Offene kreative Orte bieten dauerhaft Räume für temporäre Nutzungen und zeichnen sich durch Gemeinschaftsorientierung aus. Zum Teil verfolgen sie politische Ziele, wie die Demokratisierung von Technik und Innovation, soziale Teilhabe an Kreativprozessen oder die Beförderung von Nachhaltigkeit. Offene Kreativorte stellen einen Rahmen für nutzergetriebene Problemlösungen zur Verfügung. Diese Entwicklung lässt sich an zwei Ausprägungen von offenen Kreativorten gut nachvollziehen: offene Werkstätten und Open Creative Labs. Die in den Karten 1 und 2 dargestellten „offenen kreativen Orte“ in Deutschland wurden durch zwei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekte identifiziert und untersucht (COWERK 2017 und Open Creative Labs in Deutschland 2017).
Das Projekt COWERK beschäftigt sich mit „offenen Werkstätten“, eine seit Jahren praktische Form des gemeinsamen Arbeitens, Reparierens, Erprobens und Produzierens an einem Ort. Hier stellen Akteure in offenen Netzwerken Werkstätten und Werkzeuge, Arbeitsräume, technologische Ausstattungen und Know-how für eine begrenzte Zeit bereit. Es handelt sich um Orte, an denen handwerklich, technologisch oder künstlerisch entweder in Gemeinschafts- oder in Eigenarbeit experimentiert werden kann. In Werkstätten wird geteilt, was für den Prozess des Experimentierens und Selbermachens nötig ist: Wissen, Materialien, Werkzeuge, Maschinen und Räume. Der gesellschaftliche Diskurs weist diesen Orten, im privaten Raum seit jeher selbstverständlich im Keller oder im Schuppen beheimatet, aufgrund des ihnen zugeschriebenen Mehrwerts für Stadtteile, Nachbarschaften und Themengemeinschaften eine zukunftsweisende Rolle zu. So verbinden sich mit den offenen Werkstätten Hoffnungen, bisher unerschlossene kreative Potenziale durch das freie Teilen von Wissen zu aktivieren, den Zugang zu Technologie zu demokratisieren und die Kontrolle über Forschung und Entwicklung seitens der Nutzer zurückzuerobern. Momentan entstehen vielfältige Einrichtungen, die man am besten mit den Begriffen „offene Produktion“ oder „offene Werkstätten“ beschreiben kann.
Der Bedarf nach Räumen des Übergangs und der flexiblen Nutzung zeigt sich zudem in der steigenden Zahl von offenen Kreativlaboratorien oder „Open Creative Labs“ (Schmidt/Ibert/Kuebart/Kühn 2016). Hierzu zählen zum Beispiel Coworking Spaces, Fab Labs oder Maker Spaces (Glossar). Sie stehen für einen Wandel und eine Umstrukturierung gegenwärtiger Arbeitswelten. Arbeitszusammenhänge werden heute zunehmend projektartig organisiert, was den Beteiligten ein hohes Maß an zeitlicher und räumlicher Flexibilität abverlangt. Außerdem werden betriebliche Innovationsprozesse vermehrt geöffnet (Open Innovation) oder ausgelagert. Hierfür wird der interdisziplinäre Austausch von Informationen, Wissen und Ideen in aufgabenspezifischen und zeitlich befristet zusammengestellten Teams organisiert. Schließlich benötigen Startups Umgebungen, in denen Ressourcen geteilt und frühe Businessideen getestet werden können. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Räumen für das Testen von Ideen, das spielerische Ausprobieren von Materialien und Technologien sowie für das Umsetzen von eigenen Projekten außerhalb geregelter Arbeitswelten.
In Fab Labs, Maker- oder Hackerspaces (Glossar) kommen beispielsweise technikbegeisterte Menschen zusammen, um sich mit digitalen Fertigungstechniken vertraut zu machen, diese für ihre eigene Zwecke zu nutzen oder gemeinschaftlich neue Nutzungen zu erschließen. Oft bringen Nutzer eigene Ideen und Projekte mit, die sie in Open Creative Labs umsetzen möchten. Gleichzeitig bieten Open Creative Labs Plattformen an, die Interessensgruppen und themenspezifische Gemeinschaften organisieren oder Laien an die Welt der 3D-Drucker und Lasercutter heranführen.
Ob Lowtech oder Hightech, ob Fahrrad, Kleidung, Platinen oder Computer: Die Bandbreite offener kreativer Orte reicht vom traditionellen Handwerk bis zu hoch innovativen Fabrikationstechniken. Daher ist der Übergang zwischen offenen Werkstätten und Open Creative Labs fließend (Karte 2). An dem Boom analoger wie digitaler Werkstätten spiegelt sich das Bedürfnis von Menschen, Ideen und Projekte in ihrem lokalen Umfeld gemeinschaftlich zu verwirklichen. Sie orientieren sich dabei oft an globalen Trends und Gemeinschaften. Umgekehrt kristallisieren sich internationale Bewegungen in solchen lokalen Entwicklungen.
Karte 1 veranschaulicht, dass offene kreative Orte überwiegend ein urbanes Phänomen sind. Ein mehrheitlicher Anteil ist in deutschen Metropolregionen angesiedelt (Karte 2; Glossar). Zu einem geringeren Anteil sind offene kreative Orte auch in weniger städtisch geprägten Räumen vorhanden. Generell lässt sich beobachten, dass sich diese Orte im Umfeld und dem Einzugsbereich von kontaktdichteren, wissensintensiven und kreativen Arbeitswelten befinden. Dagegen lässt sich die geringere Anzahl offener kreativer Orte, überwiegend offene Werkstätten, im ländlichen Raum durch die geringere Bevölkerungsdichte erklären, in denen sie dort praktische Bedürfnisse zur Bewältigung der Daseinsvorsorge einlösen.
Die Detailkarte Berlin (Karte 3) verdeutlicht exemplarisch, dass offene kreative Orte auch innerhalb städtischer Regionen an spezifische Standorte geknüpft sind. In Berlin lassen sich vier Standortpräferenzen beobachten: Erstens zentrale, durch öffentlichen Nah- und Fernverkehr gut erschlossene Kernbereiche der Städte, zweitens multifunktionale Standorte, an denen sich Wohnen und Arbeiten gut miteinander verbinden lassen, drittens die Nähe zu Betriebsstätten der Kreativökonomie und der digitalen Wirtschaft sowie viertens Szene-Viertel, in denen Bars, Restaurants, Galerien oder Designer zu finden sind.
Vor diesem Hintergrund lassen sich in der Hauptstadt folgende innerstädtische Schwerpunkte für offene kreative Orte identifizieren: Erstens befinden sich entlang der U-Bahnlinie 8 (Teile des Prenzlauer Berges, Mitte und Kreuzberg/Neukölln bzw. „Kreuzkölln“) einige auffallende Häufungen. Hierbei handelt es sich um Stadtquartiere, die aufgrund ihrer Nähe zur ehemaligen Berliner Mauer in der Wendezeit als städtische Experimentierorte bekannt geworden sind (Karte 3: Schwerpunkte 1 und 2). Zweitens zieht sich ein räumliches Band von Neukölln Richtung westliches Kreuzberg / östliches Schöneberg – Stadtgebiete, die alternative Szenen, Bars, Klubs und Restaurants verbinden (Schwerpunkt 3). Schließlich befinden sich drittens zahlreiche offene kreative Orte in den neueren Aufwertungsquartieren Moabit und südlicher Wedding (Schwerpunkte 4 und 5).