Der Tourismus stellt in Deutschland ein wichtiges ökonomisches Wachstumssegment dar. Doch bestehen gravierende regionale Unterschiede hinsichtlich des touristischen Potenzials. Die aktuelle Deutschlandkarte verdeutlicht diese anhand der Übernachtungszahlen und der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Gäste.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten um Klimawandel, Energiewende und Nachhaltigkeit rücken innerdeutsche Tourismusregionen seit einiger Zeit wieder stärker in den Blick einer breiten Öffentlichkeit. Mit seiner langen Tradition bildet der Tourismus in vielen Teilen Deutschlands ein ergänzendes, manchmal sogar bedeutendes Standbein der regionalen Wirtschaft. Bis heute sind die einheimischen Destinationen neben den Reisen ins Ausland beliebt, und auch der Geschäftstourismus nimmt in einer hoch mobilen Netzwerkgesellschaft immer noch zu. Der Tourismus ist deswegen ein ökonomisches Wachstumssegment: Insgesamt sind in Deutschland die Übernachtungszahlen in den statistisch erfassten Übernachtungsbetrieben in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent angestiegen, 2012 überstiegen sie die Grenze von 400 Mio. (Grafik).

Dabei sind aber die regionalen Unterschiede gravierend. Diese sind sowohl vom regionsspezifischen Tourismuspotenzial als auch von gesellschaftlichen Bewertungs- und Handlungsmustern der Nachfrager abhängig (z.B. Zeitgeist, Urlaubsmoden, gruppenspezifische Reiseinteressen und -aktivitäten). Die vorliegende Karte arbeitet solche Unterschiede an den Beispiel-Indikatoren „Anzahl der Übernachtungen“ und „durchschnittliche Aufenthaltsdauer“ heraus. Auf dieser Grundlage lassen sich in Deutschland – unter Zuhilfenahme weiterer tourismusgeographischer Zusatzinformationen – sehr grob zugeschärft und zum Teil mit Mehrfachorientierungen und gleitenden Übergängen fünf Typen von Tourismusregionen unterscheiden.

1. Küstenorientierte Tourismusregionen mit Langzeittourismus vor allem während der Sommersaison

Die Tourismusschwerpunkte der Nord – und Ostseeküste in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind gemessen an den Übernachtungszahlen immer noch die bedeutendste Urlaubsregion des Landes. Dabei handelt es sich vor allem um die ost- und nordfriesischen Inseln und die alten Seebäder an der Ostseeküste (Spitzenreiter Vorpommern-Rügen: 9.221.696 Übernachtungen). Die stetigen Zuwächse haben unter anderem damit zu tun, dass die traditionell fast ausschließlich auf die Sommersaison konzentrierte Region mittlerweile mit z.T. wetterunabhängigen Zusatzangeboten auch einen Zustrom von Urlaubern in der Nebensaison verbuchen kann.

2. Gebirgsorientierte Fremdenverkehrsregionen mit vorwiegend Langzeittourismus in der Sommer- und Wintersaison

Den zweiten regionalen Schwerpunkt im bundesdeutschen Langzeit-Urlaubstourismus bilden die Gebirgsregionen Süddeutschlands. Dabei ragen nach den Übernachtungszahlen die
deutschen Alpen, der südliche Schwarzwald und der südliche Bayerische Wald heraus. Sie alle verbindet eine Gemeinsamkeit: Sie liegen so hoch, dass sie nicht nur mit einer wander- und ausflugsorientierten Sommersaison rechnen können, sondern – mit unterschiedlicher Schneesicherheit – auch mit einer zweiten, skisportorientierten Wintersaison. Innerhalb der Gebirgsregionen liegen die Alpen sowohl bezüglich der Anzahl als auch der Dauer der Übernachtungen an erster Stelle (Spitzenposition: Oberallgäu: 5.389.977 Übernachtungen).

