Die Zahl politisch motivierter Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund hat 2008 einen neuen Höchststand erreicht. Beim Rechtextremismus handelt es sich um ein gesamtdeutsches Phänomen: Dies belegen aktuelle Karten und Graphiken zum Wahlverhalten, zu Fremdenfeindlichkeit, zu Straftaten und Todesopfern rechter Gewalt. Es treten jedoch deutliche regionale Unterschiede auf.

2008 ist die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten in Deutschland von 17.000 (2007) auf rund 20.000 angestiegen (Graphik 1). Auch Fremdenfeindlichkeit, als mögliche Form des Rechtsextremismus, ist in ganz Deutschland zu registrieren (HEITMEYER 2007). Es zeigen sich jedoch klare regionale Unterschiede sowohl in der Intensität als auch der gesellschaftlichen Akzeptanz dieser Phänomene (HELD 2008; Graphik 2).

Sozialräumliche Differenzierung
Die Karte der Wahlergebnisse von rechtsextremen Parteien spiegelt ein deutliches Ost-West-Gefälle wider und zeigt die höchsten Werte im mittleren und östlichen Sachsen (Karte 1). Dargestellt wird das Wahlverhalten, nicht die Verbreitung rechtsextremer Ideologien; die Ergebnisse bzw. politischen Meinungsäußerungen stellen keine zwangsläufige Verbindung zur Verbreitung und regionalen Dichte rechtsextrem motivierter Kriminalität dar (Glossar).

Nach Daten im Verfassungsschutzbericht des Bundes ist politisch motivierte Kriminalität von rechts – auf die Gesamtbevölkerung bezogen – in Ostdeutschland häufiger als im Westen und Süden (Karte 2), allerdings sind derartige Kriminalitätsstatistiken nur mit großer Skepsis zu interpretierenden (Glossar).

Das Medienecho auf rechtsextreme Gewalt und entsprechende Todesfälle, die seit der deutschen Einheit als Opfer rechter Gewalt registriert werden, zeigt neben klaren Häufungen in Ostdeutschland – und insbesondere in der Hauptstadt Berlin und ihrem Umland – einen Schwerpunkt dieser Straftaten im Ruhrgebiet (Karten 3 und 4).

Für das höhere Ausmaß an Fremdenfeindlichkeit (Graphik 2) und rechtsextremer Gewalt in Ostdeutschland lassen sich verschiedene Gründe identifizieren: die ausgeprägte Orientierungslosigkeit in ökonomisch abwärtsdriftenden Regionen (HÜPPING/REINECKE 2007), selektive Abwanderungsprozesse (PETZKE/ENDRIKAT/KÜHNEL 2007) sowie eine stärkere Wahrnehmung sozialer Desintegration und eine höhere Neigung zu autoritativen Lösungen gesellschaftlicher Probleme, die sich in „Law-and-order-Parolen“ manifestieren (BABKA VON GOSTOMSKI/ KÜPPER/HEITMEYER 2007, S 118).

Regionale Schwerpunkte
Ein regionaler Vergleich zwischen Sachsen (Karte 5), das bei allen Statistiken weit vorne rangiert, und Bayern (Karte 6), das in seinen östlichen Landkreisen bei den Bundestagswahlen 2005 ebenfalls recht hohe Wahlergebnisse für rechtsextreme Parteien aufweist, zeigt, wie differenziert das Phänomen im Einzelnen ist. Während die Wahlergebnisse für rechtsextreme Parteien bei den Landtagswahlen 2004 in Sachsen in den meisten Wahlkreisen weitaus höher ausfielen als bei den Bundestagswahlen im Jahr danach, sind die Werte in Bayern von der Bundestagswahl 2005 bis zur Landtagswahl 2008 nahezu konstant geblieben. Das lokale Auftreten rechtsextremer Gewalt dagegen scheint in beiden Ländern unabhängig von den Wahlergebnissen zu sein – wenn man die Medienresonanz als Messinstrument akzeptiert. Letzteres ist allerdings nicht ganz unproblematisch, da das Instrument keine Vollerfassung gewährleistet.

Medienecho und öffentliche Sensibilisierung
Kaum ein Tatbestand ist in seiner gesellschaftlichen Wahrnehmung so abhängig von der öffentlichen Grundhaltung, wie politisch motivierte Kriminalität.

So sind die Statistiken zur politisch motivierten Kriminalität immer auch durch den Filter des gesellschaftlichen Umfeldes zu sehen, der zu ihren Ergebnissen in kaum quantifizierbarer Weise mit beiträgt (Glossar).

Ähnliches gilt für die Medien: Karten 3 und 4, denen Berichte über rechtsextreme Vorfälle und Todesopfer in den Medien zu Grunde liegen, sind deshalb keinesfalls als besserer Indikator für das Ausmaß rechtsextremer Gewalttaten anzusehen. Was dort gezeigt wird, ist die öffentlich wahrgenommene bzw. veröffentlichte rechtsextreme Gewalt und keineswegs die regional „objektiv“ erfahrbare.

Das Medienecho hat allerdings auch eine zweite Seite: Es gibt Hintergrundinformation über die jeweiligen Fälle, die so aus ihrer Anonymität als „Straftat“ herausgelöst werden. Abseits von Statistik und Wahlergebnissen weisen die kleinen Steckbriefe der Todesopfer Sachsens (Karte 7) auf die menschlichen Schicksale hinter diesen Gewalttaten und auf ihre besondere Brutalität hin.

