Zwei Monate nach dem Ende der Bundesliga-Saison gab die Deutsche Fußball Liga (DFL) eine Pressemeldung mit dem Titel „Ticketabsatz 2023/24: Deutscher Profifußball sorgt für Rekorde“ heraus (DFL 2024). Mit insgesamt 20.737.276 abgesetzten Tickets der 36 Profiklubs in der Bundesliga und 2. Bundesliga wurde der höchste Wert aller Zeiten erreicht. Der Titel der Pressemeldung mit der Wortwahl „Deutscher Profifußball“ war dabei mit Bedacht gewählt, da dieser neue Rekord auf dem starken Wachstum der Zuschauerzahl in der 2.Bundesliga beruhte. Denn in der Bundesliga war die Zahl der verkauften Tickets mit 11.925.726 um 1.050.701 niedriger als in der Vorsaison. Trotzdem boomt die Bundesliga.
Stadionkapazität und Auslastungsgrad
Die Zahl der abgesetzten Tickets ist kein geeigneter Indikator für die Aussage, ob es einen Boom gibt, da diese Zahl ganz wesentlich von der Gesamtzahl der Plätze aller 18 Fußballstadien abhängt – und diese variiert von Saison zu Saison. Denn in jeder Saison gibt es mindestens zwei Absteiger und zwei Aufsteiger, sodass die Gesamtkapazität aller Stadien stark variieren kann. Beispielsweise sind am Ende der Bundesliga-Saison 22/23 mit Schalke 04 und Hertha BSC zwei Vereine abgestiegen, die beide eine Stadionkapazität von über 60.000 Plätzen haben. Aufgestiegen sind mit Darmstadt 98 und dem 1. FC Heidenheim zwei Vereine, deren Stadionkapazität jeweils unter 20.000 Plätze liegt. Im Ergebnis konnte die Zuschauerzahl aus der Vorsaison mit 12.976.427 Zuschauenden gar nicht erreicht werden, da schon die Zahl der zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität (12.474.073 Plätze) über alle Stadien und Spieltage um eine halbe Million Plätze niedriger lag.
Der Auslastungsgrad, d.h. wie viele Zuschauende in Bezug auf die Kapazität des Stadions kommen, ist hinsichtlich der Attraktivität der Bundesligaspiele sicherlich ein besserer Indikator. Die Karte 1 zeigt die Stadien der 18 Bundesligavereine der Saison 23/24 mit Anteilen des Dauerkarten- und des freien Verkaufs. Kumuliert ergeben diese beiden Anteile in Bezug auf die Kapazität des Stadions den Auslastungsgrad. Bei vier Vereinen ist eine vollständige Auslastung zu erkennen: Neben dem Meister Bayer Leverkusen waren dies Union Berlin, RB Leipzig und Bayern München. Bei elf weiteren Vereinen lag der Auslastungsgrad bei über 90 Prozent, und nur in Heidenheim, Wolfsburg und Hoffenheim lag er darunter. Im Durchschnitt ergab sich damit eine Auslastung von 95,6 Prozent gegenüber 92,6 in der Vorjahressaison, die somit um drei Prozentpunkte höher ausfiel.
Ein Blick auf die Anteile der Dauerkarten zeigt, dass die Vereine unterschiedliche Strategien zur Grundauslastung ihrer Stadien verfolgen. Bis auf zwei – die TSG Hoffenheim und Mainz 05 – hatten alle anderen Vereine 50 Prozent und mehr ihrer verfügbaren Plätze über Dauerkarten abgesetzt. Die Spannbreite geht dabei von 38,1 Prozent in Hoffenheim bis 73,0 Prozent im benachbarten Darmstadt.
Zeitlicher Vergleich
Die durchschnittliche Auslastung und die Dauerkartenanteile waren nicht immer so hoch. In der Karte 2 sind vergleichend alle Bundesligisten der Saisons 1998/99 (Lambrecht 2000), 2008/09 (Hanewinkel 2009) und 2023/24 dargestellt. Aussagekräftig sind aber nur die Daten von neun Vereinen, die in allen drei Spielzeiten in der Bundesliga vertreten waren (von Norden nach Süden: Werder Bremen, VfL Wolfsburg, VfL Bochum, Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt, VfB Stuttgart und Bayern München). Mit Ausnahme von Dortmund ist eine starke Veränderung zwischen der Saison 98/99 und 08/09 zu erkennen, und zwar sowohl bei der Auslastung als auch bei den Dauerkarten. Ursächlich dafür ist der Neu- und Umbau von Stadien. Diese erfolgten teilweise im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Es wurden entweder reine Fußballstadien neu gebaut oder Multifunktionsstadien umgestaltet, indem beispielsweise Leichtathletik-Laufbahnen beseitigt wurden.
Gleichzeitig ging damit eine Verbesserung der Infrastrukturen innerhalb und außerhalb der Stadien einher: bessere Verkehrsanbindungen, großformatige Videowände, Bezahlsysteme und ein Catering, das über Bier und Bratwurst hinausgeht. Die Spiele in den modernen Stadien bekamen so immer mehr Eventcharakter. Im Ergebnis haben diese Maßnahmen sowie eine starke mediale Präsenz zu einer stetig wachsenden Auslastung geführt. Dass der mittlerweile athletische und attraktive Fußball auch einen großen Beitrag dazu geleistet hat, soll dabei nicht außer Acht gelassen werden.
Räumliche Verteilung
Mit dem Ab- und Aufstieg in der Bundesliga ändern sich auch die Orte, in denen Fußball live im Stadion erlebt werden kann. Die Karte 3 verdeutlicht den Wandel: Es werden alle Bundesligavereine gezeigt, die seit der Saison 1998/99 in der Bundesliga mehr oder weniger lange gespielt haben. Von den derzeitigen Vereinen in der Saison 2024/25 sind nur vier die Bundesligisten VfL Wolfsburg, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und Bayern München die ganze Zeit vertreten. Die sechs Vereine Holstein Kiel, Union Berlin, RB Leipzig, TSG Hoffenheim, FC Heidenheim und FC Augsburg sind noch nie abgestiegen, aber teilweise auch noch nicht sehr lange dabei. Trotz der Veränderungen der Zugehörigkeiten durch Ab- und Aufstieg gibt es Regionen in Deutschland, in denen Bundesligafußball als Liveerlebnis im Stadion nicht stattfindet beziehungsweise stattgefunden hat. Auffällig sind ein breites Band in der Mitte Deutschlands, die Region zwischen Berlin und der Ostsee sowie das nordwestliche Niedersachsen. Allen fußballbegeisterten Menschen in diesen Räumen sei gewünscht, dass der eine oder andere Verein es vielleicht mal schafft, in die Bundesliga aufzusteigen.