Noch vor gut 20 Jahren war der Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft kaum verbreitet. Gegenwärtig erlangt dieser Wirtschaftsbereich, der im Wesentlichen den privatwirtschaftlichen Sektor umfasst, wachsende Bedeutung. Nach Definition des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ist der verbindende Kern jeder kultur- und kreativwirtschaftlichen Aktivität ein schöpferischer Akt (BMWi 2009). Dazu zählen beispielsweise literarische, musische, gestalterische und architektonische Inhalte und Werke. Diese Produktionsprozesse können in Unikate, Live- aufführungen, serielle Produktionen oder Dienstleistungen münden. Neben kleinteiligen Kulturunternehmern zählen aber auch die Unternehmen der Werbewirtschaft, der Designwirtschaft, der Filmwirtschaft und der Software-/ Games-Industrie zum heterogenen Branchenkonglomerat „Kultur- und Kreativwirtschaft“ (Glossar).
Eine Wachstumsbranche
Graphik 1 zeigt, dass es sich bei der Kultur- und Kreativwirtschaft um eine Wachstumsbranche handelt, die moderat und kontinuierlich wächst. Im gesamten Spektrum der volkswirtschaftlichen Leistungen nimmt sie mit
2,5 % der Bruttowertschöpfung (2008) einen beachtlichen Platz ein, liegt jedoch bei den Wachstumsraten eher im Mittelfeld. Während die wichtigste Industriebranche Deutschlands, der Maschinenbau, im Jahr 2007 einen Umsatz von 219 Mrd. Euro verzeichnete und in den vier Jahren seit 2003 insgesamt ein Wachstum von 38 % aufwies (Statistisches Bundesamt 2004-2008), betrug der Umsatz dieses relativ neuen Wirtschaftszweigs 129 Mrd. (2007) und erreichte im selben Zeitraum einen Zuwachs von 10,5 %.
Karte 1 spiegelt die Anzahl der betreffenden Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 17.500 Euro sowie die Umsatzanteile für das Jahr 2006 auf der Ebene der Länder wider. Berlin besitzt mit 18.000 Unternehmen und einem Umsatzanteil von 6,1 % an seiner Gesamtwirtschaft eine herausragende Stellung. Die relativ hohe Anzahl der Unternehmen in Deutschland ist darauf zurückzuführen, dass ein sehr großer Teil davon aus Einzelunternehmern bzw. Freiberuflern besteht; auch Kleinstunternehmen mit zwei bis fünf Beschäftigten sind charakteristisch für diese Branche. Die Standortwahl, respektive der Ort der Gründung eines Unternehmens, richtet sich ganz wesentlich nach der Verfügbarkeit von kreativen Mitarbeitern auf dem regionalen Arbeitsmarkt. Dabei treten so genannte weiche Standortfaktoren wie ein tolerantes Umfeld, eine inspirierende Atmosphäre, günstige Mieten sowie das Vorhandensein von Bildungseinrichtungen in den Vordergrund. Die dominierenden Umsatzraten in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg resultieren im Wesentlichen aus den sehr hohen Umsätzen großer Verlage, Werbeagenturen, Filmproduktions- gesellschaften, Architekturbüros usw. in den jeweiligen Ländern (Graphik 2).
Öffentliche Kulturfinanzierung
Zwischen der privatwirtschaftlichen Kultur- und Kreativwirtschaft und der öffentlich finanzierten Kultur bestehen zahlreiche Interdependenzen. Dieser Übergangsbereich wird aus kultur- sowie wirtschaftspolitischer Sichtweise als komplementärer Bereich angesprochen. Dazu zählt z.B. die so genannte Freie Szene einer Stadt, in der zahlreiche Künstler einerseits als freie Unternehmer, andererseits als „feste Freie“ der öffentlichen kulturfinanzierten Einrichtungen (z.B. Theater) agieren. Die Höhe der öffentlichen Kulturausgaben stellt sich im Ländervergleich sehr heterogen dar: Hier nimmt Sachsen neben den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, die im Kulturbereich eine Sonderstellung haben, bei den Pro-Kopf-Ausgaben eine führende Position ein (Karte 2). Auch bei der Differenzierung der öffentlichen Ausgaben für den Kulturbereich und die kulturnahen Bereiche ergibt sich kein einheitliches Bild: Während in Mecklenburg-Vorpommern ein Viertel der Ausgaben auf die kulturnahen Bereiche entfällt, sind es in Sachsen lediglich 4 % (Glossar). Beim Vergleich der Städte über 200.000 Einwohner liegen Frankfurt a.M., Leipzig und Karlsruhe an der Spitze der kommunalen Pro-Kopf-Ausgaben (Graphik 3). Unter Berücksichtigung der Kulturausgaben und der höchsten Theater- und Orchesterdichte aller deutschen Flächenländer soll Sachsen im Folgenden näher betrachtet werden.
