Zwischen 1995 und 2003 hatten zahlreiche deutsche Städte und Zweckverbände das Cross Border Leasing als vermeintlich risikofreie Möglichkeit zur Aufbesserung ihrer Finanzen entdeckt. In der gegenwärtigen Finanzkrise werden die Risiken dieses Geschäftsmodells zur finanziellen Bedrohung einzelner Kommunen. Die aktuelle Deutschlandkarte zeigt, wo Verkehrsinfrastruktur, Wasserver- und -entsorgungsanlagen, Messehallen und Krankenhäuser langfristig an US-Investoren verleast worden sind.

Städte verleasen ihre Infrastruktur
Mehr als 50 deutsche Kommunen und Zweckverbände haben seit 1995 öffentliches Eigentum, nämlich Teile ihrer Infrastruktur, in Cross Border Leasing-Verträge mit US-amerikanischen Investoren eingebracht (Karte). Der einzige Zweck dieser Operation, bei der keinerlei Mehrwert produziert wird, besteht darin, an einem US-amerikanischen Steuersparmodell zu partizipieren und kurzfristig einen Barwertvorteil zu erzielen (Glossar). Das Grundprinzip (Graphik 1) dieses rechtlich wie finanziell komplexen Geschäftmodells wurde von großen amerikanischen Anwaltskanzleien entwickelt und in enger Zusammenarbeit mit sog. Arrangeuren – meist Tochterunternehmen großer Banken – zahlreichen europäischen Kommunen angedient. Die meisten Verträge wurden in Deutschland abgeschlossen – rund 150 sind bekannt geworden.

Nach einer ersten Phase, in der hauptsächlich Infrastrukturanlagen des öffentlichen Personennahverkehrs verleast wurden, richtete sich das Interesse Ende der 1990er Jahre auf die finanziell höherwertigen Anlagen der Wasserver- und -entsorgung. Kumuliert ergibt sich ein Transaktionsvolumen (TAV) von schätzungsweise 50 Mrd. US-Dollar (Graphik 2). Als eigentliche Profiteure dieser globalen Finanzzirkulation sind einige wenige Banken, Kanzleien und Finanzdienstleister anzusehen.

Wenig Transparenz – hohes Risiko
Das Geschäft war von Anfang an mit nicht kalkulierbaren Risiken, Unwissenheiten, einem bedenklichen Demokratiedefizit und Rechtsverstößen behaftet. Schon die Unübersichtlichkeit der von den Anwaltskanzleien und Arrangeuren angebahnten Verträge mit einem Umfang von mehreren hundert Seiten, die – entgegen den Bestimmungen der Gemeindeordnungen – in englischer Sprache mit lediglich deutscher Zusammenfassung vorlagen, sowie die geringe und zu selten eingeforderte Transparenz gegenüber Stadträten und Öffentlichkeit machten das Cross Border Leasing zu einer Black Box. Vertragsort und Gerichtsstand bei allen Verträgen ist New York, da hier Verträge auch dann gültig bleiben, wenn sie gegen US-Bundesrecht verstoßen (Kirbach 2009). Die Verträge, die die Kommunen schlossen, sind nicht öffentlich, so dass eine wirkliche Beurteilung von außen kaum möglich ist (Deutscher Bundestag 2008a).

Widerstand kam erst spät auf, wie z.B. in Kulmbach 2002 und in Bergisch Gladbach 2003, wo letztendlich keine Verträge zustande kamen. Aus der Karte wird klar ersichtlich, dass in Nordrhein-Westfalen – mit insgesamt rund 50% des deutschlandweiten Transaktionsvolumens – die höchsten CBL-Beträge zustande kamen, gefolgt von Sachsen und Baden-Württemberg. In Bayern und Niedersachsen dagegen sind nur relativ wenige und in Schleswig-Holstein, Brandenburg und dem Saarland gar keine Vertragsabschlüsse zu verzeichnen. Die Städte mit den größten TAV sind Düsseldorf, Leipzig, Berlin und Stuttgart; in Essen werden sehr hohe Beträge verbucht, da sich hier die Hauptsitze mehrerer regionaler Zweckverbände der Wasserwirtschaft befinden, die umfangreiche Wasserver- und -entsorgungsanlagen verleast haben.

Problematisch ist die zweifache Schädigung öffentlicher Interessen: Zum einen besteht eine eingeschränkte Kontrolle über die weitere Entwicklung der in den Vertrag eingebrachten Infrastruktur, da alle eingreifenden Maßnahmen der Zustimmung des US-amerikanischen Investors bedürfen und potenziell wertmindernde Maßnahmen untersagt sind. Zum anderen partizipierten die deutschen Partner mit der Vertragsunterzeichnung an einem reinen Steuersparmodell, das der öffentlichen Hand in den USA Einnahmen entzog. Damit unterstützten deutsche Kommunen global agierende Unternehmen bei einer Steuerumgehung zu Lasten der amerikanischen Steuerzahler.

Spekulatives Geschäftsmodell
Cross Border Leasing wird heute zu den strukturierten Finanzmodellen gerechnet und in einem Atemzug mit den „faulen Hypothekenkrediten“ des Immobilienmarktes genannt (Rügemer 2009 u. Rügemer in Jellen 2008a,b). Nach Expertenmeinung ging es den Investoren weder um die Steuervorteile noch um das Leasinggeschäft als solches, sondern in erster Linie um die durch die Kommunen abgesicherten Forderungen als handelbares Finanzprodukt. Dabei wird von amerikanischer Seite besonders auf Störungen des geregelten Zahlungsflusses spekuliert, die die Kommunen bei Eintritt eines solchen Credit Events vertraglich zu zusätzlichen Absicherungsleistungen zwingen. Das Geschäftskonzept beruht also letztlich auf einer negativen Wette auf das gesamte Cross Border Leasing-Geschäft (Roberts in Messner 2009). Die Schwierigkeiten, die sich gegenwärtig abzeichnen, sind daher nicht nur die Folge der gegenwärtigen Finanzkrise, sie sind auch Teil ihrer Ursachen.

