Der demographisch bedingte Rückgang an Jugendlichen und die gute Wirtschaftskonjunktur in Deutschland führen zunehmend zu einer Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt. Es bestehen jedoch weiterhin deutliche regionale Disparitäten, wie aktuelle Deutschlandkarten belegen.

Nach den aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) für das Ausbildungsjahr 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011 lag die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2010 bei 570 Tsd. Dies bedeutet eine Steigerung um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Angesichts des aktuellen Wirtschaftsbooms erscheint dieser Zuwachs aber eher gering. So lag die Zahl der Ausbildungsverträge vor der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 noch bei 616 Tsd. Allerdings war der Anstieg der Zahl der betrieblichen Ausbildungsverträge 2011 mit vier Prozent – von 519 Tsd. (2010) auf 540 Tsd. (2011) – deutlich höher. Das Angebot an staatlich geförderten außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen, das marktbedingte Angebotsdefizite ausgleichen soll, wurde dagegen um 10 Tsd. Stellen zurückgefahren.

Eine gewisse Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt lässt sich auch anhand der rückläufigen Zahl von sog. „Altbewerberinnen“ und „Altbewerbern“ belegen, die im Vergleich zum Vorjahr um rund acht Prozent von 256 Tsd. auf 235 Tsd. gesunken ist (BMBF 2012). Nach Analysen des BIBB hatten die doppelten Abiturientenjahrgänge in Bayern und Niedersachsen sowie die Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes zwar zusätzliche Nachfrageimpulse ergeben. Diese fielen jedoch insgesamt betrachtet „nur in geringem Maße ins Gewicht“, da erfahrungsgemäß nur ein kleiner Anteil der Abiturientinnen und Abiturienten an einer dualen Berufsausbildung interessiert ist (BMBF 2012, S.10).

Regionale Unterschiede
Ein zentraler Indikator zur Lehrstellensituation ist die Angebots-Nachfrage-Relation an Berufsausbildungsstellen (ANR, Glossar). Der Indikator weist eine deutliche Verbesserung von 89,9 (2010) auf 92,7 auf. Damit liegt die ANR aber noch deutlich unter dem rechnerischen Gleichgewicht von 100 Ausbildungsplatzangeboten zu 100 Lehrstellensuchenden. Der Trend der letzten Jahre, dass die ANR in den neuen Ländern günstiger ausfällt als in den alten, hat sich auch 2011 fortgesetzt. Während die Quote in Westdeutschland bei 92,2 (2010: 89,2) lag, betrug sie in Ostdeutschland 96,0 (2010: 93,8) (BMBF 2012).

Die aktuelle Karte zur Lehrstellensituation in Deutschland zeigt deutliche regionale Disparitäten – im Vergleich zum Vorjahr ist das Ost-Westgefälle jedoch deutlich flacher geworden (Karte 1, vgl. Bode/Burdack 2011). Insgesamt weisen aber immer noch relativ wenige Arbeitsagenturbezirke einen rechnerischen Lehrstellenüberschuss auf. So verzeichnen nur 23 der insgesamt 176 Bezirke eine ANR von über 100. Es sind aber deutlich mehr als im Vorjahr, als lediglich neun Bezirke diese Marke übertrafen. Die Mehrzahl der Arbeitsagenturbezirke mit günstigen Werten liegt in Bayern (14); in den neuen Ländern befinden sich immerhin sieben Regionen mit Werten über 100.

Die Beschäftigtensituation in Ostdeutschland ist weiterhin durch eine Entkoppelung von regionalen Ausbildungs- und Arbeitmärkten gekennzeichnet. Dort haben zwar viele Jugendliche zunehmend gute Chancen auf dem Lehrstellenmarkt, doch gestaltet sich die anschließende Suche nach einer beruflichen Anstellung in vielen ostdeutschen Regionen weiter schwierig, da die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern bislang immer noch nicht selbsttragend ist. Die relativ günstige Lehrstellensituation basiert auf dem demographisch bedingten Rückgang der Jugendlichen (so ist die Zahl der Schulabgänger im letzten Jahr um acht Prozent auf 102 Tsd. Zurückgegangen; im Jahr 2000 lag die Zahl der Schulabgänger noch bei 235 Tsd.) und dem relativ hohen Einsatz staatlich geförderter außerbetrieblicher Ausbildungsplätze ( 13,9 Prozent aller Lehrstellen). Beachtenswert ist, dass in Ostdeutschland der Anteil der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze ein Jahr zuvor noch bei 20 Prozent lag; in Westdeutschland betrug der Anteil 2011 lediglich 3,9 Prozent (2010: 4,8 Prozent).

Ein weiterer aussagekräftiger Indikator zur Lehrstellensituation ist die „Angebotsquote zugunsten der Ausbildungsplatzinteressierten (AQI)“ (Glossar). Bei dieser Quote wird die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Beziehung zu den Ausbildungsinteressierten gesetzt (Ulrich 2012); ein Wert von 70 Prozent spiegelt in etwa einen ausgeglichenen Ausbildungsmarkt wider. Die aktuelle Karte zur AQI untermauert, dass die relativ entspannte Situation in den neuern Ländern ganz wesentlich auf den außerbetrieblichen Lehrstellen beruht (Karte 3). Die positive Lehrstellensituation in Bayern basiert hingegen auf der selbsttragenden Wirtschaftsstruktur und den betrieblichen Ausbildungsplatzangeboten vieler klein- und mittelständischer Unternehmen.

BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) (Hrsg.) (2012a): BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Stichtag 30. September; Bundesagentur für Arbeit, Ausbildungsmarktstatistik für das Berichtsjahr 2010/2011; eigene Berechnungen.

BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) (Hrsg.) (2012b): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. (Vorversion Stand 27.04.2012). Bonn.
URL:
http://datenreport.bibb.de/Datenreport_2012.pdf
Abrufdatum: 24.05.2012.

BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (Hrsg.) (2012): Berufsbildungsbericht 2012. Berlin; sowie Berufsbildungsberichte 1993 bis 2011 [BMBW, BMBWFT, BMBF]. Aktueller Berufsbildungsbericht.
URL:
http://www.bmbf.de/pub/bbb_2011.pdf
Abrufdatum: 14.05.2012.

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2011): Leichte Besserung auf dem Ausbildungsmarkt. In: Nationalatlas aktuell 5 (05/2011) [25.05.2011]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.5_05-2011.0.html

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2010): Ausbildungsmarkt und Jugendarbeitslosigkeit. In: Nationalatlas aktuell 4 (04/2010) [29.04.2010]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.4_04-2010.0.html

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2009): Lehrstellensituation – Trotz Besserung keine Entspannung. In: Nationalatlas aktuell 4 (05/2009) [07.05.2009]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.4_05-2009.0.html

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2008): Wende auf dem Lehrstellenmarkt? In: Nationalatlas aktuell 6 (05/2008) [05.06.2008]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.6_06-2008.0.html

BURDACK, Joachim (2007): Keine Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt. In: Nationalatlas aktuell 3 (10/2007) [18.10.2007]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.1_05-2007.0.html

DIONISIUS, Regina; LISSEK, Nicole u. Friedel SCHIER (Hrsg.) (2012): Beteiligung an beruflicher Bildung – Indikatoren und Quoten im Überblick (= Wissenschaftliche Diskussionspapiere 133). Bonn.

ULRICH; Joachim Gerd (2012): Indikatoren zu den Verhältnissen auf dem Ausbildungsstellenmarkt. In: Dionisius, R.; Lissek, N. u. F. Schier: Beteiligung an beruflicher Bildung – Indikatoren und Quoten im Überblick, S. 48-65.

Bildnachweis
Ausbildung zum Kraftfahrzeugtechniker.
Foto: Handwerkskammer zu Leipzig.
Fundstelle: http://www.hwk-leipzig.de/3,327,1073.html
Abrufdatum: 07.06.2012.

Zitierweise
Bode, Volker u. Joachim BURDACK (2012): Weitere Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt. In: Nationalatlas aktuell 6 (07.2012) 8 [27.07.2012]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.8_07-2012.0.html

Dipl.-Geogr. Volker Bode
Leibniz-Institut für Länderkunde
Redaktion Nationalatlas aktuell
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
Tel.: (0341) 600 55 143
E-Mail: v_bode@leibniz-ifl.de

Prof. Dr. Joachim Burdack
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
apl. Professor an der Universität Leipzig
E-Mail: j_burdack@leibniz-ifl.de

Angebots-Nachfrage-Relation an Berufsausbildungsstellen (ANR), Angebotsquote zugunsten der Ausbildungsinteressierten (AQI)

Die Angebots-Nachfrage-Relation an Berufsausbildungsstellen (ANR) ist der meist verwendete Indikator zur Verdeutlichung der Situation auf dem Lehrstellenmarkt. Sie wird von der Bundesregierung in den jährlichen Berufsbildungsberichten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ausgewiesen.

„Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen sind gemäß § 86 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) wie folgt definiert: Das Angebot errechnet sich aus der Zahl der zwischen dem 1. Oktober und dem 30. September des Folgejahres neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zuzüglich der bei den Arbeitsagenturen gemeldeten Ausbildungsstellen, die am 30. September noch nicht besetzt waren. Die Nachfrage ergibt sich aus der Zahl der im gleichen Zeitraum abgeschlossen Ausbildungsverträge zuzüglich der am 30. September bei den Arbeitsagenturen gemeldeten, noch Ausbildungsplätze suchenden Personen“ (Berufsbildungsbericht 2007 Teil II, S. 2).

Seit 2008 werden bei der ANR auf der Nachfrageseite auch die Jugendlichen berücksichtigt, die nach erfolglosen Bewerbungen andere Tätigkeiten aufnehmen (Jobben, erneuter Schulbesuch, Berufsvorbereitung, freiwilliges soziales Jahr usw.) und von dort weiter nach einer Ausbildungsstelle suchen. Die neue Berechnungsmethode, in der nun auch die Bewerber in „Warteschleifen“ einfließen, ist daher deutlich praxistauglicher als die herkömmliche.

Die Angebotsquote zugunsten der Ausbildungsinteressierten (AQI) wurde vor kurzem als weiterer Indikator zu den Verhältnissen auf dem Ausbildungsstellenmarkt entwickelt, um die Zahl der offiziell erfassten Ausbildungsplatzangebote in Relation zur Zahl aller Personen zu setzen, die sich im Berichtsjahr auf irgendeine Weise für eine Berufsausbildung interessiert hatten. Dazu zählen auch jene ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die ihren Ausbildungswunsch ohne Unterstützung der Beratungs- und Vermittlungsdienste gefunden haben.

Die (AQI) bildet nach Einschätzung des BIBB den „geeignetsten Ansatz, um auf Basis amtlicher Daten jahresaktuell die Ausbildungsmarktverhältnisse für ausbildungsinteressierte Jugendliche abzuschätzen“ und diese mit den Vorjahreswerten bzw. mit anderen Regionen zu vergleichen (Ulrich 2012, S. 62). Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Marktindikatoren im Zeitverlauf von 1992 bis 2010 spiegelt eine AQI von ca. 70 Prozent in etwa einen ausgeglichenen Ausbildungsmarkt wider (vgl. Ulrich 2012, S. 50).