Mehr als 1100 Unternehmen aus Deutschland beanspruchen hinsichtlich Umsatz oder Technologie eine führende Position auf dem Weltmarkt. Mit Hilfe aktueller Daten der WeissmanGruppe für Familienunternehmen wird der Frage nachgegangen, ob hinsichtlich der Standorte dieser innovativen Unternehmen bestimmte bevorzugte Regionstypen zu identifizieren sind. Die entsprechende Deutschlandkarte dokumentiert Überraschendes: Auch in sogenannten ländlich-peripheren Räumen, abseits der großen Metropolen und Agglomerationsräume sind zahlreiche Weltmarktführer anzutreffen und bedeutende Agglomerationen und branchenspezifische Cluster entstanden.

Nach einer Analyse der grundsätzlichen räumlichen und zeitlichen Entwicklung der deutschen Weltmarktführer (Ermann/Lang/Megerle 2011) nimmt dieser Beitrag die Relation von Siedlungsstruktur und Unternehmensstandorten von Weltmarktführern in den Blick.

Standortvorteil „räumliche Nähe“
Entgegen der insbesondere in den 1990er-Jahren virulenten Beschwörung eines globalen Bedeutungsverlusts der räumlichen Distanz für ökonomische Aktivitäten (u. a. Ohmae 1990: „The Borderless World“, O’Brian 1992: „The End of Geography“, Cairncross 1997: „The Death of Distance“) hat sich in den Diskursen der Wirtschaftsgeographie und Regionalökonomik sowie der regionalen Wirtschaftspolitik die Überzeugung verfestigt, dass räumliche Nähe durchaus ein entscheidender Faktor für unternehmerischen Erfolg ist. Dabei kann es sich um Nähe zu vor- und nachgelagerten Firmen, zu Kooperationspartnern, Absatzmärkten, Forschungseinrichtungen usw. handeln. Vor allem für die Fähigkeit von Unternehmen, ständig neue innovative Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren zu entwickeln und zu vermarkten, wird die räumliche Nähe zu wissensintensiven Einrichtungen und Dienstleistungen als Standortvorteil angesehen. Demzufolge kann erwartet werden, dass sich Unternehmen mit hohem Innovationsdruck meist in „Wissensregionen“ niederlassen, also in Regionen mit einer besonders hohen Konzentration von Forschung und Entwicklung (F&E-Dichte) und in den großen Metropolen mit starker internationaler Verflechtung.

Man sollte annehmen, dass dies ganz besonders für die Gruppe derjenigen Unternehmen zutrifft, die in ihrem Segment – technologisch oder produktbezogen – Weltmarktführer sind (Glossar). Um ihre Marktführerschaft aufrecht zu erhalten, sind sie stets gezwungen, in der Produktentwicklung und im Vertrieb besser zu sein als ihre Konkurrenz. Dies setzt bestimmte Formen der Generierung von Wissen sowie bestimmte Kenntnisse über den Weltmarkt voraus. Tatsächlich jedoch zeigt sich bei der Betrachtung der Standorte der auf dem Weltmarkt führenden Unternehmen nach den Daten der WeissmanGruppe für Familienunternehmen ein anderes Bild (Karte, Glossar).

Das regionale Verteilungsmuster
Erwartungsgemäß haben zwar absolut betrachtet die meisten Weltmarktführer ihren Unternehmenssitz in zentral bis sehr zentral gelegenen, überwiegend städtisch geprägten Gemeinden (740 von 1116 Unternehmen). Allerdings entspricht der Anteil der Weltmarktführer in den „sehr zentralen“ Gemeinden Deutschlands mit 46,6 Prozent in etwa dem dort lebenden Anteil der Gesamtbevölkerung (46,2 Prozent) und liegt sogar noch unter dem Anteil der in diesen Räumen registrierten Beschäftigten (51,8 Prozent).

Ein knappes Drittel aller deutschen Weltmarktführer haben ihren Sitz in „zentral“ gelegenen Gemeinden – bei 28,3 Prozent der Bevölkerung und 26,8 Prozent der Beschäftigten; in Gemeinden dieses Typs, die sich oft am Rand der Agglomerationsräume befinden, sind Weltmarktführer also leicht überproportional vertreten (Graphik).

