Die Europawahl 2019 war eine Zäsur für das deutsche Parteiensystem. Erstmals seit 1949 erhielten Union und SPD bei einer deutschlandweiten Wahl weniger als 50 Prozent der Stimmen. Mit den Grünen wurde erstmals eine kleine Partei zweitstärkste Fraktion. In Ostdeutschland löste die AfD vielerorts die CDU als stärkste Kraft ab. Die aktuelle Deutschlandkarte zeigt markante regionale Unterschiede im Wahlverhalten.

Seit 2005 befindet sich das deutsche Parteiensystem in einer Fragmentierungsphase, die durch eine Krise der Volksparteien, die deutschlandweite Etablierung der Linkspartei und den Aufstieg der AfD gekennzeichnet ist. Das westdeutsche „Zweieinhalb-Parteiensystem“ (Union, SPD und FDP) entwickelte sich nach der deutschen Einheit zu einem gesamtdeutschen Fünf-Parteiensystem. Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag und alle Landesparlamente hat sich die Ausdifferenzierung des Parteiensystems weiter verstärkt (von Alemann/Erbentraut/Walther 2018, S. 52-56).

Die Bundestagswahl 2017 (Leibert/Haunstein 2018) hat das deutsche Parteiensystem durch den Absturz der Volksparteien und den Einzug der AfD in den Bundestag in seinen Grundfesten erschüttert (Faas/Klinglhöfer 2019, S. 919). Mit der Europawahl 2019 erreichten die Veränderungen eine neue Qualität. Mit den Grünen wurde eine der „kleinen Parteien“ zweitstärkste Kraft. Die Europawahl 2019 war zudem die erste bundesweite Wahl, bei der die sogenannten Volksparteien nur noch eine Minderheit der Wähler vertreten: Union und SPD kamen zusammen nur noch auf knapp 45 Prozent der Stimmen. Die Union fiel dabei erstmals unter die 30-Prozent-Marke.

In der Presseberichterstattung wurden insbesondere die räumlichen Unterschiede im Wahlverhalten mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Frankfurter Rundschau sprach zwei Tage nach der Wahl in ihrem Leitartikel von einer „neuen deutschen Teilung“ in einen „ergrünten“ Westen und einen AfD-dominierten Osten (Decker/Kormbaki/Sternberg 2019, S. 2-3). Der Berliner Tagesspiegel interpretierte das Wahlergebnis als ein Indiz dafür, dass sich „das Land gefährlich auseinandergelebt“ habe: „Hier der Höhenflug der Liberalität, dort Hass und Abgrenzung“ (Müller von Blumencron 2019).

Gewinner und Verlierer
Der 26. Mai 2019 war eindeutig ein schwarzer Tag für die CDU und die SPD. Beide Parteien mussten im Vergleich zur Europawahl 2014 und zur Bundestagswahl 2017 (Tabelle 1) erhebliche Stimmenverluste hinnehmen und fuhren bei einer deutschlandweiten Wahl jeweils das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik ein. Ein weiterer eindeutiger Wahlverlierer war die Linkspartei, die im Vergleich zu den Wahlen 2014 und 2017 Stimmen einbüßte: Besonders schmerzhaft waren die deutlichen Verluste in ihren ostdeutschen Hochburgen (Glossar).

AfD und FDP gewannen im Vergleich zur Europawahl 2014 zwar Stimmen hinzu, konnten ihr Bundestagswahlergebnis von 2017 aber nicht halten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die AfD bei der Europawahl 2014 als moderat euroskeptische nationalkonservative Partei mit programmatischen Ähnlichkeiten zur CSU angetreten war (Arzheimer 2015). Seither hat die AfD jedoch das Thema Flucht und Asyl zu ihrem „Markenkern“ gemacht (Niedermayer 2018, S. 121) und sich zu einer populistischen Partei der extremen Rechten entwickelt (Dilling 2018, S. 86-89), die insbesondere wegen ihrer Position in Migrationsfragen gewählt wird (Hansen/Olsen 2019, S. 15).

Im Gegensatz zu ihrer Schwesterpartei konnte die CSU in Bayern mit 40,7 Prozent ihr Wahlergebnis von 2014 halten bzw. im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 sogar knapp zwei Prozent zulegen. Ursache dafür war ein auf den Freistaat beschränkter „Weber-Effekt“: Die CSU profitierte davon, dass mit dem Niederbayern Manfred Weber der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen aus ihren Reihen kam. Die CSU gehört damit zu den Gewinnern der Europawahl 2019.

