf die Nachfrageseite besteht Grund zur Annahme, dass im Zuge der Finanzkrise 2008 Mitbestimmung und soziale Verantwortung bei der Gestaltung wirtschaftlicher Prozesse zunehmende Bedeutung erfahren haben und damit das Genossenschaftsmodell an Attraktivität gewonnen hat (vgl. Töpfer 2014, S. 8). Auf der Angebotsseite scheint genossenschaftliche Selbsthilfe besonders dort Lösungsansätze zu bieten, wo Staat und Markt keine geeigneten Angebote (mehr) bereitstellen (Martens 2015, S. 41f.; Klemisch/Maron 2010).

Regionale Unterschiede
Bei der räumlichen Verteilung genossenschaftlicher Neugründungen zeigt sich ein erhebliches Südwest-Nordost-Gefälle (Karte 1). In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurden nur vereinzelt Genossenschaften gegründet. Eine starke Häufung ist in den Verdichtungsräumen Stuttgart, München, Nürnberg, Freiburg sowie in den Metropolregionen Rhein-Ruhr und Rhein-Main zu erkennen. Die Liste der Neugründungen führen die beiden einwohnerstärksten Städte Berlin (117) und Hamburg (41) an. Dennoch handelt es sich bei der genossenschaftlichen Gründungsdynamik nicht vorrangig um ein städtisches Phänomen, wie die Karte 2 verdeutlicht: Bezogen auf die Einwohnerzahl sind vor allem in zahlreichen ländlichen Kreisen hohe Gründungszahlen auszumachen. Eine besondere Stellung nimmt hierbei Bayern ein: Gemessen an der Einwohnerzahl befinden sich dort sieben der acht gründungsstärksten Kreise, angeführt vom Kreis Weißenburg-Gunzenhausen mit 26 Neugründungen je 100.000 Einwohner. Aber auch in zahlreichen ländlich geprägten Kreisen in Nordhessen, Nordwestdeutschland und Thüringen ist eine große Dynamik auszumachen. Das spricht für die These, dass Genossenschaften häufig dort gegründet werden, wo ein besonderer Bedarf besteht, der beispielsweise von der Kommunalpolitik nur unzureichend bedient wird (vgl. Elsen 2012, S. 85f.).

Genossenschaften des Gemeinwesens
Die Entwicklung der vergangenen Jahre macht deutlich, dass sich die Genossenschaftsidee neben den traditionellen Sektoren (Kreditwesen, Landwirtschaft, Wohnen und Konsum) auch in neuen Tätigkeitsfeldern etabliert hat; allen voran im Bereich erneuerbarer Energien, im Dienstleistungssektor und im Gesundheitswesen (Thürling 2014, S. 11). Von zunehmender Bedeutung sind zudem Genossenschaften, die vor dem Hintergrund spezifischer lokaler bzw. regionaler Bedarfslagen gegründet werden und dabei über die Förderung ihrer Mitglieder hinausgehen. Sie stellen Leistungen bereit, die von besonderem öffentlichen Interesse sind, weshalb sie auch als gemeinwesenorientierte Genossenschaften bezeichnet werden (Göler von Ravensburg 2015, S. 147f.). Hierbei handelt es sich in erster Linie um Initiativen bürgerschaftlichen Engagements mit lokalem bzw. regionalem Fokus, die in den Bereichen Nahversorgung, Soziales, Kultur und Freizeit sowie Raumentwicklung aktiv sind (Karte 4).

Räumliche Schwerpunkte dieser neu gegründeten gemeinwesenorientierten Genossenschaften zeigen sich in Bayern und Baden-Württemberg, wobei hier insbesondere die Dorfläden hervorstechen. In den ländlich geprägten nordostdeutschen Ländern sind vergleichsweise wenig gemeinwesenorientierte Genossenschaften gegründet worden (Karte 4). Mit Blick auf die obige These kann daher ergänzt werden, dass bestehende Bedarfe noch kein hinreichender Grund dafür sind, dass es letztlich zur Gründung kommt. Vielmehr ist anzunehmen, dass bestimmte Kontextbedingungen, wie Netzwerke, institutionelle Unterstützungsstrukturen und nicht zuletzt das Wirken von Schlüsselakteuren eine große Rolle dafür spielen (Glossar), inwieweit genossenschaftliche Geschäftsmodelle als Ansatz zur Lösung spezifischer Problemlagen gesehen und umgesetzt werden (vgl. Willersinn u.a. 2015).

