Naturgefahren, Wissenschaftler sprechen meist von natural hazards, können Auslöser von Naturkatastrophen sein. Das Potenzial von Naturgefahren, d.h. von natürlichen Ereignissen in der physischen Welt wie z.B. Erdbeben oder Sturm ist immer vorhanden. Das Naturrisiko entsteht erst durch den Menschen: Durch die dauerhafte Besiedlung und die Umgestaltung der Natur in eine hochgradig überprägte Kulturlandschaft mit umfangreichen Bauflächen und Infrastrukturtrassen führen Naturereignisse zu materiellen Schäden. Nehmen diese Ereignisse gravierende Ausmaße an, kommt es zu Naturkatastrophen, deren folgenschwere Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft die Funktionsfähigkeit des alltäglichen Lebens in der betroffenen Region einschränken und nationale bzw. internationale Hilfe erforderlich machen.
Erkenntnisse über die raumzeitliche Verteilung der Art und Stärke des Auftretens von Naturgefahren sind bei Standortentscheidungen sowie planerischen Festlegungen in Wirtschaft und Politik heute unerlässlich. Die Münchner Rückversicherung beschäftigt sich seit etwa vier Jahrzehnten intensiv mit der Erfassung, Dokumentation und Analyse von Naturgefahren. Das dort betriebene weltweit älteste sowie zugleich größte Archiv über globale Naturkatastrophen bietet dafür eine gute Grundlage und liefert die Datenbasis für diese Ausführungen (MUNICH RE Nat CatSERVICE 2011).
Zur Einschätzung der Gefährdung eines bestimmten Gebietes durch Naturgefahren dienen verschiedenste Kriterien, wie etwa bei Erdbeben die Stärke (gemessen auf der Richterskala). Sie ergeben in kombinierter Betrachtung das konkrete Gefährdungsprofil des jeweiligen Raumes. Das tatsächliche Ausmaß eines Naturereignisses kann in seiner Intensität erst im Nachhinein angegeben werden. Allerdings ermöglichen bestimmte zeitliche und räumliche Indikatoren, Naturgefahren im Voraus zu charakterisieren. Am Beispiel von Deutschland verdeutlicht Graphik 1 das generelle Gefährdungsprofil für die wichtigsten Naturgefahren. Die Gefährdung durch Erdbeben kann demnach in Deutschland als relativ gering eingestuft werden.
In den vergangenen zehn Jahren verzeichnete Deutschland insgesamt 287 Naturereignisse, darunter 38 größere Naturkatastrophen (13%) mit volkswirtschaftlichen Schäden von jeweils mehr als 100 Mio. US-Dollar (Karte) und einer Gesamtschadenshöhe von über 30 Mrd. US-Dollar (MUNICH RE Nat CatSERVICE 2011a). Je nach Kategorie des Naturereignisses unterlag das deutsche Staatsgebiet einer unterschiedlich hohen Gefährdung. Die größten Gefahren gingen dabei von Überschwemmungen (mit den absolut höchsten Sachschäden) und Stürmen (am häufigsten auftretend) sowie von Hagelschauern (seltener und regional sehr eng begrenzt vorkommend) aus. Die Gefahrenpotenziale für Hagelschauer sowie Kältewellen und Dürren lassen sich kartographisch nicht flächenhaft darstellen, da sie überall in Deutschland auftreten können. Erwartungsgemäß sind durch extreme Hochwasser gefährdete Gebiete zum einen an der Nordseeküste, zum anderen entlang der Ufergebiete der Binnengewässer festzustellen. Besonders gefährdet sind die Auelandschaften der Ströme Rhein, Weser, Elbe, Oder und Donau sowie deren große Zuläufe (Karte).
Aus der Graphik 2 zu den schlimmsten Fluten der letzten 30 Jahre in Deutschland geht hervor, dass mehr als zwei Drittel davon in den letzten 15 Jahren stattgefunden haben, davon sieben im vergangenen Jahrzehnt und alleine zwei im Jahr 2010. Dabei war das mit Abstand folgenschwerste Ereignis das „Jahrhunderthochwasser“ von 2002 an Elbe, Mulde, Weißeritz und Müglitz mit einer Schadensumme von insgesamt fast zwölf Mrd. Euro. Die Zahlen belegen, dass es höchste Zeit ist, zu handeln und proaktive Maßnahmen des Hochwasserschutzes (zum Beispiel Vorhaltung von Retentionsflächen, Fließgewässerrenaturierung oder Deichbau) zu forcieren.
Bezüglich der Gefahr durch Stürme zeigt sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Während alle Küsten und das gesamte Norddeutsche Tiefland, der Harz sowie das Münsterländer Becken direkt maritimem Sturmpotenzial ausgesetzt sind, reduziert sich die Gefährdung durch hohe Windgeschwindigkeiten südlich dieser Zone auf exponierte Mittelgebirgslagen. Die Zonen mit Erdbebengefahr verlaufen mehr oder weniger parallel zu tektonischen Bruchlinien entlang des Rheingrabens und besonders in der Kölner Bucht, im Alpenvorland, der Schwäbischen und Fränkischen Alb. Auch nördlich an das Erzgebirge angrenzend lässt sich für das Städtedreieck Chemnitz – Leipzig – Gera ein verstärktes Bebenrisiko feststellen (Karte).
In der Synthese des Naturgefahrenpotenzials für Deutschland ergeben sich Areale, die ein weitaus größeres Risiko bergen, von einem Schaden bringenden Naturereignis getroffen zu werden, als andere: Dies trifft zum Beispiel auf den Kölner Raum zu. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich das Naturkatastrophenpotenzial nicht zuletzt durch eine in den zurückliegenden Jahren immer stärkere Konzentration der Bevölkerung und volkswirtschaftlicher Werte in dicht besiedelten Regionen erhöht hat. Im weltweiten Kontext relativiert sich die Gefährdung Deutschlands jedoch erheblich. Die Bedrohung durch Naturgefahren kann hier insgesamt zum Glück als vergleichsweise gering angesehen werden.