„Kulturland“ Sachsen
Kultur nimmt in Sachsen eine zentrale Rolle im politischen Selbstverständnis ein. Dies wird unter anderem durch die Selbstbeschreibung als „Kulturland“ dokumentiert (Micheel 2007; SMWK 2009). Zum Erhalt und zur Förderung der kulturellen Vielfalt wurde bereits 1994 das Sächsische Kulturraumgesetz verabschiedet. Auf seiner Grundlage ist – bisher einmalig in der Bundesrepublik Deutschland – die Kulturpflege im Freistaat Sachsen als Pflichtaufgabe der Landkreise und Gemeinden ausgestaltet worden. Die neu etablierten Kulturräume haben dabei die Aufgabe, die Träger der kommunalen Kulturpflege bei ihren Aufgaben von regionaler Bedeutung zu unterstützen. Aufgrund der überdurchschnittlich hohen finanziellen Zuwendungen können in Sachsen zahlreiche Initiativen im Kultursektor umgesetzt werden (Karte 2).
Die sächsische Kultur- und Kreativwirtschaft wird durch junge, kreative Unternehmen geprägt. Dazu zählen Firmen in den Bereichen Design oder der darstellenden Künste, die weltweit etablierten Handwerksbetriebe der vogtländischen Musikinstrumentenproduktion, die traditionelle erzgebirgische Volkskunst, die bildende Kunst und die Filmwirtschaft in Leipzig, die Uhren-Manufakturen der Kleinstadt Glashütte sowie die Unternehmen der Software-/ Games-Industrie in Dresden (Karte 3). Bedeutende Veranstaltungen wie die Leipziger Buchmesse sowie regionale Initiativen, darunter der Sächsische Staatspreis für Design, fördern die sächsische Kultur- und Kreativwirtschaft. Aktuelle Erkenntnisse des soeben erschienenen Kulturwirtschaftsberichts für den Freistaat Sachsen belegen die relativ hohen Beschäftigtenzahlen dieses Wirtschaftsbereichs im Vergleich zu anderen Branchen: Mit knapp 31.500 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern im Jahr 2006 waren es zwar weniger als im Maschinenbau (39.000), aber deutlich mehr als in der Automobilindustrie (22.000) (SMWA/SMWK 2009). Zusammen mit der Gruppe der Selbstständigen gab es in Sachsen somit knapp 40.000 Erwerbstätige in der Kultur- und Kreativwirtschaft – mit steigender Tendenz. Die 8.500 sächsischen Unternehmen dieser Branche erzielten einen Umsatz von insgesamt 3 Mrd. Euro. Im Vergleich dazu weist die amtliche Statistik für den Maschinenbau 442 Betriebe mit einem Gesamtumsatz von 6 Mrd. Euro aus, und in der Automobilindustrie (Herst. v. Kraftwagen und Kraftwagenteilen) waren es 102 Betriebe mit einem Umsatz von 11,4 Mrd. Euro im Jahr 2006 (Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen 2007).
Solche Zahlen belegen die Kleinteiligkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre feste Verankerung in Selbstständigkeit und Kleinunternehmertum, die einerseits eine starke Fluktuation mit sich bringt, andererseits jedoch auch flexibleres Reagieren auf ökonomische Veränderungen ermöglicht.