Bananenblau, BasisDruck, Dingsda, federchen, Die Furt, Lusatia, Klatschmohn, Machtwort, Sandstein, Schlitzohr, Tologo, trafo, Treibgut, Wartburg, Weissdorn – heißen 15 der über 300 Buchverlage, die seit der Wende 1989 im Osten Deutschlands gegründet wurden. Vor 1989 gab es in der DDR 78 Buchverlage unterschiedlicher Eigentumsformen (Karte 1), wobei sich nur rund ein halbes Dutzend in Privateigentum befand.
Prozesse Anfang der 1990er Jahre
Mit dem Niedergang der DDR standen auch die Buchverlage zur Disposition, d.h. in den meisten Fällen zum Verkauf, oder sie wurden liquidiert. Die Veränderungen der Eigentumsverhältnisse und die damit verbundenen Entwicklungen wurden in jüngerer Zeit vor allem aus unternehmensgeschichtlicher und buchwissenschaftlicher Sicht untersucht – für den Osten insgesamt (LINKS 2009) aber auch für einzelne Städte, so für Berlin (TOVORNIK 2006) und Leipzig (POETHE 2005; GÄBLER 2010). Die Verkaufsprozesse und Verlagsgründungen lassen sich nur bedingt in Karten visualisieren. Karte 2 ist der Versuch, einen annähernden Eindruck von den Abläufen in den 1990er Jahren zu vermitteln, die sich auch in der Struktur und Dynamik der so genannten Kulturwirtschaftsräume niederschlugen (vgl. KRÄTKE 2004; LANGE/ROST 2009).
Die kürzlich in Nationalatlas aktuell veröffentlichte Karte der Verlagsstandorte in Deutschland (DICHTL/SUFFA 2010), die auf der Mitgliederdatei des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels basiert, zeigt nur einen Teil der im Osten tätigen Buchverlage. Je nach Berechnungsgrundlage sind lediglich 20 bis 40% der ostdeutschen Buchverlage Mitglied des Börsenvereins. Für den vorliegenden Beitrag wurden deshalb zusätzliche Angaben von den Websites der Verlage und aus buchrelevanten Links zusammengetragen.
Aktuelle Standorte
Unter Einbeziehung der nicht im Börsenverein organisierten Unternehmen ergibt sich ein deutlich dichteres und vielfältigeres räumliches Bild (Karte 3). Die Verteilung der rund 400 Verlage entspricht annähernd der Bevölkerungsverteilung. Leipzig profitiert offensichtlich weiterhin von seiner langen Tradition als Verlagsstandort mit 52 Buchverlagen, während in der Landeshauptstadt Dresden 25 Verlage tätig sind. Neben dieser bipolaren Konzentration in Sachsen besteht in Thüringen ein disperses Raummuster. Im Ostteil der Hauptstadt Berlin haben 87 Verlage ihren Sitz (Betriebe im Westteil sind nur dargestellt, wenn sie ihre Wurzeln im Osten haben). Auf Mecklenburg-Vorpommern, mit 58 Verlagen, trifft der Zusammenhang zwischen Verlags- und Bevölkerungsdichte jedoch nicht zu. Hier haben sich überproportional viele kleine Unternehmen angesiedelt (Karte 4) – wahrscheinlich eine Wirkung des weichen Standortfaktors attraktive Landschaft. Offensichtlich lassen sich Verlage bis zu einer gewissen Größe dank Computer und Internet auch in dünn besiedelten Räumen erfolgreich betreiben. Allerdings gab es auch einige Betriebsverlagerungen aus ländlichen Räumen Brandenburgs und Mecklenburgs in die Metropole Berlin. Neben der Hauptstadt konzentriert sich in Leipzig das größte mittelständische Potenzial.
Verlagstypen
In Ostdeutschland dominieren Sachbuch- (25%) und Universalverlage (24%), gefolgt von Belletristik- (11%) und Regionalverlagen (6%) (Graphik 1) – eine Struktur, die vergleichbar mit der in Westdeutschland ist. Etliche Unternehmen haben aus wirtschaftlichen Erwägungen ihr ursprünglich auf eine bestimmte Sachgruppe ausgerichtetes Profil verändert und erweitert. Erstaunlicherweise konnten sich zehn kartografische Verlage behaupten, wofür die Orientierung auf Regionalia ein Hauptgrund zu sein scheint. Die Zahl der Religion und Theologie verlegenden Häuser ist gegenüber 1989/90 deutlich gestiegen; neu hinzugekommen ist der Bereich Esoterik.
Nur die Hälfte der untersuchten Unternehmen kann als Buchverlag i.e.S. bezeichnet werden (Graphik 2). Für mehr als ein Fünftel ist das Verlegen von Büchern das zweite oder dritte Standbein, vor allem neben dem Druckereigewerbe, der Werbung, dem Grafik- und Mediendesign oder einem anderen Haupt- bzw. Nebenerwerb. Selbst- bzw. Eigenverlage – Verlage, in denen die Herausgabe von Büchern oder anderer Publikationen durch den Autor selbst erfolgt – machen einen Anteil von 6% aus. Drei Prozent der Verlage leben ausschließlich von Druckkostenzuschüssen der von ihnen verlegten Autoren.
Unternehmensgeschichte
Graphik 3 und Karte 5 unterscheiden sechs Verlagstypen nach ihrer Unternehmensgeschichte: Lediglich 6% der betrachteten Verlage sind Nachfolger von DDR-Verlagen, die Hälfte davon hat Eigentümer in oder aus den alten Ländern. Für mehr als sieben von zehn Unternehmen wurden einheimische Gründer ermittelt, was jedoch anderweitige finanzielle Beteiligungen nicht ausschließt. Ein Bruchteil der Neugründungen seit 1990 (etwa 1%) erfolgte durch Altbundesbürger. Jedoch machen seitdem nach Ostdeutschland zugewanderte Westverlage über 20% aus. Sie haben sich vor allem in und um Berlin angesiedelt. Hinzu kommen zahlreiche Berliner Filialen, die in den letzten beiden Jahrzehnten eingerichtet wurden, während die Hauptsitze der Unternehmen im Westen verblieben. Weitere ursprünglich altbundesdeutsche Betriebe treten in nennenswerter Zahl in jenen Räumen auf, die HERFERT (2009) als „blühende Inseln“ apostrophiert.
Fazit
In Ostdeutschland zeigt sich ein durchaus vielfältiges Verteilungsbild der Verlage. Die Gesamtzahl der im „Beitrittsgebiet“ in den erfassten Verlagen erschienenen Titel erreichte zwei Dezennien nach der Wiedervereinigung annähernd das Niveau der DDR-Verlage 1988.