Seit einigen Jahren entstehen in Deutschland zahlreiche offene Werkstätten und Open Creative Labs, in denen gemeinsam gearbeitet, repariert, erprobt, gelernt und produziert wird. Die Initiatoren wollen mit dieser zukunftsweisenden Arbeitsform bisher unerschlossene kreative Potenziale aktivieren und den Zugang zu Technologie ermöglichen. Die aktuellen Karten zeigen einen ersten Überblick von mehr als 500 offenen kreativen Orten in Deutschland.

Offene kreative Orte bieten dauerhaft Räume für temporäre Nutzungen und zeichnen sich durch Gemeinschaftsorientierung aus. Zum Teil verfolgen sie politische Ziele, wie die Demokratisierung von Technik und Innovation, soziale Teilhabe an Kreativprozessen oder die Beförderung von Nachhaltigkeit. Offene Kreativorte stellen einen Rahmen für nutzergetriebene Problemlösungen zur Verfügung. Diese Entwicklung lässt sich an zwei Ausprägungen von offenen Kreativorten gut nachvollziehen: offene Werkstätten und Open Creative Labs. Die in den Karten 1 und 2 dargestellten „offenen kreativen Orte“ in Deutschland wurden durch zwei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekte identifiziert und untersucht (COWERK 2017 und Open Creative Labs in Deutschland 2017).

Das Projekt COWERK beschäftigt sich mit „offenen Werkstätten“, eine seit Jahren praktische Form des gemeinsamen Arbeitens, Reparierens, Erprobens und Produzierens an einem Ort. Hier stellen Akteure in offenen Netzwerken Werkstätten und Werkzeuge, Arbeitsräume, technologische Ausstattungen und Know-how für eine begrenzte Zeit bereit. Es handelt sich um Orte, an denen handwerklich, technologisch oder künstlerisch entweder in Gemeinschafts- oder in Eigenarbeit experimentiert werden kann. In Werkstätten wird geteilt, was für den Prozess des Experimentierens und Selbermachens nötig ist: Wissen, Materialien, Werkzeuge, Maschinen und Räume. Der gesellschaftliche Diskurs weist diesen Orten, im privaten Raum seit jeher selbstverständlich im Keller oder im Schuppen beheimatet, aufgrund des ihnen zugeschriebenen Mehrwerts für Stadtteile, Nachbarschaften und Themengemeinschaften eine zukunftsweisende Rolle zu. So verbinden sich mit den offenen Werkstätten Hoffnungen, bisher unerschlossene kreative Potenziale durch das freie Teilen von Wissen zu aktivieren, den Zugang zu Technologie zu demokratisieren und die Kontrolle über Forschung und Entwicklung seitens der Nutzer zurückzuerobern. Momentan entstehen vielfältige Einrichtungen, die man am besten mit den Begriffen „offene Produktion“ oder „offene Werkstätten“ beschreiben kann.

Der Bedarf nach Räumen des Übergangs und der flexiblen Nutzung zeigt sich zudem in der steigenden Zahl von offenen Kreativlaboratorien oder „Open Creative Labs“ (Schmidt/Ibert/Kuebart/Kühn 2016). Hierzu zählen zum Beispiel Coworking Spaces, Fab Labs oder Maker Spaces (Glossar). Sie stehen für einen Wandel und eine Umstrukturierung gegenwärtiger Arbeitswelten. Arbeitszusammenhänge werden heute zunehmend projektartig organisiert, was den Beteiligten ein hohes Maß an zeitlicher und räumlicher Flexibilität abverlangt. Außerdem werden betriebliche Innovationsprozesse vermehrt geöffnet (Open Innovation) oder ausgelagert. Hierfür wird der interdisziplinäre Austausch von Informationen, Wissen und Ideen in aufgabenspezifischen und zeitlich befristet zusammengestellten Teams organisiert. Schließlich benötigen Startups Umgebungen, in denen Ressourcen geteilt und frühe Businessideen getestet werden können. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Räumen für das Testen von Ideen, das spielerische Ausprobieren von Materialien und Technologien sowie für das Umsetzen von eigenen Projekten außerhalb geregelter Arbeitswelten.

In Fab Labs, Maker- oder Hackerspaces (Glossar) kommen beispielsweise technikbegeisterte Menschen zusammen, um sich mit digitalen Fertigungstechniken vertraut zu machen, diese für ihre eigene Zwecke zu nutzen oder gemeinschaftlich neue Nutzungen zu erschließen. Oft bringen Nutzer eigene Ideen und Projekte mit, die sie in Open Creative Labs umsetzen möchten. Gleichzeitig bieten Open Creative Labs Plattformen an, die Interessensgruppen und themenspezifische Gemeinschaften organisieren oder Laien an die Welt der 3D-Drucker und Lasercutter heranführen.