3. Regionen mit langzeitorientiertem Kur- oder Bädertourismus

Ein weiterer Regionstyp mit langzeitorientiertem Tourismus hat sich aus dem traditionellen Kur- und Bädertourismus heraus entwickelt. Sein Potenzial gründet auf der Existenz von Mineral- bzw. Thermalquellen oder auf heilklimatischen Rahmenbedingungen. Auf dieser Grundlage hat sich eine spezielle medizinisch-klinische Infrastruktur in Kombination mit Erholungs- und Freizeiteinrichtungen herausgebildet. Diese führen anwendungsbedingt zu einer überdurchschnittlich hohen Aufenthaltsdauer der Kurgäste von sechs bis acht Tagen und zu insgesamt hohen Übernachtungszahlen. Ohne jeden Einzelstandort nennen zu wollen, findet man die Schwerpunkte dieser Entwicklung in folgenden Regionen: Kur- und Bäderstandorte vom Teutoburger Wald bis zum Weserbergland, heilklimatische Luftkurorte im Hochsauerlandkreis und im Kreis Waldeck-Frankenberg, Bäder und Kurorte in den nördlich des Mains angrenzenden Mittelgebirgen (Taunus, Spessart, Rhön), im Nordschwarzwald, im Alpenvorland und in den Alpen.

4. Mittelgebirge mit vorwiegendem Kurzzeittourismus

In den übrigen Mittelgebirgen findet sich eine Kategorie von Regionen, die sich mit deutlich kürzeren Aufenthaltsdauern (drei bis vier Übernachtungen) und in der Regel geringeren Übernachtungszahlen als Gebiete mit vorwiegend Kurzzeittourismus ausweisen. Ihre räumlichen Schwerpunkte liegen, mit unterschiedlicher Abstufung und Intensität, im Rheinischen Schiefergebirge einschließlich des Mittelrhein- und Moseltales, in Teilen der südwestdeutschen Mittelgebirge sowie in den Gebirgszügen zwischen Deutschland und Tschechien (Thüringer Wald, Erzgebirge, Sächsische Schweiz). Von ihrem Tourismuspotenzial her sind diese Gebiete teilweise sehr unterschiedlich.

5. Solitäre Zentren des Stadt-, Geschäfts- und Messetourismus

Bei dieser Kategorie handelt es sich nicht im engen Sinne um Tourismusregionen, sondern eher um einzelne größere und mittlere Städte in der Bundesrepublik. Diese Gruppe ist bezüglich ihres jeweiligen Tourismuspotenzials heterogen, es existieren ortsspezifisch unterschiedliche Kombinationen von Attraktivitäten, wie zum Beispiel kulturhistorisch-symbolische Architekturen/Ensembles, regionsspezifische Feste (z.B. Karneval), funktionale Zentralität (z.B. spezielle Freizeit- und Kultureinrichtungen, politische Institutionen, Messestandorte, „In-City“-Image für bestimmte Freizeit- und Lebensstile). Solche Standorte erreichen ihre hohe Zahl an Übernachtungen bei den vergleichsweise geringsten Aufenthaltsdauern von ein bis zwei Tagen durch ihren hohen Durchsatz (v.a. Tagungs- oder Geschäftsreisen, Städtetourismus). Eine besonders starke Stellung in der Übernachtungsstatistik findet sich bei denjenigen Städten, in denen sich Potenziale bündeln, allen voran in Berlin mit über 22 Mio., in München mit über 11 Mio. und in Hamburg mit fast 9,5 Mio. Übernachtungen.

REUBER, Paul (2000): Fremdenverkehr. In: Gesellschaft und Staat / Institut für Länderkunde (Hrsg.) Mithrsg. von Günter Heinritz … – 1. Aufl. – Berlin (Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland Bd. 1), S. 76-77.

StBA (Statistisches Bundesamt) (Hrsg.) (2012): Tourismus in Zahlen 2011. Wiesbaden.

StBA/StLÄ (Statistisches Bundesamt/Statistische Landesämter) (Hrsg.) (2013): Regionaldatenbank Deutschland. Tourismus: Tab. 469-11-4 Beherbergungsbetriebe, Gästebetten, -übernachtungen, -ankünfte – Jahressumme – regionale Tiefe: Kreise und krfr. Städte; (Stand der Daten 2011).
URL: https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/logon
Abrufdatum: 06.02.2013.

Bildnachweis
Altstadt von Quedlinburg, seit 1994 UNESCO-Weltkulturerbe
© V. Bode

Zitierweise
Reuber, Paul (2013): Tourismus in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 7 (09.2013) 9 [17.09.2013]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Tourismus.9_09-2013.0.html

Prof. Dr. Paul Reuber
Westfälische Wilhelms-Universität
Münster
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