Eine Besonderheit des öffentlichen Forschungssektors in Deutschland ist die stark entwickelte außeruniversitäre Forschung. Gemessen am BIP liegt der Anteil der Ausgaben für den außeruniversitären Sektor mit 0,41 Prozent in 2010 deutlich über dem EU-Durchschnitt von 0,26 Prozent (OECD 2012, S. 76). Mit 1006 Institutionen, darunter die Einrichtungen der vier großen Forschungsorganisationen Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Fraunhofer Gesellschaft (FhG), der Helmholtz Gemeinschaft (HGF) und der Leibniz-Gemeinschaft (WGL), ist die außeruniversitäre Forschungslandschaft sehr differenziert. Mit einem Ausgabevolumen von 10,4 Mrd. Euro (2010) für Forschung und Entwicklung (FuE) lag der außeruniversitäre Sektor zudem nur knapp hinter den Hochschulen mit 12,7 Mrd. Euro (StBA 2013, S. 19; Lentz 2014).
Ein Grund für diese Zweiteilung in universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen liegt in der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Die Hoheit der Länder über ihre Bildungspolitik beinhaltet nicht zuletzt die Kompetenz für die Hochschulen, was unter dem Aspekt der regionalen Wettbewerbsfähigkeit nachvollziehbar, aber auch nicht unumstritten ist. Bereits in den 1950er und 1960er Jahren lautete die Kritik am Forschungsstandort Bundesrepublik Deutschland, er drohe aufgrund der fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten des Bundes, mangelnder Finanzierung und regionaler Interessen der Bundesländer im internationalen Vergleich zurückzufallen (EFI 2011, S. 36). Der Bund konzentrierte sein forschungspolitisches Engagement in der Großforschung, so etwa im Bereich der Atomtechnologie oder der Luft- und Raumfahrtforschung. Mit der Föderalismusreform von 1969 wurden diese Praktiken in den Artikeln 91a und 91b Grundgesetz (GG) (Glossar) festgeschrieben. Mit der Großforschung und Initiierung von Forschungsprogrammen in Zukunftsfeldern sowie der vom Bund mitfinanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen setzt der Bund eigene forschungspolitische Akzente (EFI 2011, S. 39f.). Nach Art. 91b GG können Bund und Länder allerdings Vorhaben von überregionaler Bedeutung auch an Hochschulen gemeinsam finanzieren. Vor dem Hintergrund dieser Absicht fordern institutionelle Fusionen von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen, wie im Fall des Karlsruhe Institute for Technology (KIT), die Interpretation dieser Regulierung besonders heraus (Seckelmann 2012, S. 705).
Diese Entwicklungen begründeten Pfadabhängigkeiten, die den außeruniversitären Sektor stabilisierten. Ende der 1990er Jahre kam eine internationale Evaluierungskommission zu dem Fazit, dass die Schaffung von Forschungsdomänen eine Tendenz zur Immunisierung gegenüber Wettbewerb beinhalte. Das Stichwort von der „Versäulung“ der Wissenschaftsorganisationen machte die Runde. Die klassischen Forschungsmissionen standen damit zur Disposition. Besonders das Konzept der Großforschung galt als veraltet, und der FhG wurde mangelnde Grundlagenforschung vorgeworfen (Hohn, Hans-Willy 2010, S. 465f.). Zugleich gerieten die Hochschulen seit der Jahrtausendwende wegen ihrer Unterfinanzierung zunehmend unter Druck. Während die Studierendenzahlen kräftig anzogen (StBA 2012, S. 13), stagnierten die Zuwendungen der Länder (DFG 2012; S. 29). Zudem waren deutsche Universitäten in den neu initiierten internationalen Hochschulrankings kaum sichtbar.
Zur Bündelung von Forschungspotenzialen, aber auch zur Entlastung der Hochschulen rückten verstärkt Kooperationen zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in den Fokus. Sowohl im Zuge der Exzellenzinitiative, die Hochschulen fördern soll, als auch im Pakt für Innovation und Forschung, der auf die Beschlüsse des EU-Gipfels von Lissabon zurückzuführen ist und Haushaltssteigerungen für die großen außeruniversitären Forschungsorganisationen beinhaltet, waren Kooperationen von universitären und außeruniversitären Partnern deshalb ein sehr wichtiges Ziel. Karte 1 zeigt die Vielfalt der Kooperationsformen am Beispiel der Leibniz-Gemeinschaft.
