Die Forderungen nach einer Mietpreisbremse und bezahlbarem Wohnraum stehen im Zentrum der wohnungspolitischen Diskussion von Bund, Ländern und Gemeinden. Aufgrund ihrer marktregulierenden Wirkung rücken dabei die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbestände wieder verstärkt ins Blickfeld der Politik. Aktuelle Deutschlandkarten, die auf den Ergebnissen der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2011 basieren, zeigen eklatante regionale Unterschiede bei der Versorgung mit genossenschaftlichem und kommunalem Wohnraum.

Aufgrund steigender Miet- und Immobilienpreise in deutschen Großstädten können öffentlich geförderte und genossenschaftliche Wohnangebote oft eine wichtige preisdämpfende Funktion übernehmen. Der Umfang und gesellschaftspolitische Stellenwert vor allem des sozialen, aber auch des kommunalen Wohnungsbaus (Glossar) hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch deutlich gewandelt: Der Rückzug des Bundes aus dem sozialen Wohnungsbau seit dem Ende der 1990er Jahre und die zunehmend ungünstige Haushaltslage der Kommunen hat dazu geführt, dass der marktregulierende Einfluss der Kommunen an Bedeutung verloren hat. Dies spiegelt sich auch in der zunehmenden Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände wider, die seit mehr als zehn Jahren stattfindet (Lenk/Grütner/Hesse 2011). Durch den Bedeutungsverlust des kommunalen Wohnungsbaus und die wachsenden Versorgungsengpässe, insbesondere im preisgünstigen Wohnungsmarktsegment, geraten gleichzeitig die Wohnungsgenossenschaften (Glossar) in deutschen Großstädten wieder verstärkt in den Blick.

Eklatante Ost-West-Unterschiede und lokale Besonderheiten
Während der Anteil von Genossenschaftswohnungen und kommunalen Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand in Deutschland im Mittel 11 Prozent (5,3 Prozent Genossenschaften, 5,7 Prozent in kommunaler Hand) beträgt, zeigt die Karte 1 große regionale Unterschiede in der Eigentümerstruktur auf. Datengrundlage bildet die Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2011 (Glossar). Besonders auffällig ist das gravierende Ost-West-Gefälle, das nicht nur auf der Länderebene (Karte 1), sondern auch auf der kommunalen Ebene deutlich hervortritt (Karte 2).

Diese regionalen Unterschiede sind in erster Linie auf die staatlich fokussierte Wohnungspolitik der DDR zurückzuführen, wo neben dem staatlich getragenen kommunalen Wohnungsbau auch die Gründung von Genossenschaften massiv unterstützt wurde. So befinden sich fast Dreiviertel der größten Genossenschaften mit Beständen über 7.500 Wohnungen in Ostdeutschland (BMVBW 2004:5).

Dieses Muster spiegelt sich auch in den Eigentümerstrukturen der Großstädte wider: Die sieben Großstädte (größer 100.000 Einwohner) mit dem höchsten Anteil kommunalen und genossenschaftlichen Wohnbestandes liegen in den neuen Ländern. Rostock ist hier mit einem Anteil von 57 Prozent Spitzenreiter (Grafik). Betrachtet man die Gemeinden aller Größenordnungen (Karte 2), liegen wiederum die ostdeutschen Städte Schwedt/Oder, Eisenhüttenstadt sowie Hoyerswerda mit deutlich mehr als 70 Prozent an der Spitze. In Westdeutschland sticht Hamburg mit einem relativ hohen Anteil genossenschaftlichen (14,4 Prozent) und kommunalen Eigentums (14,2 Prozent) hervor. Letzteres wird überwiegend von der städtischen SAGA GWG verwaltet, die nach der Auflösung der gewerkschaftlichen Neuen Heimat deren umfangreiche Wohnungsbestände übernommen hat und nun einer der größten kommunalen Wohnungsanbieter Deutschlands ist.

Oft sind die städtischen Eigentümerstrukturen Spiegelbild kommunaler Wohnungspolitik. So hatte sich die Stadt Dresden aufgrund der hohen Verschuldung im Jahr 2006 für die Veräußerung des gesamten kommunalen Wohnungsbestandes entschieden. Dennoch verfügt Dresden immer noch über einen relativ hohen Anteil genossenschaftlichen Eigentums von 21 Prozent (Grafik). Die Eigentümerstrukturen in Jena und Berlin zeichnen sich dagegen durch einem hohen Anteil privatwirtschaftlicher Unternehmen aus (Karte 1). Dies ist für Jena durch die Ausgliederung des kommunalen Wohnungsbestandes in ein Tochterunternehmen der Stadtwerke (Grafik) und für Berlin u.a. durch den Verkauf der kommunalen bzw. landeseigenen GSW zu erklären. Damit wird deutlich, dass sich hinter dem Anteil der Wohnungen im privatwirtschaftlichen Bestand zum Teil auch Auslagerungen des kommunalen Wohnungsbaus in Tochterunternehmen verbergen können, auf die die Kommune in der Regel als größte Anteilseignerin jedoch nach wie vor Zugriff hat.

