Die Alterung der Erwerbsbevölkerung ist eine der größten Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Internationale Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt kann dazu beitragen, das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum zu sichern, wie die aktuelle Deutschlandkarte verdeutlicht. Von Tim Leibert

Verteilung der ausländischen Beschäftigten
Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt in der Bundesrepublik bei etwa 12 Prozent. In den Regierungsbezirken Oberbayern und Darmstadt liegen die Werte mit knapp 20 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. In den Regierungsbezirken Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg sowie in Berlin beträgt der Anteil mehr als 15 Prozent. Besonders niedrig sind die Werte dagegen im Norden und Osten Deutschlands (Grafik 1). Erwartungsgemäß entspricht dieses Muster im Wesentlichen der räumlichen Verteilung der Wohnbevölkerung mit ausländischer Staatsangehörigkeit.

Dieses Raummuster spiegelt die Geschichte der internationalen Zuwanderung nach Deutschland wider. Zu den ersten Zuwanderungszentren gehörten in den 1960er Jahren das Saarland, München, Stuttgart sowie der Rhein-Main- und der Rhein-Neckar-Raum (Regierungsbezirke Darmstadt und Karlsruhe). Das durch die „räumliche Diffusion ausländischer Arbeitnehmer“ (Giese 1978, zitiert nach Bähr 2004, S. 295) entstandene Nord-Süd-Gefälle in der alten Bundesrepublik ist – teilweise überlagert durch die Konzentration ausländischer Staatsangehöriger in Großstädten wie Bremen, Hannover oder Hamburg – bis heute erkennbar (s. a. Lehmann/Nagl 2019). Internationale Migrantinnen und Migranten bevorzugen nach wie vor die Großstädte und verstärken so die Polarisierung der Bevölkerungsentwicklung (Heider/Stroms/Koch/Siedentop 2020). Ein Grund für die Standortwahl sind stabil gewachsene ethnische Netzwerke.

Konzentrationen bestimmter Nationalitäten
Eine nach Staatsangehörigkeit differenzierte Betrachtung (Lehmann/Nagl 2019) zeigt bis heute eine Konzentration von Beschäftigten mit türkischem, italienischem, griechischem, kroatischem oder bosnischem Pass in Baden-Württemberg, Berlin, dem Saarland, Südbayern, dem Rhein-Main-Raum und den nordrhein-westfälischen Großstädten. Die Erwerbstätigen mit Staatsangehörigkeit eines Nachbarlandes konzentrieren sich in den grenznahen Regionen. Von der Zuwanderung aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten der EU profitierten insbesondere die Arbeitsmärkte in Bayern und – in etwas geringerem Maße – Baden-Württemberg und der Rhein-Main-Raum (Lehmann/Nagl 2019). Eine Ausnahme bildet die Zuwanderung aus Polen: Polinnen und Polen zieht es bevorzugt in den Nordwesten, nach Südhessen, Rheinhessen sowie in die Vorderpfalz.

Eine Sonderstellung nimmt Berlin ein. Die Hauptstadt ist für zahlreiche Nationalitäten ein bevorzugter Arbeitsort (Heider/Stroms/Koch/Siedentop 2020, Lehmann/Nagl 2019) und verzeichnete mit einem Zuwachs von neun Prozentpunkten zwischen 2008 und 2019 den bundesweit stärksten Anstieg (Grafik 1). Gerade in den Metropolen wird die Entwicklung von einer ökonomischen Globalisierung zu einer „menschlichen“ Globalisierung deutlich. Dieser Prozess korrespondiert mit günstigen und schnellen Fernverbindungen sowie mit multinationalen Konzernen und einer zunehmend internationalisierenden Wissenschaft (Livi Bacci 2018).

Das übergeordnete Muster der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lässt sich wie folgt zusammenfassen: Hohen Anteilen in strukturstarken und in industriell geprägten Regionen stehen niedrige Anteile in strukturschwachen Räumen und ländlich geprägten Peripherien gegenüber (Lehmann/Nagl 2019).