Der Anteil der Weltmarktführer in „peripheren“ (19,4 Prozent) und „sehr peripheren“ Räumen (1,7 Prozent) unterscheidet sich nur geringfügig vom entsprechenden Anteil der gesamten Beschäftigten. Es lässt sich somit keinerlei Bevorzugung von Standorten in Agglomerationsräumen durch Weltmarktführer in Relation zur räumlichen Verteilung der Arbeitskräfte bzw. der Gesamtbevölkerung feststellen.

In einigen als ländlich und peripher bezeichneten Räumen (BBSR 2012; Glossar) finden sich über 100 Unternehmen (9,7 Prozent), die eine Marktführerschaft auf dem Weltmarkt für sich beanspruchen, so zum Beispiel in Oberfranken, im württembergischen Hohenlohe, im Schwarzwald und im Südosten der Schwäbischen Alb (Karte). Neben diesen überwiegend in Süddeutschland gelegenen Regionen mit einer hohen räumlichen Ballung von Weltmarktführern sind auch in peripheren Teilen Thüringens, im Hunsrück und im Sauerland Weltmarktführer anzutreffen. Viele dieser Unternehmen sind Familienbetriebe mit großer Tradition und enger Bindung an den Standort oder Firmen, die als Spin-Offs in deren Umfeld entstanden sind (Glossar). So kann man beispielsweise in der Hohenlohe von einem räumlichen Cluster der Verpackungsindustrie reden (Moßig 2000); in Oberfranken sind zahlreiche Spitzenunternehmen der Textilindustrie vertreten, die überwiegend bereits im 19. Jahrhundert gegründet wurden.

Fazit
Besonders innovative Firmen – hier am Beispiel der Weltmarktführer untersucht – finden sich in allen Gemeinde- und Regionstypen Deutschlands und können nicht ausschließlich als Phänomen dicht besiedelter Wissensregionen gesehen werden. Die Chancen eines Unternehmens, zum Weltmarktführer aufzusteigen – dies zeigt die aktuelle Verteilung der hier untersuchten Betriebe–, sind in allen Teilräumen Deutschlands gegeben.

BBR (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) (Hrsg.) (2008): Stadt und Land in der Raumentwicklung. In: Informationen aus der Forschung des BBR Nr. 1 / Februar 2008, S. 5.

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BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) (Hrsg.) (2011): Siedlungsstrukturelle Gemeindetypen.
URL:
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Abrufdatum:
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BMVBS/BBR (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) (Hrsg.) (2008): Raumentwicklungspolitische Ansätze zur Förderung der Wissensgesellschaft. Werkstatt: Praxis Heft 58. Bonn.

CAIRNCROSS, Frances (1997): The Death of Distance: How the Communications Revolution Is Changing our Lives. Boston.

ERMANN, Ulrich; LANG, Thilo u. Marcel MEGERLE (2011): Weltmarktführer: ein räumlicher und zeitlicher Überblick. In: Nationalatlas aktuell 11 (11/2011) [30.11.2011]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
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MOßIG, Ivo (2000): Räumliche Konzentration der Verpackungsmaschinenbau-Industrie in Westdeutschland : eine Analyse des Gründungsgeschehens. [Zugl.: Gießen, Univ., Diss., 2000]. Münster, Hamburg, London.

O’BRIEN, Richard (1992): Global Financial Integration: The End of Geography. New York.

OHMAE, Kenichi. (1990) The Borderless World: Power and Strategy in the Interlinked Economy. London.

SIMON, Hermann (2007): Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Frankfurt a.M.

SIMON, Hermann (1990): „Hidden champions“: Speerspitze der deutschen Wirtschaft. Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB) 60 (9), S. 875-890.

VENOHR, Bernd (o.J.): Datenbank deutsche Weltmarktführer.
URL:
www.berndvenohr.de/dwmf/popup_datenbank.htm
Abrufdatum: 29.11.2011.