Gesellschaftliche Herausforderungen
Aufgrund der zunehmenden Einkommensunterschiede in Deutschland und der wachsenden Zahl der Haushalte mit geringen Einkommen wird die Sicherung von preisgünstigem Wohnraum zur zentralen Zukunftsaufgabe vieler Kommunen. Die kommunalen Unternehmen und Genossenschaften in Deutschland stehen jedoch regional vor unterschiedlichen Herausforderungen. So umfasst der überwiegende Teil des genossenschaftlichen und kommunalen Wohnungsbestandes in Ostdeutschland Wohnungen der DDR-Zeit – ein Segment, das auf den entspannten ostdeutschen Wohnungsmärkten derzeit eher wenig nachgefragt wird: Segregation und die Gewinnung neuer Mitglieder sind zentrale Herausforderungen. Dagegen sind in westdeutschen Großstädten wie München oder Hamburg lange Wartelisten bei städtischen Wohnungsämtern und Genossenschaften typisch und die Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte kann nur sehr unzureichend sichergestellt werden.

Neuer Trend: gemeinschaftliches Wohnen
Im Zuge des demografischen Wandels ist eine steigende Nachfrage nach Wohnformen zu beobachten, die auf Integration, Altersvorsorge und Nachbarschaftlichkeit ausgerichtet sind; die Rechtsform der Genossenschaft kommt diesem Bedarf besonders entgegen. Die Beteiligungsmöglichkeiten der Mitglieder ermöglichen Wohnmodelle, die auf die Bedürfnisse der Bewohner ausgerichtet sind und fördern eine besondere Bindung an das Quartier (BMVBW 2004). So entstehen beispielsweise neue Genossenschaftsmodelle, die verstärkt gemeinschaftliche Wohnprojekte fördern (vergl. Fedrowitz 2011). Will man das genossenschaftliche und kommunale Segment langfristig wieder stärken, sind flexible Förderinstrumente erforderlich, die auf die lokal sehr unterschiedlichen Bedingungen abgestimmt werden können.

BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) (Hrsg.) (2004): Wohnungsgenossenschaften. Potenziale und Perspektiven. Bericht der Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften: Empfehlungen.
URL: http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/BauenUndWohnen/Wohnen/empfehlungen.pdf?__blob=publicationFile
Abrufdatum 04.03.2014.

BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) (Hrsg.) (2014): Soziale Wohnraumförderung.
URL: http://www.bmvi.de/DE/BauenUndWohnen/Wohnraumfoerderung/SozialeWohnraumfoerderung/soziale-wohnraumfoerderung_node.html
Abrufdatum 04.03.2014.

FEDROWITZ, Micha: Gemeinschaftliches Wohnen in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 5 (09.2011) 9 [21.09.2011]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Gemeinschaftliches_Wohnen.9_09-2011.0.html

HÄUSSERMANN, Hartmut; LÄPPLE, Dieter u. Walter SIEBEL (2008): Stadtpolitik. Frankfurt.

JUST, Tobias u. Michael VOIGTLÄNDER (2011): Zur Rolle der öffentlichen Hand auf dem deutschen Wohnungsmarkt. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 12. S. 661-673.

KÖNIG, Barbara (2004): Stadtgemeinschaften: das Potenzial der Wohnungsgenossenschaften für die soziale Stadtentwicklung. (= Berliner Schriften zur Kooperationsforschung, Nr. 8). Berlin.

KORT-WEIHER, Gesine (2011): Wohnraumversorgung als kommunale Aufgabe heute. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 12. S. 653-659.

KRÄMER, Daniel (2010): Zensus 2011: Gebäude- und Wohnungszählung. In: Statistik Journal, Saarland, 3/2010, 3-5.
URL: http://www.saarland.de/dokumente/thema_statistik/staa_StJ_2010_03_Zensus_2011_GWZ.pdf Abrufdatum: 11.03.2014

LENK, Thomas; GRÜTTNER, André u. Mario HESSE (2011): Verkäufe kommunaler Wohnungsbestände – ein geeignetes Instrument zur Konsolidierung kommunaler Haushalte? In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 12. S. 713-721.