Aktuelle und langfristige Probleme der Kommunen
Für die beteiligten deutschen Kommunen und Zweckverbände könnten sich die langfristigen CBL-Verträge in eine „Büchse der Pandora“ verwandeln. Zur Zeit stehen zwei Probleme im Vordergrund, die das Ausfallrisiko betreffen (Graphik 3): Zum einen haben sich die Kommunen vertraglich verpflichtet, bei sinkender Bonität der Darlehensbanken und treuhänderischen Banken diese auszutauschen, was angesichts der allgemeinen Bankenkrise nicht nur teuer, sondern auch schwierig ist. Zum anderen mussten die betreffenden Städte ihre in die Verträge eingebrachten Infrastrukturobjekte gegen Zerstörungen und andere Formen der Wertminderung versichern. Die deutschen Vertragspartner schlossen diese zum großen Teil bei der American International Group (AIG). Sie stehen nun auch hier vor dem Problem, den im Rating stark gefallenen Versicherer gegen einen besser bewerteten wechseln zu müssen oder US-Staatsanleihen zur Besicherung zu kaufen (Schäfers 2009, Kirbach 2009).

Einige CBL-Verträge sind mittlerweile aufgelöst worden, wobei die Frage, für wen welche Konsequenzen daraus erwachsen, noch offen scheint (Kirbach 2009, Jellen 2008a). Der Bundesregierung, die dies als Problem der Kommunen, der Kommunalaufsicht und der Länder betrachtet, liegen nach eigenem Bekunden keine konkreten Informationen über die Kosten vor, die die Kommunen zu tragen haben (Deutscher Bundestag 2009, 2008a).

Mit einer Novellierung der amerikanischen Steuergesetze in den Jahren 2004/05 wurde die Abwicklung weiterer Vertragsabschlüsse in dieser Form faktisch unterbunden. Die bis dahin geschlossenen Verträge – deren Laufzeiten meistens etwa 100 Jahre betragen – beinhalten jedoch auch zukünftig für die beteiligten deutschen Vertragsparteien und folgende Generationen ein nicht kalkulierbares Problem- und Risikopotenzial (Hartmann-Wendels 2004) (Graphik 3).

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DEUTSCHER BUNDESTAG (Hrsg.) (2008a): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Cross-Border-Leasing und Kommunen. (= BT-Drucksache 16/11519, 19.12.2008). Berlin.
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DEUTSCHER BUNDESTAG (Hrsg.) (2008b):Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Lötzer, Katrin Kunert, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzielle Auswirkungen von Cross-Border-Leasing-Geschäften. (= BT-Drucksache 16/11017, 19.12.2008). Berlin.
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JELLEN, Reinhard (2008b): Das Rettungspaket: Blankocheck für die Banken. Interview mit Werner Rügemer, Teil 2. In: Telepolis, 29.10.2008.
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KIRBACH, Roland (2009): Cross-Border-Leasing. Für dumm verkauft. In: Die ZEIT, 12.03.2009, Nr.12.
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RÜGEMER, Werner (2009): Cross border leasing: Ein kriminelles Finanzprodukt? In: Scheinwerfer, 14, H. 42, S. 17.
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Zitierweise:
HÄNSGEN, Dirk u. Judith MIGGELBRINK (2009): Cross Border Leasing – Riskante Geschäfte mit öffentlichem Eigentum. In: Nationalatlas aktuell
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URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Cross_Border_Leasing.9_09-2009.0.html

Dirk Hänsgen, M.A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
Tel. (0341) 600 55 165
E-Mail: d_haensgen@leibniz-ifl.de

Dr. Judith Miggelbrink
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
Tel. (0341) 600 55 109
E-Mail: j_miggelbrink@leibniz-ifl.de

Arrangeur, Barwertvorteil, Hauptmietvertrag, Rückmietvertrag, Transaktionsvolumen, Trust

Der Arrangeur ist das vermittelnde Unternehmen zwischen den Vertragsparteien eines CBL-Geschäfts, der teilweise auch als Investor tätig ist. In der Regel ist der Arrangeur eine Tochtergesellschaft international agierender Banken und Konzerne wie beispielsweise Deutsche Bank Export Leasing GmbH und DaimlerChrysler Structured Finance (debis).

Der Barwertvorteil ist der Geldbetrag, der nach Abschluss des Vertrags an die Kommune geht (ca. 5% des TAV).

Der Hauptmietvertrag (head use agreement) stellt die Verpflichtung des Anlageeigentümers (i.d.R. Kommune oder Kommunal-/Zweckverband) dar, die Anlage für 125-150% der gutachterlich ermittelten Restnutzungsdauer – meistens etwas 100 Jahre – an den Trust zu vermieten.

Durch den Rückmietvertrag (user lease agreement) räumt der Trust dem deutschen Vertragspartner das Nutzungsrecht für 50% der Restnutzungsdauer (meistens 25-30 Jahre) wieder ein.

Das Transaktionsvolumen (TAV) stellt den Finanzumfang des Vertrags dar, basierend auf den Wertgutachten zum Leasinggegenstand.

Der Trust ist der eigentliche Vertragspartner der Kommune. Es handelt sich um ein selbstständiges Unternehmen (Sondervermögen) in Form einer Limited Liability Company (LLC) mit Sitz in Delaware (95% aller Trusts) oder Connecticut (5%).