Eindeutiger Gewinner der Europawahl waren die Grünen, die in allen Landesteilen deutlich zulegen konnten. Die Partei konnte insbesondere ehemalige Wähler von SPD, Union und Linken für sich gewinnen und wurde in den Altersgruppen 18 bis 24, 25 bis 34 und (wenn auch sehr knapp) 35 bis 44 stärkste Partei (Decker/Kormbaki/Sternberg 2019, S. 3).

Regionale Unterschiede im Wahlverhalten
Um die regionalen Unterschiede im Wahlverhalten greifbarer zu machen, wurden auf Grundlage einer Clusteranalyse (Glossar) sechs Typen identifiziert, die das Spektrum des Wahlverhaltens mit Blick auf die Ergebnisse der im Bundestag vertretenen Parteien abbilden (Karte 1):

Typ 1 ist mit 80 Landkreisen und kreisfreien Städten vertreten, in denen 24 Prozent der Wählerinnen und Wähler leben. Das Wahlergebnis dieser Kreise entspricht weitestgehend dem westdeutschen Durchschnitt. Bezogen auf das deutschlandweite Endergebnis der Europawahl ergeben sich daraus (leicht) überdurchschnittliche Stimmenanteile für Grüne und FDP und unterdurchschnittliche Wahlergebnisse von AfD und Linkspartei, deren Hochburgen im Osten liegen. Typ 1 umfasst sehr unterschiedliche Kreise: Großstädte wie Nürnberg, Augsburg, Krefeld, Solingen oder Koblenz ebenso wie suburban geprägte Landkreise und dünn besiedelte ländliche Räume. Mit Ausnahme des Saarlands ist Typ 1 in allen westdeutschen Flächenländern vertreten.

Zu Typ 2 gehören insgesamt nur 43 Landkreise und kreisfreie Städte, in denen allerdings 21 Prozent der Wählerinnen und Wähler leben. Dabei handelt es sich insbesondere um Großstädte, kreisfreie Universitätsstädte und Landkreise mit bedeutenden kreisangehörigen Universitätsstädten (Landkreise Gießen, Lüneburg und Tübingen) sowie die norddeutschen Landkreise Lüchow-Dannenberg, Pinneberg, Plön und Stormarn. Charakteristisch für diesen Typ sind überdurchschnittliche Wahlergebnisse der Grünen, aber auch der Linkspartei; Union und AfD haben in diesen Kreisen dagegen ihre bundesweit schwächsten Wahlergebnisse eingefahren.

Typ 3 umfasst 73 Kreise, in denen 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler leben. Charakteristisch sind überdurchschnittliche Wahlergebnisse der Union. FDP und Grüne erzielten durchschnittliche Ergebnisse, AfD und SPD waren relativ schwach. Für die Linkspartei ist Typ 3 dagegen „Diaspora“. Außerhalb Bayerns handelt es sich bei den Typ-3-Kreisen vorrangig um dünn besiedelte, katholisch geprägte ländliche Räume. Trotz einer deutschlandweiten Tendenz zur Auflösung „religiös-politischer Milieus“ (Siegers/Eder 2018, S. 19; Glossar) gibt es dort offensichtlich noch vergleichsweise stabile regionale „religiös-politische Milieus“, in denen die traditionelle enge Kopplung von (katholischer) Kirchenbindung und Wahl der Unionsparteien fortbesteht. In Bayern gehören dagegen die Kreise mit unterdurchschnittlichen CSU-Anteilen zu Typ 3, der im Freistaat stärker mittelstädtisch oder suburban und weniger ländlich-peripher geprägt ist.

Die 51 Kreise des Typs 4, in denen lediglich acht Prozent der Wählerinnen und Wähler leben, können als Hochburgen der Union charakterisiert werden. Die Wahlergebnisse der CDU/CSU liegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt, während die übrigen größeren Parteien nur unterdurchschnittliche Resultate erreichten. Besonders schwach schnitten die Liberalen und die SPD ab. Letztere erreichte in der Summe aller Typ-4-Kreise mit nicht einmal neun Prozent der gültigen Stimmen das schlechteste Ergebnis aller Typen. Damit platzierte sich die SPD knapp hinter der AfD auf Position vier. Typ 4 dominiert in Bayern, was wiederum für den „Weber-Effekt“ spricht. Außerhalb Bayerns gehören mit den Landkreisen Cloppenburg, Emsland und Vechta in Niedersachsen, Olpe in Nordrhein-Westfalen und Eichsfeld in Thüringen nur stark katholisch geprägte Regionen zu diesem Typ.