DFG-Programme ein wichtiger Indikator der Kooperation
Den wohl gängigsten Weg des Bundes, sich an der Finanzierung der Hochschulen zu beteiligen stellt die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dar, die zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent von den Ländern getragen wird. 2009 betrugen die Drittmitteleinnahmen der Hochschulen 5,3 Mrd. Euro, was etwa einem Viertel der Gesamteinnahmen (ohne Verwaltungseinnahmen) entspricht. Darunter machten die DFG-Drittmittel mit rund 35 Prozent den mit Abstand größten Anteil aus (DFG 2012, S. 29f.). Die umfangreichsten Förderprogramme innerhalb des Portfolios der DFG sind Exzellenzcluster, Graduiertenschulen, DFG-Forschungszentren, Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs (DFG 2014).
Im Gegensatz zu den kleineren Förderformaten sind nur Hochschulen bzw. im Falle von Exzellenzclustern und Graduiertenschulen sogar nur Universitäten antragsberechtigt. Sie alle beinhalten allerdings die Möglichkeit, zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu kooperieren.
Die genannten Programme dienten als Indikator für die Kooperationen zwischen Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen. Geeignet sind sie, weil nicht einzelne Wissenschaftler, sondern nur Institutionen antragsberechtigt sind. Zudem weisen sie als offizielles Förderformat ein gewisses Maß an Formalisierung der Kooperationen auf, sind häufig mit strukturbildenden Maßnahmen (z.B. der Einrichtung von gemeinsamen Gremien, der Ausbildung von Doktoranden etc.) verbunden und stellen je nach Programm bei Laufzeiten von minimal vier bis maximal zwölf Jahren mindestens mittelfristige Kooperationsbeziehungen dar. DFG-Fördermittel genießen zudem, da sie grundsätzlich wettbewerblich vergeben werden, hohe Reputation innerhalb des Wissenschaftssystems. Zu beachten ist aber auch, dass sie auf Grundlagenforschung ausgerichtet sind, was erklärt, dass auf den Karten bestimmte Forschungsbereiche unterrepräsentiert sind. Um die räumlichen Reichweiten der Kooperationen angemessen zu beurteilen, ist zu berücksichtigen, dass in Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereichen (mit wenigen Ausnahmen) die Kooperationen lokal organisiert werden müssen, während Forschungszentren und Maßnahmen der Exzellenzinitiative auch räumlich ausgedehnte Kooperationsbeziehungen beinhalten können.
Sofern eine Kooperation aus den genannten DFG-Programmen zwischen einer Hochschule und einer außeruniversitären Einrichtung vorlag, wurde auf den Karten 2, 3 und 4 eine Verbindungslinie zwischen beiden Einrichtungen gezogen. Dabei war es gleichgültig, welche Institution Antragssteller war und welche Institutionen sich im Rahmen dieses Antrags „bloß“ beteiligten. Zu beachten ist auch, dass aus Gründen der Übersichtlichkeit stets nur eine Verbindung zwischen einer Hochschule und einer außeruniversitären Einrichtung gezeichnet wurde, auch wenn innerhalb anderer Anträge/Programme mehrere Kooperationen bestanden. Durch diese Form der Darstellung werden Kooperationen kleiner Einrichtungen tendenziell überbetont. Da der Fokus auf den vier großen außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen liegt, wurden Ressortforschungseinrichtungen sowie sonstige außeruniversitäre Einrichtungen nur dann dargestellt, wenn sie an Kooperationen beteiligt waren.
Für die Darstellung in Karten wurden drei Raumtypen ausgewählt, die sich hinsichtlich ihrer Einwohnerdichte, Siedlungslandschaft und Ausstattung mit Hochschulen bzw. außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterscheiden. Es wurden nur diejenigen Kooperationen erfasst, die innerhalb dieser Räume organisiert sind: innerhalb Nordrhein-Westfalens (Karte 2 innerhalb Niedersachsens inklusive der Stadtstaaten Bremen und Hamburg (Karte 3 und schließlich innerhalb Berlins (Karte 4).