Zitierweise
Montanari, Giulia u. Karin Wiest (2014): Kommunale und genossenschaftliche Wohnungsbestände in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell
8 (03.2014) 3 [26.03.2014]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Wohnen.3_03-2014.0.html

Giulia Montanari
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstraße 9
04328 Leipzig
Tel.: (0341) 600 55-136
E-Mail: G_Montanari@leibniz-ifl.de

Dr. Karin Wiest
Projektleiterin
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstraße 9
04328 Leipzig
Tel: (089) 55 26 59 74
E-Mail: K_Wiest@leibniz-ifl.de

Sozialer Wohnungsbau
Der soziale Wohnungsbau umfasst ganz allgemein Förderinstrumente von Bund, Land und Kommune, die Einfluss auf Wohnungsmärkte nehmen sollen, um so die Versorgung aller Bevölkerungsgruppen mit angemessenem Wohnraum zu gewährleisten. Im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung, die der Bund 2006 im Zuge der Föderalismusreform an die Länder abgetreten hat, und die dafür Kompensationszahlungen erhalten (BMVI 2014), werden Haushalte entweder direkt unterstützt („Subjektförderung“ in Form von Wohngeld) oder indirekt über die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums per „Objektförderung“. Dabei erhalten private Bauträger eine finanzielle Förderung, können dafür aber für einen bestimmten Zeitraum die Mieten nicht beliebig festlegen und müssen die Wohnungen berechtigten Haushalten zugänglich machen („Objektförderung“ per Wohnungsbindung, vgl. Just/Voigtländer 2011, S. 666).

Kommunale Wohnungsunternehmen
Kommunale Wohnungsunternehmen existieren seit Anfang der Weimarer Republik (Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 63ff.). Mit diesem Instrument können die Gemeinden nicht nur das Ziel einer sozial ausgerichteten Vergabe von Wohnungen umsetzen, sondern durch Modernisierungsmaßnahmen auch direkt den Stadtumbau beeinflussen (z.B. durch energetisch effiziente oder altersgerechte Gestaltung der Wohnhäuser; vgl. Kort-Weiher 2011 S. 654).

Wohnungsgenossenschaften
Die ersten Wohnungsgenossenschaften in Deutschland wurden Ende des 19. Jahrhunderts gegründet: In dieser Phase großer Wohnungsnot, die aus der rasanten Industrialisierung und Landflucht resultierte, wurde mit finanzieller Unterstützung von bürgerlichen Mäzenen zusätzlicher Wohnungsbau für Arbeiter realisiert. Mit dem Erlass des Genossenschaftsgesetzes von 1889 unterstützte der Staat diese Aktivitäten und löste damit einen regelrechten „Genossenschaftsboom“ aus (König 2004, S. 8). Ein wichtiges Ziel war es, durch die Schaffung von Gemeinschaftseigentum die Lebensbedingungen der Genossenschaftsmitglieder zu verbessern. Die Mitglieder beteiligten sich mit einer Einlage finanziell an der Genossenschaft und erhielten im Gegenzug Stimmrecht sowie in den meisten Fällen lebenslanges Wohnrecht, das vererbbar war. Diese Grundstruktur besteht bis heute und macht die Genossenschaft demnach zu einem „Zwittermodell“ zwischen Eigentum und Miete (König 2004, S. 69ff.).

Hinter diesem Modell stehen heute zum Teil recht unterschiedliche Konzepte und Interessensgruppen. So unterscheiden sich traditionelle Genossenschaften, die häufig auf bestimmte Berufsgruppen zurückgehen, deutlich von neuen Genossenschaftsmodellen, die verstärkt in den letzten zehn, zwanzig Jahren gegründet wurden. Neben dem Ziel der preisgünstigen Wohnversorgung stellen diese neueren, kleineren Genossenschaften häufig den Gedanken des gemeinschaftlichen Wohnens in den Vordergrund (Fedrowitz 2011). Integrative Wohnkonzepte, die Kontakte zwischen Nachbarn, insbesondere auch generationsübergreifend ermöglichen, werden oft ganz bewusst entwickelt.

Gebäude- und Wohnungszählung
Im Rahmen des Zensus 2011 wurde eine Gebäude- und Wohnungszählung durchgeführt, für die die Eigentümer von Gebäuden mit Wohnraum, bewohnten Unterkünften sowie Wohnungen zu Ausstattung, Größe, Eigentumsform, Gebäudetyp und Anzahl der Bewohner befragt wurden (Krämer 2010, S. 3.). Für die Karten in diesem Beitrag wurden die Angaben für Wohnungen in Wohngebäuden (ohne Wohnheime) berücksichtigt.