Typ 5 umfasst 87 Kreise mit einem Anteil von insgesamt 19 Prozent Wählerinnen und Wählern. Die SPD hat in diesen Kreisen ein deutlich besseres Ergebnis erzielt als im Bundesdurchschnitt. Die Wahlergebnisse der CDU sind leicht unterdurchschnittlich, während die Stimmenanteile von Grünen, AfD, Linken und FDP im Bereich des Bundesdurchschnitts liegen. Mit einem zweistelligen Ergebnis und überdurchschnittlichen Gewinnen sind die Kreise und kreisfreien Städte des Typs 5 die westdeutschen AfD-Hochburgen. Neben dem Ruhrgebiet und Ostfriesland umfasst Typ 5 Landkreise und kreisfreie Städte in einem Streifen vom Saarland bis in den Harz. Dabei handelt es sich um Altindustrieregionen, aber auch klassische SPD-Hochburgen in ländlichen Räumen wie etwa in Nordhessen oder der Nord- und Westpfalz. In Ostdeutschland gehören zwei Landkreise (Nordwestmecklenburg und Potsdam-Mittelmark) sowie die Städte Rostock und Schwein zu Typ 5.

Die 67 Kreise des Typs 6 liegen ausschließlich in Ostdeutschland. Hier leben knapp 14 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Charakteristisch sind weit überdurchschnittliche Stimmenanteile der AfD, die knapp vor der CDU als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen war. Anders als in Westdeutschland konnte die AfD ihr Bundestagswahlergebnis halten. Die großen Verlierer im Osten waren CDU und Linkspartei; auch die ohnehin schwache SPD rutschte noch weiter ab. Die Gewinne der Grünen fielen deutlich schwächer aus als in den alten Ländern. Dies ist ein Beleg dafür, dass die Partei in Ostdeutschland außerhalb der Groß- und Universitätsstädte weiterhin nur schwach verwurzelt ist.

Parteiensystem im tiefgreifenden Wandel?
Die vorliegende Analyse zeigt, dass man das Wahlergebnis zugespitzt auf eine einfache Formel bringen kann: „grüne Städte, schwarzes Land und blauer Osten“. Allerdings mit einer Einschränkung: Die vorgestellte Typologie zeigt, dass die Aussage vom „schwarzen Land“ das Wahlverhalten in den westdeutschen Landkreisen in seiner regionalen Differenziertheit nicht hinreichend widerspiegelt.

Die Europawahl 2019 war ohne Zweifel ein politischer Paukenschlag, der viele Fragen aufwirft: War diese Wahl ein einmaliger Ausreißer oder der Beginn einer neuen Ära im deutschen Parteiensystem? Können sich die Grünen auf Augenhöhe mit Union und SPD stabilisieren? Wird die AfD die neue „Stimme des Ostens“? Wie wirken sich die starken Verluste im Osten auf die Zukunft der Linkspartei aus? Welche Rolle wird die FDP in einem fragmentierten Parteiensystem spielen? Ist es verfrüht, das Totenglöckchen für die Volksparteien zu läuten, oder kommt ihre Geschichte tatsächlich „an ihr Ende“ (Dettling 2019)? Sind die „alten Volksparteien“ tatsächlich „nicht mehr zukunftsfähig“ und programmatisch überholt, wie es der Zukunftsforscher Daniel Dettling provokant formuliert (Dettling 2019)? Wie lassen sich in einem zunehmend ausdifferenzierten bzw. zersplitterten Parteiensystem regierungsfähige Mehrheiten finden? Erste Erkenntnisse könnten die im Herbst 2019 anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen bringen.

Arzheimer, Kai (2015): The AfD: Finally a Successful Right-Wing Populist Eurosceptic Party for Germany? In: West European Politics 38 (3), S. 535-556.

Backhaus, Klaus; Erichson, Bernd; Plinke, Wulff u. Rolf Weiber (2006): Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung. Berlin u. a.