In strukturstarken ländlich geprägten Regionen mit niedriger Arbeitslosigkeit, wie z. B. Schwaben, Niederbayern oder der Oberpfalz, ist der Anteil der ausländischen Beschäftigten zwischen 2008 und 2019 besonders stark gestiegen, da die Unternehmen dort zunehmend international um Arbeitskräfte werben. Aktuell scheint sich die internationale Zuwanderung in attraktive ländlich strukturierte Arbeitsmarkte zu verlagern, wovon besonders der Südosten und der Nordwesten Deutschlands profitieren (Tanis 2020).

Grenzüberschreitende Arbeitsmärkte
Zu den in der Karte 1 dargestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort gehören auch Grenzpendler, also im Inland beschäftigte Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit und ständigem Wohnsitz im Ausland (Buch u. a. 2020). Die Zahl der Grenzpendler ist seit 2011 stark angestiegen, insbesondere in Ostdeutschland. Insgesamt sind 0,5 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 0,9 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland. In grenznahen bayerischen Landkreisen wie Tirschenreuth, Cham oder Regen liegt der Anteil der Grenzpendler deutlich höher (Buch u. a. 2020).

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass natürlich auch deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz im Inland in den Nachbarstaaten arbeiten. So ist beispielsweise die Zahl der in der Schweiz beschäftigten deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Baden-Württemberg um ein Vielfaches höher als die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer, die in Baden-Württemberg einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen (Hochstetter 2013). Auch die Pendlerströme aus Deutschland in die Niederlande (Broersma/Edzes/van Dijk 2020, Edzes/van Dijk/Venhorst 2018) oder nach Luxemburg (Wille/Roos 2018) sind zahlenmäßig erheblich bedeutender als in die umgekehrte Richtung. Eine wichtige Rolle spielt das Lohnniveau, das mit Ausnahme von Frankreich, Polen und Tschechien in allen Nachbarländern höher ist als in der Bundesrepublik (Buch u. a. 2020). Daher ist es nicht verwunderlich, dass Polen gefolgt von Frankreich und Tschechien die wichtigsten Herkunftsländer der Grenzpendler sind (Buch u. a. 2020). Ganz offensichtlich beeinflussen das Lohnniveau und die regionalen Arbeitslosenquoten das Grenzpendelverhalten insbesondere der Männer und der Beschäftigten mit niedriger oder mittlerer Qualifikation. Dagegen spielen für Frauen und Hochqualifizierte die ökonomischen Unterschiede dies- und jenseits der Grenze eine untergeordnete Rolle (Broersma/Edzes/van Dijk 2020).

Altersstruktur der deutschen und ausländischen Beschäftigten
Mit Blick auf den demografischen Wandel und die Alterung der Erwerbsbevölkerung stellt sich die Frage nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Beschäftigten mit und ohne deutschen Pass. Wie die Alterspyramiden in der Karte 1 veranschaulichen, ist bei den ausländischen Beschäftigten der Anteil der jüngeren Altersgruppen relativ stark und bei den älteren relativ schwach ausgeprägt. Der Anteil der unter 30-Jährigen lag 2019 zwischen 23,2 Prozent im Regierungsbezirk Darmstadt und 33,9 Prozent in Thüringen.

Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter 30 mit deutschem Pass lagen 2019 die Werte zwischen 13,9 Prozent in Brandenburg und 24,0 Prozent im Regierungsbezirk Niederbayern. Deutschlandweit war der Anteil jüngerer ausländischer Beschäftigter an allen ausländischen Beschäftigten mit 26,3 Prozent somit deutlich höher als der entsprechende Anteil der deutschen Beschäftigten mit 19,7 Prozent. 2008 waren die Unterschiede bei den unter 30-Jährigen noch deutlich geringer: 22,4 Prozent bei den deutschen und 24,5 Prozent bei den ausländischen Beschäftigten. Im selben Zeitraum ist der Anteil der über 50-Jährigen Beschäftigten bei den Deutschen von 25 auf 37 Prozent gestiegen, bei den ausländischen Staatsangehörigen dagegen nur von 18,5 auf 19,6 Prozent. Die Zahlen belegen den positiven Einfluss der internationalen Zuwanderung auf die Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung.

