Die Abgrenzung von Dialekträumen
Die Abgrenzung von Dialekträumen lässt sich bis auf die Anfänge des Deutschen im frühen Mittelalter zurückverfolgen. In der Wissenschaft werden die Kriterien für eine solche Abgrenzung seit langem kontrovers diskutiert. Einen Ansatzpunkt bietet z.B. die räumliche Verteilung der Konsonantenreihe k, ch, f, s, pf, die sprachgeschichtlich den Übergang von der germanischen zur althochdeutschen Sprachstufe markiert (Graphik). Die Kontinuität der sprachlichen Variation im Raum lässt sich anschaulich darstellen, wenn man den lautlichen Abstand des gesprochenen Dialekts zur Hochsprache misst und diese Messungen auf eine Karte einträgt (Karte 2).
Die vorliegende Dialektkarte (Karte 1) baut auf einer umfassenden Studie von Wiesinger (1983) auf. Sie zeigt die sieben sprachstrukturell wichtigen Großräume Deutschlands mit ihren jeweiligen Übergangszonen: Westniederdeutsch, Ostniederdeutsch, Westmitteldeutsch, Ostmitteldeutsch, Ostfränkisch, Alemannisch und Bairisch. Innerhalb dieser Großräume, die auch die Grenzen der modernen Regionalsprachen markieren (Schmidt 2008) und die in der Regel auch als mentale Größen deutlich werden, wenn Sprecher nach den ihnen bekannten Sprachräumen befragt werden (Karte 3), gibt es zahllose Dialekte, die sich jeweils durch signifikante Ähnlichkeiten ihrer sprachlichen Merkmale definieren lassen. Sie stehen der Standardsprache – auch Hochsprache oder Hochdeutsch – gegenüber, wie sie etwa von Nachrichtensprechern in nahezu perfekter Umsetzung realisiert wird. Hingegen besteht bei der Mehrzahl der Sprecher eine regionale Prägung, die zuweilen auch in offiziellen oder formellen Situationen nicht unterbunden werden kann.
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs finden Dialekte in Deutschland weniger Verwendung. Dennoch tragen Regionalismen ein identitätsstiftendes Moment. Sie symbolisieren eine Verbundenheit mit der Region oder bestimmten soziale Gruppen, auch wenn der Dialekt nur schwach ausgeprägt ist und die Regionalität nur noch andeutungsweise wahrgenommen wird.
Die Beliebtheit von Dialekten
Der soziale Aspekt der regionalen Prägung wird durch die Einstellungen der Sprecher zu einzelnen Dialekten und Dialektgruppen bekräftigt. Nach einer aktuellen Allensbachstudie (2008) behaupten 48% der Befragten, in der Lage zu sein, den Dialekt ihrer Region zu sprechen. Die verschiedenen Dialekte werden dabei durchaus unterschiedlich bewertet: Für 35% der Befragten ist Bayerisch der beliebteste Dialekt, während für 21% Bayerisch eher unbeliebt ist, womit es an zweiter Stelle hinter dem Sächsischen rangiert (54%).
Auch die Affinität zum Dialekt variiert: In Westdeutschland geben 10% der Befragten an, dass sie keinen Dialekt gerne hören, in Ostdeutschland sind es 16%. Dabei sind es die Älteren, die Dialekten besonders offen gegenüberstehen, während weder ein eindeutiger Zusammenhang mit dem Geschlecht noch mit der sozialen Schicht festzustellen ist. Bei Personen mit höherem Schulabschluss ist jedoch eine gewisse Tendenz zu einer geringeren Dialekttoleranz zu beobachten.
Die im Jahr 1998 schon einmal von Allensbach durchgeführte Erhebung findet damit insgesamt Bestätigung. Allerdings ist bei solchen Befragungen zu beachten, dass die Sprachformen, auf die sich Informanten mit den Begriffen ‚Mundart‘ oder ‚Dialekt‘ beziehen, nicht identisch und die Prozentverteilungen daher nur mit größter Vorsicht zu betrachten sind.