Nordrhein-Westfalen ist in weiten Teilen ein dicht besiedeltes Flächenland mit größeren Agglomerationen und der regional dichtesten Forschungs- und Wissenschaftslandschaft Deutschlands (BMBF 2012, S. 286). Da viele Hochschulen Nebenstandorte haben, ist – korrespondierend mit der polyzentrischen Siedlungslandschaft und ihrer Verkehrsinfrastruktur – ein räumlich engmaschiges Wissenschaftsnetz geschaffen worden (Lentz 2012). Niedersachsen ist flächenmäßig zwar größer, aber weitaus dünner besiedelt; die Großstädte bzw. Stadtstaaten Bremen und Hamburg übernehmen wichtige zentrale Funktionen für Einzugsgebiete in Niedersachsen und ergänzen das dortige Netz der Hochschul- und Forschungsstandorte . Berlin wiederum ist als Stadtstaat eine solitäre Metropole mit einer sehr reichhaltigen Palette verschiedenster Forschungseinrichtungen.
Die folgenden Karten bieten einen Überblick über die zahlreichen Kooperationen. Auf ihnen sind räumliche Muster zu erkennen, aus denen man Hypothesen über die Formierung und die Dichte von Kooperationsbeziehungen aufstellen kann:
In Nordrhein-Westfalen (Karte 2) gibt es räumliche Konzentrationen, in denen intensivere Kooperationen zwischen außeruniversitären Instituten und Hochschulen aktiv sind: Der Raum Köln-Bonn, das Ruhrgebiet sowie die RWTH Aachen. Vor allem Max-Planck-Institute sind in den Kooperationen aktiv, während Leibniz- und Fraunhofer-Institute anteilig nur schwach vertreten sind. Eine Sonderrolle nimmt das Helmholtz-Forschungszentrum Jülich ein, das über größere Entfernungen mit einer Reihe anderer Einrichtungen zusammen forscht. Die abseits der Verdichtungsräume liegenden Hochschulen in Westfalen kooperieren nicht in institutionellen DFG-Projekten.
Im Forschungsraum Niedersachsen/Bremen/Hamburg (Karte 3) wird das Vernetzungsmuster durch Bundesforschungseinrichtungen wie das Friedrich-Loeffler-Institut in Neustadt a. R. und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig bereichert. Besonders häufig allerdings sind Max-Planck-Institute in Göttingen in Kooperationen eingebunden, auch über größere Distanzen, und auch in Niedersachsen spielt ein Helmholtz-Zentrum – hier das für Infektionsforschung –, das zahlreiche Forschungsverbindungen unterhält, eine besonders herausragende Rolle. Nicht ganz so häufig sind, trotz räumlicher Nähe, Kooperationen in Bremen, Bremerhaven und in Hamburg. Wie zu erwarten sind Fraunhofer-Institute tendenziell eher in Kooperationen mit Universitäten, die technische oder medizinische Schwerpunkte haben, oder mit Fachhochschulen engagiert.
Die Forschungslandschaft Berlins (Karte 4) ist aufgrund der Konzentration einer Vielzahl von öffentlichen Forschungseinrichtungen sehr dicht. Die Vernetzung zwischen den vier Universitäten und den außeruniversitären Einrichtungen ist stark ausgeprägt. So kooperieren die Humboldt-Universität mit 31, die Technische Universität mit 28 und die Freie Universität mit 27 außeruniversitären Partnern. Auch die Universität der Künste mit explizit künstlerischem Schwerpunkt unterhielt im Jahr 2013 Kooperationsbeziehungen zu fünf außeruniversitären Partnern, die Hochschule für Wirtschaft und Technik drei, die Kunsthochschule Weißensee zwei. Im Vergleich zu den beiden anderen Beispielen sind in Berlin auch die Leibniz-Einrichtungen kooperationsfreudiger.
Angesichts der im Vergleich zu Standorten wie beispielsweise Hamburg oder Köln/Bonn/Aachen deutlich höheren Kooperationsintensität aller beteiligten Forschungsorganisationen wie auch der Hochschulen wären vergleichende Untersuchungen über die Ursachen und die systemische Steuerung, die zum Zustandekommen dieser eindrucksvollen Berliner Forschungsregion geführt haben, interessant.