Die übergeordneten Trends unterscheiden sich im deutschlandweiten Vergleich eher im Detail. Bemerkenswert ist der deutliche Anstieg des Anteils der unter 30-Jährigen ausländischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Berlin (plus 6,0 Prozentpunkte), den Regionen Chemnitz, Dresden und Lüneburg (plus 6,1 Prozentpunkte) sowie in Sachsen-Anhalt (plus 7,7 Prozentpunkte) und Thüringen (plus 9,0 Prozentpunkte).

Fazit und Ausblick
Vom demografischen Wandel und der damit einhergehenden Alterung und Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung sind alle europäischen Staaten betroffen – allerdings in unterschiedlichem Maße (Craveiro u. a. 2019, Livi Bacci 2018). Deutschland, das vom demografischen Wandel besonders stark betroffen ist (Leibert 2021), würde internationale Zuwanderung in unrealistischer Höhe benötigen, um die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter stabil zu halten (Craveiro u. a. 2019). Bereits heute steht also schon fest, dass die sinkende Zahl der Erwerbstätigen nicht durch internationale Wanderungen ausgeglichen werden kann (Geis-Thöne 2021). Da die anderen EU-Staaten ebenfalls von Alterung und Schrumpfung betroffen sind, ergibt sich für die Bundesrepublik eine besondere Herausforderung.

Deutschland profitiert stark von der Zuwanderung von Menschen aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in den heimischen Arbeitsmarkt. EU-Zuwanderer haben ein hohes Qualifikationsniveau und sind für den deutschen Arbeitsmarkt besonders attraktiv (Tanis 2020). Neben der Gewinnung dringend benötigter Fachkräfte ist die Zuwanderung aus der EU für das Wirtschaftswachstum insgesamt förderlich. Schätzungen zufolge hat der Konjunktureffekt der EU-Zuwanderung das Wirtschaftswachstum in Deutschland im Zeitraum 2011 bis 2016 um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte pro Jahr gesteigert (Clemens/Hart 2018). Die Herausforderungen des demografischen Wandels für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands liegen folglich nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der europäischen und außereuropäischen Ebene. Langfristig ist also mit einem Bedeutungsgewinn der Drittstaaten als Quelle von Fachkräften für den deutschen Arbeitsmarkt zu rechnen. Das Beispiel Sachsen zeigt: Inländische Arbeitskräftereserven sind weitgehend ausgeschöpft, und neu geschaffene Beschäftigungsverhältnisse werden zunehmend mit ausländischen Arbeitskräften besetzt – mit steigender Tendenz aus nicht-EU-Staaten.

Zuwanderung muss in Deutschland stärker als Chance und weniger als Problem wahrgenommen werden (Clemens/Hart 2018). Bedenklich stimmt, dass größere Bevölkerungsgruppen auch die Zuwanderung von dringend benötigten Fachkräften ablehnen – André u. a. (2020, S. 23) sprechen in diesem Zusammenhang von „ethnisch motivierter Selbstbeschädigung“.

André, Tim; Behr, Michael; Philippus, Udo und Alexander Reuß (2020): Das Thüringen-Paradox: Thüringen droht tatsächlich eine „zweite Wende“ – aber anders als von manchem erhofft. In: ifo Dresden berichtet 1/2020, S. 17-24.

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Zitierweise
Leibert, Tim (2021): Ausländische Beschäftigte – die Antwort auf den demografischen Wandel? In: Nationalatlas aktuell 15 (11.2021) 7 [01.11.2021]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/arbeitsmarkt-7_11_2021-0-html/

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