Die Automobilindustrie hat in den letzten Jahrzehnten weltweit dynamische Veränderungsprozesse durchlaufen. Gegenwärtig arbeiten in Deutschland rund 700.000 Menschen in diesem Industriezweig. Aktuelle Deutschlandkarten zeigen die regionale Verteilung der Betriebe und Beschäftigten und verdeutlichen, an welchen Standorten die großen Automobilhersteller ihre Personenkraftwagen produzieren.

Die deutschen Automobilhersteller produzieren ca. elf Millionen Personenkraftwagen und eine Million Nutzfahrzeuge pro Jahr. Davon wird etwa die Hälfte der Pkw und fast zwei Drittel der Nutzfahrzeuge im Ausland gefertigt. Jedes sechste Automobil weltweit stammt von einer deutschen Konzernmarke. In Deutschland arbeiten rund 400.000 Beschäftigte in den Automobilwerken und weitere 300.000 Menschen sind in der Herstellung von Fahrzeugteilen und -zubehör, Anhängern und Aufbauten tätig (2010; VDA 2011).

Damit ergibt sich eine hohe wirtschaftliche und gesellschaftliche Abhängigkeit vom deutschen und internationalen Automobilmarkt, besonders in einigen Regionen von Baden-Württemberg und Bayern, aber auch in Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz (Karte 1 u. Graphik 1).

Das Standortmuster in Deutschland
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2008 in der Automobilindustrie (Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen) insgesamt rund 3.700 Unternehmen (StBA 2011; Glossar). Das Standortmuster in Deutschland ist von den großen Markenherstellern Audi, BMW, Ford, Mercedes Benz, Opel, Porsche und VW geprägt (Karte 2): Hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen im Bereich der Pkw-Produktion treten besonders die Standorte Wolfsburg (VW) und Ingolstadt (Audi) sowie die Region Stuttgart (Mercedes Benz und Porsche) hervor.

Zudem sind deutsche und internationale Zulieferer mit Sitz in Deutschland von hoher Relevanz für die hiesigen Produktionsstandorte. Die Kapazitäten für Forschung und Entwicklung haben die Markenhersteller und die Zulieferer vor allem an ihren Hauptsitzen konzentriert. Im Bereich des Designs suchen die Hersteller oft die Fühlung zu den jeweiligen Auslandsmärkten (Rentmeister 2007). So weist Hyundai gemeinsam mit KIA seit 2003 einen entsprechenden Forschungsstandort in Rüsselsheim auf.

Veränderung der Produktionsnetzwerke
Graphik 2 weist auf eine überwiegend großbetriebliche Struktur in der Automobilindustrie hin. Dabei hat es allerdings deutliche Veränderungen im Produktionsnetzwerk in den letzten dreißig Jahren gegeben, die man in drei Phasen aufteilen kann:

1. Phase: 1980er bis Mitte 1990er Jahre
Die Rezession der 1970er Jahre (Ölkrise), eine zunehmend verschärfte Weltmarktkonkurrenz durch asiatische Anbieter und schrumpfende Märkte für die Automobilhersteller aus den USA und Europa führten von den 1980er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre zu tief greifenden Umstrukturierungen in den Zulieferbeziehungen. Unter den Vorzeichen der lean production erfolgte die Konzentration der Markenhersteller auf ihre Kernfähigkeiten, verbunden mit der Auslagerung ganzer Modulfertigungen und somit der Übertragung von Know-how, Steuerungs- und Ausführungsfunktionen auf Zulieferer. Eine Restrukturierung im gesamten Zuliefernetzwerk setzte ein, verbunden mit Strategien der Just-in-time-Zulieferung und der computergestützten Integration der Produktion. Regional führten die Auslagerungsstrategien zu lokalen Zulieferparks. Zugleich erfolgte eine Ausweitung von Produktionsstandorten insbesondere der Mittelklassehersteller nach Spanien und Portugal.

2. Phase: Marktausweitung Mitte 1990er bis Mitte der 2000er Jahre
Nach rezessiven Erscheinungen Anfang der 1990er Jahre erfolgte von Mitte der 1990er Jahre bis ca. 2007 eine Aufschwung- und Expansionsphase. Sie zeichnete sich aus durch die Erschließung neuer Märkte, besonders in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China), teils durch Montagewerke (CKD-Fertigung), teils durch die Errichtung integrierter Werke, im begrenzten Maße verbunden mit der Zuweisung von Entwicklungskompetenzen. Hinzu kam eine starke  Expansion von Standorten und Arbeitsplätzen nach Mittel-/Ost- und Südosteuropa (Fuchs/Winter 2008). In arbeitsintensiven Teilen wanderte die „Karawane“ weiter in Länder östlich der EU und nach Nordafrika (Blöcker u.a. 2010).

3. Phase: Produktinnovationen
Nachdem 2008/2009 zunächst die internationale Rezession die Automobilindustrie tiefgreifend zu erfassen drohte und vor allem die Zukunft von Opel infrage stand, zeigten sich anschließend wieder positive Tendenzen. Gegenwärtig entstehen Impulse aus der Innovationsdynamik durch den Versuch, die Verbrennung fossiler Rohstoffe durch neue Antriebskonzepte zu ersetzen. Die Hersteller und Zulieferer setzen auf die Weiterentwicklung kraftstoffeffizienter und CO2-sparsamer Technologien, auf Elektromotor, Hybridantrieb und längerfristig auf Brennstoffzellen. Regionale Akteure beschäftigen sich zurzeit mit möglichen Veränderungen im Standortmuster durch diese bevorstehenden grundlegenden Innovationen.