Ausblick
Die Zahl genossenschaftlicher Neugründungen war zuletzt leicht rückläufig (Karte 3), was vor allem auf Rückgänge im Bereich erneuerbarer Energien zurückzuführen ist (Stappel 2015, S. 7). Dennoch besteht auch weiterhin ein breites Interesse an genossenschaftlicher Selbsthilfe. So stellt sich auch auf politischer Ebene die Frage, wie „die Attraktivität der Rechtsform der Genossenschaft gesteigert werden kann“ (BMWi 2015). Insbesondere in ländlich-peripheren Räumen werden genossenschaftliche Lösungsansätze zur Aufrechterhaltung der Lebensqualität zunehmend gefragt sein (Willersinn u.a. 2015; Glöckner u.a. 2013, S. 1136). Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Initiativen auch langfristig zur Kompensation raumspezifischer struktureller Defizite tragfähig sind.

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung( (Hrsg.) (2016): Laufende Raumbeobachtung – Raumabgrenzungen: Siedlungsstrukturelle Kreistypen. URL: http://www.bbsr.bund.de/cln_032/nn_1067638/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/Kreistypen4/kreistypen.html
Abrufdatum: 15.12.2016.

Blome-Drees, Johannes; Bøggild, Nikolaj; Degens, Philipp; Michels, Judith; Schimmele, Clemens u. Jennifer (2015): Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Endbericht. Düsseldorf/Köln. URL: www.genossenschaften.de/sites/default/files/potenziale-und-hemmnisse-von-unternehmerischen-aktivitaeten-in-der-rechtsform-der-genossenschaft-endbericht.pdf.
Abrufdatum: 05.01.17.

BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) (Hrsg.) (2015): Genossenschaften – modern und zeitgemäß?! Wird die Rechtsform der Genossenschaft den aktuellen Herausforderungen gerecht? In: Monatsbericht 11-2015. URL: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Monatsberichte/2015/11/onlinemagazin-schlaglichter-11-15.html?cms_textId=227726&cms_artId=227772.
Abrufdatum: 29.01.17.

DGRV (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband) (Hrsg.) (2016): Zahlen und Fakten der genossenschaftlichen Banken, Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften 2016. URL: www.dgrv.de/de/publikationen/nneuzahlenundfakten.html.
Abrufdatum: 20.12.16.

DZ Bank Research (2016): Auswertung der Neueintragungen in die Genossenschaftsregister durch Michael Stappel – DZ BANK Research.

Elsen, Susanne (2012): Genossenschaften als Organisationen der sozialen Innovation und nachhaltigen Entwicklung. In: Beck, Gerald; Kropp, Cordula [Hrsg.]: Gesellschaft innovativ. Wer sind die Akteure? Wiesbaden, S. 85-102.

Genossenschaftsgesetz – GenG (Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften). URL: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/geng/gesamt.pdf. Ein Service des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in Zusammenarbeit mit der juris GmbH – www.juris.de.
Abrufdatum: 20.12.2016.

Glöckner, Rick; Ehrlich, Kornelia u. Thilo Lang (2013): Genossenschaften in der Neuen Sozialen Ökonomie – Ergebnisse einer Vorstudie aus Deutschland und Forschungsperspektiven. In: Brazda, Johann; Dellinger, Markus; Rößl, Dietmar (Hrsg.): Genossenschaften im Fokus einer neuen Wirtschaftspolitik. Bericht der XVII. Internationalen Genossenschaftswissenschaftlichen Tagung (IGT) 2012 in Wien. Teilband IV Länderstudien. Wien/Münster, S. 1127-1138.

Göler von Ravensburg, Nicole (2015): Sozialgenossenschaften in Deutschland. Eine diskursgeleitete phänomenologische Annäherung. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (ZfgG), 65 (2), S. 135-154.

Großkopf, Werner (1990): Grundlagen genossenschaftlicher Strukturen und deren Wandlungen als Folge von Marktzwängen. In: Laurinkari, Juhani; Brazda, Johann [Hrsg.]: Genossenschaftswesen. Hand- und Lehrbuch. München/Wien, S. 363-378.

Handelsregister (2016): Gemeinsames Registerportal der Länder; verantwortet vom Justizministerium Nordrhein-Westfalen. URL: www.handelsregister.de.
Abrufdatum: 20.12.16.

Klemisch, Herbert u. Helene Maron (2010): Genossenschaftliche Lösungsansätze zur Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (ZfgG), 60 (1), S. 3-13.

Markus Unternehmensdatenbank (2016): Abfrage der Gründungsjahre und der Standorte bestehender Genossenschaften in Deutschland. Bureau van Dijk Electronic Publishing. Frankfurt a.M.