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Dipl.-Geogr. Sebastian Schipper
Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt a. M.
Institut für Humangeographie
Robert-Mayer-Str. 6-8
60325 Frankfurt
Tel. (069) 798 22 407
E-Mail: sschipper@stud.uni-frankfurt.de

Zur Dokumentation von Rechtsextremismus in Deutschland

Karten als Hilfsmittel
Erkenntnisse über die regionale Differenzierung von rechtsextremer Gewalt können Anhaltspunkte für regionsspezifische Strategien gegen Rechtsextremismus bieten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine kartographische Darstellung nicht unweigerlich eine Stigmatisierung und Homogenisierung von bestimmten Regionen bewirkt und gleichzeitig Sicherheit und die Abwesenheit von rechtsextremen Einstellungen in anderen Regionen suggeriert. Andererseits führt ein vollständiger Verzicht der konkreten, auch räumlichen Benennung zum berechtigten Vorwurf der Ignoranz, Verdrängung und Verharmlosung.

Daher wird im vorliegenden Beitrag eine Darstellungsweise gewählt, die zwar eine räumliche Differenzierung von Erscheinungsformen des Rechtsextremismus kartographisch aufzeigt, gleichzeitig aber deren Produktionsprozess offen legt. In konstruktivistischer Perspektive wird dabei bei jedem vermeintlichen Indikator kritisch hinterfragt, wer mit welchem Anspruch die Daten erhebt und veröffentlicht und welches Phänomen tatsächlich kartiert worden ist, um so einer Pseudoobjektivierung und Essentialisierung entgegenzuwirken.

Rechtsextreme Einstellungen und Wahlverhalten
Da bezüglich der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der Bevölkerung keine regionalisierten Daten vorliegen, wird als indirekter Indikator das Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 2005 (Karte 1) sowie bei den Landtagswahlen in Sachsen 2004 (Karte 5) und in Bayern 2008 (Karte 6) gewählt. Dargestellt wird folglich das Wahlverhalten, nicht die Verbreitung rechtsextremer Ideologien.

Amtliche Kriminalitätsstatistiken
Im Hinblick auf rechte Gewalt werden in der Regel die Daten der Verfassungsschutzämter verwendet (WEHLING 2001, S. 92f; Karte 2). Zwar wird die „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ (PMK-rechts) seit 2001 nach einheitlichen Kriterien erfasst (Graphik 1), allerdings durchläuft auch hier jede soziale Praxis die typischen Filter polizeilicher Kriminalstatistik (BELINA 2007, BELINA/ROLFES 2006): Zuerst muss eine Handlung gegen ein bestehendes Gesetz verstoßen, dann muss der Gesetzesverstoß als solcher wahrgenommen und zur Anzeige gebracht werden. Erst wenn diese dann aufgenommen wird, erscheint sie auch in der Kriminalstatistik. Ob die Straftat aber zusätzlich von den Polizeibehörden als politisch motiviert eingeordnet wird, ist trotz einheitlicher Kriterien keineswegs so eindeutig, wie es die amtliche Statistik suggeriert. Insbesondere das Interesse von politischen Entscheidungsträgern, die regionale oder landesspezifische rechtsextreme Kriminalität möglichst gering zu halten, da mit jedem Übergriff ein Imageschaden befürchtet wird (BELINA 2002), kann die offiziellen Zahlen verfälschen. Besonders offensichtlich wurde dies 2007, als bekannt wurde, dass das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt auf politischen Druck hin die Statistiken „geschönt“ hatte (DIE WELT 01.11.2007) und dadurch die Zahl der Fälle mit rechtsextremem Hintergrund um 55% zurückgegangen war.

Selbst bei Angaben zu Todesopfern besteht bei weitem keine Einheitlichkeit. Während die Polizeien der Länder insgesamt 40 Todesopfer seit der deutschen Einheit vermelden (DER TAGESSPIEGEL 10.12.2008), zählen beispielsweise Opferberatungsprojekte 140 Tote (Karten 4 u. 7; Graphik 3). Bei den amtlichen Daten zur PMK-rechts handelt es sich um einen Rechenschaftsbericht der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden und nicht um eine „objektive“ Beschreibung rechter Gewalt; eine Berücksichtigung der entsprechenden Todesopfer rechtsextremer Gewalt in einer Karte ist nicht möglich, da die statistischen Angaben keine räumlichen Bezüge aufweisen.

Datengrundlage zum „Medienecho“
Auf Grundlage der sicherlich unvollständigen Chronik rechtsextremer Gewalt, zusammengestellt von der Amadeu-Antonio-Stiftung und der Redaktion www.mut-gegen-rechte-gewalt.de, ist das Medienecho auf rechtsextreme Vorfälle zwischen 2004 und 2008 auf lokaler Ebene dargestellt (Karten 3, 5 u. 6; Graphik 3). Auch bei dieser Methode werden nicht einfach „rechte Vorfälle“ kartiert, sondern deren mediale Repräsentation. Die Anwesenheit von dokumentierenden Opferberatungsstellen und die Qualität von zivilgesellschaftlichem und antifaschistischem Widerstand beeinflussen neben mediensoziologischen Prozessen das Resultat. Beispielsweise ließe sich die vermeintliche Abwesenheit rechter Vorfälle auch auf die Ignoranz der Lokalpresse zurückführen.

Die kartographische Darstellung ist folglich in mehrfacher Hinsicht keine „objektive“ Beschreibung der Verbreitung rechtsextremer Ideologie und Gewalt. Dennoch ermöglicht sie – mit Vorsicht betrachtet – die Visualisierung räumlicher Schwerpunkte und kann daher bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ein hilfreiches Werkzeug darstellen.