In Deutschland sterben jährlich etwa 120.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Neue gesetzliche Bestimmungen deuten an: Der Kampf gegen das Rauchen wird intensiviert. Aber Wirkungen werden auf sich warten lassen, Tragweite und Tragik der Rauchepidemie werden nach wie vor unterschätzt. Die aktuelle Karte verdeutlicht Ausmaß und regionale Unterschiede.

Rauchen ist eine äußerst gesundheitsschädigende Verhaltensweise und ein wichtiger Risikofaktor für zahlreiche lebensbedrohliche Krankheiten. Tabakkonsum gilt als das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko sowie als führender Grund vorzeitiger Sterblichkeit. Rauchen schwächt die körpereigenen Abwehrkräfte, führt zu Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohlbefindens und der gesundheitlichen Lebensqualität. Raucher nehmen zudem vermehrt die Leistungen des medizinischen Versorgungssystems in Anspruch, fehlen häufiger krankheitsbedingt am Arbeitsplatz und verursachen dadurch erhebliche Produktionsausfallkosten. Medizinische Versorgung und Arbeitsausfall führten in Deutschland allein 2002 zu volkswirtschaftlichen Kosten von fast 20 Milliarden Euro. In Deutschland sterben jährlich ca. 120.000 Menschen an rauchbedingten Krankheiten.

Die Epidemie des Rauchens lässt sich klar nach Geschlecht, Alter, Sozialstatus und Region differenzieren. In den letzten Jahren egalisierten sich Geschlechtsunterschiede für die nachwachsenden Jahrgänge, regionale Unterschiede schrumpften, verschoben sich aber zu Lasten der neuen Länder, und soziale Aspekte gewannen weiter an Bedeutung.

29% der deutschen Männer sind tägliche Raucher, weitere 8% bezeichnen sich als Gelegenheitsraucher. Bei den 18-19-Jährigen liegt der Anteil regelmäßiger Raucher sogar knapp über 40%. Frauen rauchen insgesamt seltener (22% tägliche, 6% Gelegenheitsraucherinnen), jedoch seit 1984 zunehmend, sodass der Geschlechterunterschied kontinuierlich abnimmt. In der Altersgruppe der 18-19-Jährigen ist der Anteil täglicher Raucherinnen mit 43% sogar höher als bei den Männern. Noch überwiegen jedoch die Geschlechtsunterschiede gegenüber den regionalen Unterschieden: Männer in Baden-Württemberg rauchen immer noch häufiger als Frauen in Berlin (Grafik 1). Fast drei Viertel aller heute lebenden Raucher und ehemaligen Raucher haben bereits vor dem 18. Lebensjahr mit dem Rauchen begonnen. Der Bundesdurchschnitt des Rauchbeginns aller derzeitigen Raucher und ehemaligen Raucher liegt bei 16,9 Jahren, wobei Männer fast ein Jahr früher zu rauchen begannen als Frauen (Karte 2). Bei den neu mit dem Rauchen beginnenden Jugendlichen betrug hingegen 2004 das mittlere Alter nur noch 13,7 Jahre!

In Deutschland wird in sozial benachteiligten Gruppen häufiger geraucht. Männer und Frauen aus der Unterschicht rauchen etwa doppelt so häufig wie die Angehörigen der oberen Schicht. Als mögliche Erklärungen werden ein geringeres Gesundheitsbewusstsein, stärkere körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz sowie häufigere Konflikte und Probleme im Familienkontext angeführt. Und Menschen aus der Unterschicht fangen nicht nur häufiger an zu rauchen, sondern sie hören auch seltener damit auf. Im jungen Erwachsenenalter zeigen sich zudem migrationsspezifische Unterschiede; so ist der Raucheranteil unter den Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders hoch.

Noch 1995 wiesen die Rauchgewohnheiten für Männer ein klares Nord-Süd-Gefälle auf. Die höchsten Raucheranteile fanden sich in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Hamburg, Bremen und Berlin, die niedrigsten in Bayern und Baden-Württemberg. Für Frauen war diese Tendenz weniger klar ausgebildet, vielmehr war eher ein Stadt-Land-Gefälle auszumachen. Von 1995 bis 2005 hat der Anteil der Raucher in den fünf neuen Ländern (Mecklenburg-Vorpommern: +4,7 Prozentpunkte) und in Niedersachsen teilweise stark zugenommen, während die Stadtstaaten (Hamburg -3,8 und Bremen -1,3 Prozentpunkte), Schleswig-Holstein und das Saarland die deutlichsten Abnahmen erlebten (Karte 1). Diese Daten korrespondieren gut mit den altersdifferenzierten Beobachtungen des Bundesgesundheitssurveys 1998: In den neuen Ländern wachsen derzeit mehr junge Raucher nach. Als Resultat entwickelte sich für Frauen ein Nord-Süd-Gefälle, während sich für Männer ein neues, deutliches Ost-West-Gefälle herausgebildet hat (Karte 2).

In Deutschland wird die Bekämpfung der Rauchepidemie noch nicht in dem Umfang betrieben, wie dies etwa die Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt: Der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabak ist unzureichend, die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz des Rauchens steht kaum in Frage, und die bevölkerungsnahen Angebote zu Prävention und Ausstieg erreichen die Risikogruppen nur unzulänglich.

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Bildnachweis: Jens Rohland: Raucher gehen ein hohes Gesundheitsrisiko ein

Zitierweise
Kistemann, Thomas (2007): Gesundheitsrisiko Rauchen. In: Nationalatlas aktuell 1 (12.2007) 5 [20.12.2007]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Rauchen.5_12-2007.0.html

PD Dr. Thomas Kistemann MA
Stellv. Direktor/Ltd. Oberarzt
Institut für Hygiene und
Öffentliche Gesundheit
Abt. Medizinische Geographie
und Public Health
Head des WHO CC für
Wassermanagement und
Risikokommunikation zur
Förderung der Gesundheit
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