Martens, Holger (2015): Anders Wirtschaften – genossenschaftliche Selbsthilfe. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 35–37, S. 40-46.

Mersmann, Arno u. Klaus Novy (1991): Gewerkschaften. Genossenschaften. Gemeinwirtschaft. Hat eine Ökonomie der Solidarität eine Chance? Köln.

Ringle, Günther (2009): Belebung der Genossenschaftsidee durch Neugründungen in der eG-Unternehmensform? In: Doluschitz, Reiner [Hrsg.]: Genossenschaften zwischen Innovation und Tradition: Festschrift für Verbandspräsident Erwin Kuh. Stuttgart-Hohenheim: Forschungsstelle für Genossenschaftswesen, S. 43-68.

Stappel, Michael (2015): Die deutschen Genossenschaften 2015. Entwicklungen – Meinungen – Zahlen. Sonderthema: Neue Genossenschaftsmodelle. Wiesbaden.

Stappel, Michael (2012): Die deutschen Genossenschaften 2012. Entwicklungen – Meinungen – Zahlen. Sonderthema: „2000er-Genossenschaften“: neue Ideen – neue Unternehmen -neues Image?. Wiesbaden.

StBA (Statistisches Bundesamt) (Hrsg.) (2016): Kreisfreie Städte und Landkreise nach Fläche, Bevölkerung und Bevölkerungsdichte am 31.12.2015. Wiesbaden. URL: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/LaenderRegionen/Regionales/Gemeindeverzeichnis/Administrativ/Aktuell/04Kreise.html.
Abrufdatum: 10.01.17.

Thürling, Marleen (2014): Genossenschaften im Dritten Sektor: Potentiale und Grenzen. Im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialer Zielsetzung, Berlin (= WZB-Discussion Paper SP V 2014-301). URL: http://bibliothek.wzb.eu/pdf/2014/v14-301.pdf.
Abrufdatum: 12.01.17.

Töpfer, Klaus (2014): Vorwort. In: Schröder, Carolin; Walk, Heike [Hrsg.]: Genossenschaften und Klimaschutz. Wiesbaden, S. 7-9.

UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) (Hrsg.) (2016): Decision of the Intergovernmental Committee: 11.COM 10.B.14. Examination of nominations for inscription on the Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity. URL:  http://www.unesco.org/culture/ich/en/decisions/11.COM/10.B.14.
Abrufdatum: 16.01.17.

Willersinn, Christian; Lavèn, Pamela u. Reiner Doluschitz (2015): Möglichkeiten und Grenzen von Genossenschaften zur Erhaltung der Lebensqualität im ländlichen Raum. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (ZfgG), 61 (1), S. 41-58.

Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei  Michael Stappel von der DZ Bank Research für die Bereitstellung der Daten zu den neu gegründeten Genossenschaften.

Bildnachweis
Piktogramm zur Kampagne „Ein Gewinn für alle“ des DGRV; © DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V.; URL: http://www.genossenschaften.de/piktogramme-und-kacheln
Abrufdatum: 27.02.2017.

Zitierweise
Haunstein, Stefan u. Marleen Thürling (2017): Aktueller Gründungsboom – Genossenschaften liegen im Trend. In: Nationalatlas aktuell 11 (02.2017) 2 [28.02.2017]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Genossenschaften.2_02-2017.0.html.

Dipl.-Geogr. Stefan Haunstein
Promotionsstipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung und Gastwissenschaftler am Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstraße 9
04328 Leipzig
Tel: (0341) 600 55 113
E-Mail: S_Haunstein@leibniz-ifl.de

Marleen Thürling M.A.
Promotionsstipendiatin
Humboldt Universität zu Berlin
Institut für Genossenschaftswesen
Luisenstraße 53
10099 Berlin
Tel: (030) 2093 6541
E-Mail: marleen.thuerling@hu-berlin.de

Genossenschaften
Historisch betrachtet entstanden Genossenschaften vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Krisen und materieller Notlagen, weshalb sie auch als „Kinder der Not“ bezeichnet werden (Großkopf 1990, S. 367). In Deutschland wurden Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Rohstoffassoziationen und Darlehenskassen für die von Armut bedrohte Handwerker- und Bauernschicht gegründet, initiiert und maßgeblich vorangetrieben von Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Am Übergang des 19. zum 20. Jahrhundert folgten die ersten Konsumvereine und Baugenossenschaften der Arbeiterbewegung, um die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse des Industrieproletariats in den Städten zu verbessern (vgl. Mersmann/Novy 1991).