BLÖCKER, Antje; JÜRGENS, Ulrich u. Heinz-Rudolf MEIßNER (2009): Innovationsnetzwerke und Clusterpolitik in europäischen Automobilregionen. Impulse für Beschäftigung. Berlin, Münster.

FUCHS, Martina u. Johannes WINTER 2008: Competencies in subsidiaries of multinational companies. The case of the automotive supply industry in Poland. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie (52) 4, S. 193-203.

RENTMEISTER, Bernd 2007: Wissensintensive Dienstleister in der Automobilentwicklung. Standortorganisation von Ingenieurdienstleistern unter dem Einfluss lokaler institutioneller Regelsysteme der Automobilhersteller. Münster.

StBA (Statistisches Bundesamt) (Hrsg.) (2011): Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen. Auszug aus dem Statistischen Unternehmensregister: Unternehmen nach Wirtschaftsabteilungen und Größenklassen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Berichtsjahr 2008. Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008). Wiesbaden.

StBA (Statistisches Bundesamt) (Hrsg.) (2007): Gliederung der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008). Arbeitsunterlage. Wiesbaden.

StLÄ (statistische Ämter der Länder) (2011): Statistisches Unternehmensregister: Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen. Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sowie Einbetriebsunternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und/oder steuerbarem Umsatz. Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

VDA (Verband der Automobilindustrie) (2011): Jahreszahlen.
URL:
http://www.vda.de/de/zahlen/jahreszahlen/
Abrufdatum: 27.11.2011

Internetseiten der Konzerne/Automobilhersteller:

Adam Opel AG (Hrsg.) (2011): http://www.opel.de/ueber-opel/adam-opel-ag/standorte/index.html
Abrufdatum: 12.10.2011.

AUDI AG (Hrsg.) (2011): http://www.audi.de/de/brand/de/unternehmen/produktionsstandorte.html
Abrufdatum: 12.10.2011.

BMW AG (Hrsg.) (2011): http://www.bmwgroup.com/d/nav/index.html?http://www.bmwgroup.com/d/0_0_www_bmwgroup_com/produktion/produktionsnetzwerk/produktionsstandorte/produktionsstandorte.shtml
Abrufdatum: 12.10.2011.

Daimler AG (Hrsg.) (2011): http://www.cms.daimler.com
Abrufdatum: 12.10.2011.

Ford-Werke GmbH (Hrsg.) (2011): http://www.ford.de/UeberFord/FordinDeutschland
Abrufdatum: 12.10.2011.

Volkswagen AG (Hrsg.) (2011): http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/content/de/the_group/production_plants.html
Abrufdatum: 12.10.2011.

Bildnachweis
Vollautomatisierte Autofabrikation, © IWKA AG

Zitierweise
FUCHS, Martina (2011): Automobilindustrie in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 5 (12.2011) 12 [21.12.2011]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Automobilindustrie.12_12-2011.0.html

Prof. Dr. Martina Fuchs
Universität Köln
Wirtschafts- und
Sozialgeographisches Institut
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
Tel.: 0221-470-7729, -2372
E-Mail: fuchs@wiso.uni-koeln.de

Automobilindustrie, statistisches Unternehmensregister, Unternehmen, Betrieb, CKD-Fertigung, Just-in-time-Zulieferung, lean production

Im Rahmen dieses Beitrags wurde zur Abgrenzung der Automobilindustrie der Wirtschaftszweig „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ des statistischen Unternehmensregisters des Statistischen Bundesamtes sowie der statistischen Ämter der einzelnen Länder zugrunde gelegt; nicht berücksichtigt wurde der Wirtschaftszweig Handel mit Kraftfahrzeugen, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen sowie der Bereich Vermietung von Kraftwagen (StBA 2011, StLÄ 2011).

Im Unternehmensregister werden sowohl Daten zu den Unternehmen (Graphik 1) als auch zu den Betrieben (Karten und Graphik 2) ausgewiesen. Für die Karten wurden die Daten zu den Betrieben berücksichtigt, um auch die einzelnen Standorte (Werke) der großen Automobilkonzerne und deren Beschäftigte berücksichtigen zu können (die Daten zu den Unternehmen beziehen sich lediglich auf den jeweiligen Standort des Unternehmenssitzes bzw. der Konzernzentrale).

CKD-Fertigung (Completely Knocked Down): Automobilhersteller exportieren ihre Fahrzeuge in Einzelteilen (zerlegter Bausatz), die dann in den Montagewerken der Zielländer wieder zusammengebaut werden.

Just-in-time-Zulieferung (genau zur rechten Zeit): Nach diesem Prinzip wird versucht, eine flexible, schnelle und rechtzeitige Anlieferung zwischen den Betriebsstätten ohne Lagerhaltung zu gewährleisten.

Lean production (schlanke Produktion): Reduzierung der Produktionsstufen in der Fabrikation durch Vorfertigung und Vormontage von Modulen bei den Zulieferern.