Ob Lowtech oder Hightech, ob Fahrrad, Kleidung, Platinen oder Computer: Die Bandbreite offener kreativer Orte reicht vom traditionellen Handwerk bis zu hoch innovativen Fabrikationstechniken. Daher ist der Übergang zwischen offenen Werkstätten und Open Creative Labs fließend (Karte 2). An dem Boom analoger wie digitaler Werkstätten spiegelt sich das Bedürfnis von Menschen, Ideen und Projekte in ihrem lokalen Umfeld gemeinschaftlich zu verwirklichen. Sie orientieren sich dabei oft an globalen Trends und Gemeinschaften. Umgekehrt kristallisieren sich internationale Bewegungen in solchen lokalen Entwicklungen.

Karte 1 veranschaulicht, dass offene kreative Orte überwiegend ein urbanes Phänomen sind. Ein mehrheitlicher Anteil ist in deutschen Metropolregionen angesiedelt (Karte 2; Glossar). Zu einem geringeren Anteil sind offene kreative Orte auch in weniger städtisch geprägten Räumen vorhanden. Generell lässt sich beobachten, dass sich diese Orte im Umfeld und dem Einzugsbereich von kontaktdichteren, wissensintensiven und kreativen Arbeitswelten befinden. Dagegen lässt sich die geringere Anzahl offener kreativer Orte, überwiegend offene Werkstätten, im ländlichen Raum durch die geringere Bevölkerungsdichte erklären, in denen sie dort praktische Bedürfnisse zur Bewältigung der Daseinsvorsorge einlösen.

Die Detailkarte Berlin (Karte 3) verdeutlicht exemplarisch, dass offene kreative Orte auch innerhalb städtischer Regionen an spezifische Standorte geknüpft sind. In Berlin lassen sich vier Standortpräferenzen beobachten: Erstens zentrale, durch öffentlichen Nah- und Fernverkehr gut erschlossene Kernbereiche der Städte, zweitens multifunktionale Standorte, an denen sich Wohnen und Arbeiten gut miteinander verbinden lassen, drittens die Nähe zu Betriebsstätten der Kreativökonomie und der digitalen Wirtschaft sowie viertens Szene-Viertel, in denen Bars, Restaurants, Galerien oder Designer zu finden sind.

Vor diesem Hintergrund lassen sich in der Hauptstadt folgende innerstädtische Schwerpunkte für offene kreative Orte identifizieren: Erstens befinden sich entlang der U-Bahnlinie 8 (Teile des Prenzlauer Berges, Mitte und Kreuzberg/Neukölln bzw. „Kreuzkölln“) einige auffallende Häufungen. Hierbei handelt es sich um Stadtquartiere, die aufgrund ihrer Nähe zur ehemaligen Berliner Mauer in der Wendezeit als städtische Experimentierorte bekannt geworden sind (Karte 3: Schwerpunkte 1 und 2). Zweitens zieht sich ein räumliches Band von Neukölln Richtung westliches Kreuzberg / östliches Schöneberg – Stadtgebiete, die alternative Szenen, Bars, Klubs und Restaurants verbinden (Schwerpunkt 3). Schließlich befinden sich drittens zahlreiche offene kreative Orte in den neueren Aufwertungsquartieren Moabit und südlicher Wedding (Schwerpunkte 4 und 5).

Adam, Brigitte u. Jürgen Göddecke-Stellmann (2002): Metropolregionen – Konzepte, Definitionen und Herausforderungen. In: Informationen zur Raumentwicklung Heft 9.2002, S. 513-525. URL: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/IzR/2002/Downloads/9AdamGoeddecke.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Abrufdatum: 03.04.2017.

ARL (Akademie für Raumforschung und Landesplanung) (Hrsg. (2017): Europäische Metropolregion: URL: https://www.arl-net.de/lexica/de/metropolregion-europ%C3%A4ische?lang=en
Abrufdatum: 03.04.2017.

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung( (Hrsg.) (2016a): Laufende Raumbeobachtung – Raumabgrenzungen: Siedlungsstrukturelle Kreistypen. URL: http://www.bbsr.bund.de/cln_032/nn_1067638/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/Kreistypen4/kreistypen.html
Abrufdatum: 15.12.2016.

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) (Hrsg.) (2016b): Europäische Metropolregionen in Deutschland, [Karte] Stichtag 01.11.2015. In: Pütz, T.: Empirische Zusammenschau der europäischen Metropolregionen in Deutschland, S. 546. (= Informationen zur Raumentwicklung Heft 5 2016, 546).

COWERK: www.cowerk.org; Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (Hrsg.). Berlin.
Abrufdatum: 10.04.2017.

IKM (Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland (Hrsg.) (2017): Mitglieder des Initiativkreises Europäische Metropolregionen in Deutschland. URL: http://www.deutsche-metropolregionen.org/mitglieder/
Abrufdatum: 03.04.2017.

IKM/BBSR (Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland/Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) (Hrsg.) (2012): Regionales Monitoring 2012: Daten und Karten zu den Europäischen Metropolregionen in Deutschland. Bonn. URL: http://www.deutsche-metropolregionen.org/fileadmin/ikm/01_monitoring/Regionales_Monitoring_IKM_BBR_2013.pdf
Abrufdatum: 10.04.2017.