Auch heute zeigt sich, dass das Interesse an Genossenschaften besonders dort groß ist, wo Handlungsbedarfe bestehen, die weder von marktwirtschaftlicher noch öffentlicher Seite gedeckt werden. So schließen sich vielerorts Bürgerinnen und Bürger – häufig unter Beteiligung kommunalpolitischer Akteure – genossenschaftlich zusammen, um entsprechende Leistungen gemeinschaftlich zu erbringen, wie sich beispielsweise in der jüngsten Gründungsdynamik genossenschaftlicher Dorfläden zeigt (Blome-Drees u.a. 2015, S. 102). Darüber hinaus werden Genossenschaften aber auch dort gegründet, wo sich durch Kooperationen vorteilhafte Synergien für die Beteiligten ergeben (beispielsweise durch den Zusammenschluss Selbständiger in den Bereichen IT, Handwerk und Kreativwirtschaft).

Novellierung des Genossenschaftsgesetzes 2006
Mit der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes im August 2006 wurden die Voraussetzungen zur Gründung erleichtert sowie die Rahmenbedingungen für kleinere Genossenschaften verbessert. So ist beispielsweise die Zahl der zur Gründung notwendigen Mitglieder von sieben auf drei reduziert worden. Kleinere Genossenschaften von bis zu 20 Mitgliedern können auf das Installieren eines Aufsichtsrates verzichten und Genossenschaften, deren Bilanzsumme eine Million Euro und deren Umsatzerlöse zwei Millionen Euro nicht übersteigen, sind von der zweijährlichen Jahresabschlussprüfung durch einen entsprechenden Prüfungsverband befreit worden. Darüber hinaus wurde das Spektrum des Förderzwecks insofern ausgeweitet, als dass Genossenschaften seither neben den wirtschaftlichen nun auch die sozialen und kulturellen Interessen ihrer Mitglieder fördern können (Blome-Drees u.a. 2015, S. 120ff.).

Genossenschaften des Gemeinwesens
Die erhobenen Genossenschaften wurden mittels Online-Recherchen (Analyse von Webauftritten, Satzungen sowie Presseartikeln) mit Blick auf einen Bezug zum Gemeinwesen nach Tätigkeitsfeldern kategorisiert (vgl. Karte 4). Maßgeblich für die Einordnung als gemeinwesenorientierte Genossenschaft waren hierbei drei Kriterien: (1) Der Zweck der Genossenschaft geht über die Förderung ihrer Mitglieder hinaus und ein expliziter Beitrag zum Gemeinwesen ist erkennbar. (2) Es handelt sich um eine Initiative bürgerschaftlichen Engagements und dient damit nicht in erster Linie dem Erwerbszweck ihrer Mitglieder (wie dies beispielsweise beim Zusammenschluss von Ärzten, Handwerkern usw. der Fall ist). (3) Die Genossenschaft hat einen engen räumlichen Fokus. Die so identifizierten Genossenschaften wurden hinsichtlich ihrer Tätigkeitsfelder zu Themenkomplexen (Freizeit und Kultur, Nahversorgung, Soziales sowie Raumentwicklung) und Untertypen verdichtet. Dabei wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit nur diejenigen Untertypen in der Darstellung berücksichtigt, für die mindestens acht entsprechende Fälle identifiziert werden konnten.

Datenquellen
In die Betrachtung sind Genossenschaften (eingetragene Genossenschaften eG und europäische Genossenschaften SCE) eingegangen, deren Gründung (maßgebend war die Errichtung der Satzung) im Zeitraum zwischen dem 01.01.2007 und dem 31.12.2015 erfolgte – abzüglich jener, die in der Zwischenzeit wieder aufgelöst wurden. Die Informationen dazu basieren auf drei Quellen: (1) Eine von Michael Stappel bereitgestellte Datenbank, in welcher jährlich die genossenschaftlichen Neueintragungen im Handelsregister gelistet wurden (DZ Bank Research 2016). (2) Das online zugängliche gemeinsame Registerportal der Länder, welches es über Suchabfragen ermöglicht, aktuelle Bekanntmachungen (z.B. über Umbenennungen, Löschungen und Standortverlagerungen) in Erfahrung zu bringen (Handelsregister 2016). (3) Die MARKUS-Unternehmensdatenbank, welche als Gemeinschaftsprodukt der Firma Bureau van Dijk und dem Verband der Vereine Creditreform e.V. hervorging (Markus Unternehmensdatenbank 2016). Hierbei wurden über eine Abfrage die im o.g. Zeitraum gegründeten und die Gesamtzahl der bestehenden Genossenschaften ausgegeben.