WEISSMANGRUPPE FÜR FAMILIENUNTERNEHMEN (Hrsg.) (2012): Weltmarktführerplattform.
URL:
www.weissman.de/publikationen-2/weltmarktfuhrerplattform/

Bildnachweis
Vignette Welt © IfL

Zitierweise
Ermann, Ulrich; Lang, Thilo u. Marcel Megerle (2012): Weltmarktführer abseits der Agglomerationsräume. In: Nationalatlas aktuell 6 (10.2012) 11 [18.10.2012]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Weltmarktfuehrer.11_10-2012.0.html

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ermann
Institut für Geographie und Raumforschung
Karl-Franzens-Universität Graz
Heinrichstraße 36
A-8010 Graz
Tel.: + 43 (0) 316 380 8826
E-Mail: ulrich.ermann@uni-graz.at

Dr. Thilo Lang
Abteilungsleiter
Regionale Geographie Europas
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstraße 9
04328 Leipzig
Tel.: (0341) 600 55 159
E-Mail: T_Lang@leibniz-ifl.de

Marcel Megerle
Entwickler der Weissman
Weltmarktführerplattform
WeissmanGruppe für Familienunternehmen
Sulzbacher Straße 70
90489 Nürnberg
Tel.: (0911) 5 86 77 – 24
E-Mail: megerle@weissman-institut.de
www: www.weissman-wmf.de

Weltmarktführer, Weissman-Datenbank zu Weltmarktführern, siedlungsstrukturelle Gemeindetypen, Spin-Offs

Weltmarktführer
Für die Weltmarktführerschaft eines Unternehmens im Sinn des von Hermann Simon entwickelten Hidden Champions-Konzepts sind folgende Faktoren ausschlaggebend: Marktanteilsführerschaft, Technologie- bzw. Innovationsführerschaft, Umsatzführerschaft und schließlich die „psychologische Weltmarktführerschaft“. In diesem Beitrag wurden Unternehmen als Weltmarktführer berücksichtigt, die nach Simon (2007) weltweit die führenden Plätze Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 3 und/oder in Europa Platz 1 einnehmen.

Weissman-Datenbank zu Weltmarktführern
Der Fokus dieser Datenbank liegt auf familiengeführten Unternehmen, die feste Wurzeln in Deutschland haben. Die Weltmarktführer-Plattform soll dem aktiven Austausch unter den Weltmarktführern dienen und Transparenz sowie Aktualität gewährleisten.
Nähere Informationen finden Sie unter www.weissman.de/publikationen-2/weltmarktfuhrerplattform/ .

Als Grundlage für die Datenbank dienen folgende Quellen:
Anschreiben an alle deutschen Industrie und Handelskammern mit der Bitte, weltmarktführende Unternehmen aus ihren Regionen zu benennen;
Anschreiben an die deutschen Branchendachverbände;
Recherche der Literatur zu Weltmarktführern und hidden champions;
clipping services der Deutschen Leitmedien;
Sammlung durch die Teilnehmeransprache auf den Veranstaltungen der Weissman Gruppe (ca. 150 pro Jahr, mit ca. 10.000 Entscheiderpersönlichkeiten);
Interne Sammlung aller Presseartikel und Kundenkontakte durch ein eigens aufgesetztes CRM-System.
Für diesen Beitrag wurden insgesamt 1.116 Unternehmen der Weissman-Datenbank zu Weltmarktführern berücksichtigt.

Siedlungsstrukturelle Gemeindetypen
Die in der Karte berücksichtigten siedlungsstrukturellen Gemeindetypen stammen vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und basieren auf einer Verknüpfung der beiden Komponenten Siedlungsstruktur (überwiegend städtisch, teilweise städtisch und ländlich) und Lage (sehr zentral, zentral, peripher und sehr peripher). Grundlage der Typisierung bilden ein spezifisches Erreichbarkeitsmodell des BBSR sowie die Indikatoren Bevölkerungsdichte, Siedlungsfläche und Verkehrsfläche (vergl. BBSR 2012). „Die Raumtypisierung soll als Analysewerkzeug in der Raumbeobachtung dienen, aber auch helfen, den „Ländlichen Raum“ unabhängig von pauschalen Problemzuweisungen objektiv zu beschreiben sowie Stadt und Land in ihren rumfunktionalen Zusammenhängen zu sehen“ (BBR 2008, S. 5).

Spin-Offs
Spin-Offs sind Unternehmen, bei deren Gründung die beteiligten Personen Know-How einsetzen, das sie bei vorangegangen Beschäftigungen erworben haben.