IÖW (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung) (Hrsg.) (2016): Datenbank „Offene Werkstätten in Deutschland“, (Stand 2016) unveröffentlicht. Berlin.

Open Creative Labs in Deutschland: Typologisierung, Verbreitung, Entwicklungsbedingungen und politische Gestaltung (OCL-D). URL: https://leibniz-irs.de/forschung/projekte/projekt/open-creative-labs-in-deutschland/ ; https://leibniz-irs.de/forschung/projekte/projekt/open-creative-labs-in-deutschland/; IRS (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung) (Hrsg.). Erkner.
Abrufdatum: 03.04.2017.

IRS (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung) (Hrsg.) (2016): Datenbank „Open Creative Labs in German Metro-Regions“, (Stichtag 31. März 2016) unveröffentlicht. Erkner.

Lange, Bastian; Domann, Valentin u. Valerie Häfele (2016): Wertschöpfung in offenen Werkstätten. Eine empirische Erhebung kollaborativer Praktiken in Deutschland, Schriftenreihe des IÖW 213/16: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung.
URL: https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_Downloaddateien/Publikationen/Schriftenreihen/IOEW_SR-213_Wertschoepfung_in_offenen_Werkstaetten.pdf
Abrufdatum: 03.04.2017.

Schmidt, Suntje; Ibert Oliver; Kuebart, Andreas u. Juliane Kühn (2016): Open Creative Labs: Typologisierung, Verbreitung und Entwicklungsbedingungen. Erkner: Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung. URL: https://leibniz-irs.de/fileadmin/pure_files/ws/files/349554/open_creative_labs_in_deutschland.pdf
Abrufdatum: 03.04.2017.

Zitierweise:
Lange, Bastian; Schmidt, Suntje; Domann, Valentin; Ibert, Oliver; Kühn, Juliane u. Andreas Kuebart (2017): Basteln – Gestalten – Experimentieren: Offene kreative Orte in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 11 (04.2017) 3 [11.04.2017]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/kreative_Orte.3_04-2017.0.html.

Dr. phil. Bastian Lange
Universität Leipzig
Habilitand Institut für Geographie
E-Mail: Bastian.Lange@uni-leipzig.de

Prof. Dr. Suntje Schmidt
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung/
Humboldt Universität zu Berlin
Flakenstraße 29-31
15537 Erkner
Tel.: (03362) 793-172
E-Mail: suntje.schmidt@leibniz-irs.de

Valentin Domann B.A.
Master-Student an der
Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: domann@multiplicities.de

Prof. Dr. Oliver Ibert
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung/
Freie Universität Berlin
Flakenstraße 29-31
15537 Erkner
Tel.: (03362) 793-150
E-Mail: oliver.ibert@leibniz-irs.de

Juliane Kühn M.A.
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung
Flakenstraße 29-31
15537 Erkner
Tel.: (03362) 793-286

Andreas Kuebart M.A.
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung
Flakenstraße 29-31
15537 Erkner
Tel.: (03362) 793-186

 

Coworking Space ist ein Ort, an dem sich voneinander unabhängig arbeitende Personen Büroraum und soziale sowie digitale Infrastrukturen teilen.

Fab Lab – „Fabrication Laboratory“ ist ein Raum, der mit Produktionsmitteln wie 3D-Drucker, Lasercutter, CNC-Fräsen u.a. zur Umsetzung individueller Projekte oder Herstellung innovativer Prototypen oder Kleinserien von Produkten ausgestattet ist.

Hackerspace ist ein physischer Raum, der für eine wachsende Hacker-Community im virtuellen Raum einen Ort des gemeinsamen Austausches, Bastelns, Modifizierens und Produzierens schafft.

Maker Space ist ein Raum, der mit analogen und digitalen Werkzeugen für kreative Lösungen, Projekte oder Produkte und den Austausch darüber ausgestattet ist.

Metropolregion: Elf durch den Initiativkreis Europäische Metropolregion in Deutschland (IKM 2017) abgegrenzte Verdichtungsräume mit hoher nationaler und internationaler Bedeutung.
„Metropolregionen nehmen in unserem abgestuften Siedlungssystem von großen, mittleren und kleinen Städten und Stadtregionen die Spitzenstellung ein. Sie zeichnen sich gegenüber anderen Stadtregionen aus durch ihre Größe, ihre engere Integration in das globale Städtesystem und ihre herausragende Funktion im nationalen Kontext“ (Adam/Göddecke-Stellman 2002, S. 513).
„Als Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung sollen sie die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit Deutschlands und Europas erhalten und dazu beitragen, den europäischen Integrationsprozess zu beschleunigen“ (ARL 2017). Das Projekt „Open Creative Labs“ orientierte sich für die Erhebung der Labs an der Abgrenzung des IKM (IKM/BBSR 2012; Stand 2012).