Baum, Sabine u. Peter Weingarten (2004): Typisierung ländlicher Räume in Mittel- und Osteuropa. In: Europa Regional 12 (3), S. 149-158.

Decker, Markus; Kormbaki, Marina u. Jan Sternberg (2019): Eine Wahl, zwei Welten. In: Frankfurter Rundschau vom 28.05.2019, S. 2-3.

Der Bundeswahlleiter (2019): Europawahl 2019. Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach kreisfreien Städten und Landkreisen. Wiesbaden

Der Bundeswahlleiter (2014): Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2014. Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach kreisfreien Städten und Landkreisen. Wiesbaden.

Dettling, Daniel (2019): Die Geschichte der Volksparteien kommt an ihr Ende – in der Netzwerkdemokratie werden nur radikal kreative und vernetzte politische Akteure überleben. In: Neue Züricher Zeitung vom 11.07.2019.
URL: https://www.nzz.ch/meinung/die-volksparteien-stehen-am-ende-was-folgt-danach-ld.1488393?utm_source=pocket-newtab
Abrufdatum: 17.07.2019.

Dilling, Matthias (2018): Two of the Same Kind? The Rise of the AfD and its Implications for the CDU/CSU. In: German Politics and Society 36 (1), S. 84-104.

Faas, Thorsten u. Klinglhöfer, Tristan (2019): The more things change, the more they stay the same? The German federal election of 2017 and its consequences. In: West European Politics 42 (4), S. 914-926

Hansen, Michael u. Jonathan Olsen (2019): Flesh of the Same Flesh: A Study of Voters for the Alternative for Germany (AfD) in the 2017 Federal Election. In: German Politics 28 (1), S. 1-19.

Hilbig, Antje u. Wilhelm Steingrube (1999): Wahlhochburgen in den alten Ländern 1976-1998. In: Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1 Gesellschaft und Staat, Institut für Länderkunde (Hrsg.). Mitherausgegeben von Heinritz, Günter; Tzschaschel, Sabine u. Klaus Wolf. Heidelberg, Berlin. 1. Auflage, S. 52-53.
URL: http://archiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band1_52-53_archiv.pdf

Leibert, Tim u. Stefan Haunstein (2018): Wahlverhalten macht zunehmende Differenzierung der Gesellschaft deutlich. In: Nationalatlas aktuell 12 (06.2018) 3 [06.06.2018]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Wahlgeographie.3_06-2018.0.html.

Müller von Blumencron, Mathias (2019): Ein Land zerreißt: Hier der Höhenflug der Liberalität, dort Hass und Abgrenzung. In: Der Tagesspiegel vom 27.05.2019.
URL: https://www.tagesspiegel.de/politik/ein-land-zerreisst-hier-der-hoehenflug-der-liberalitaet-dort-hass-und-abgrenzung/24385638.html
Abrufdatum: 29.05.2019

Niedermayer, Oskar (2018): Die Entwicklung des bundesdeutschen Parteiensystems. In: Decker, Frank u. Viola Neu (Hrsg.): Handbuch der deutschen Parteien, S. 97-125. Wiesbaden.

Siegers, Pascal u. Christina Eder (2018): Entgrenzung religiös-politischer Milieus? Der Wandel religiöser Einflüsse auf die Parteipräferenz 1977 bis 2016 in Deutschland. In: Informationsdienst Soziale Indikatoren 60 – April 2018, S. 13-20.

von Alemann, Ulrich; Erbentraut, Philipp u. Jens Walther, (2018): Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden.

Zitierweise
Leibert, Tim (2019): Europawahl 2019: Grüne Städte, schwarzes Land, blauer Osten? In: Nationalatlas aktuell 13 (07.2019) 4 [29.07.2019]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Europawahl_2019-4_07-2019-0-html/

Dr. Tim Leibert
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstraße 9
04328 Leipzig
Tel.: (0341) 600 55-188
E-Mail: T_Leibert@leibniz-ifl.de

Clusteranalyse als methodische Basis
Bei einer Clusteranalyse handelt es sich um ein Strukturen entdeckendes, gruppierendes Verfahren, bei dem die Bündelung von Objekten im Vordergrund steht (Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006). Mit dieser Methode wurden die Ergebnisse der Europawahl in den 401 Landkreisen und kreisfreien Städten auf Ähnlichkeiten des Wahlverhaltens hin untersucht und verglichen.

Im vorliegenden Beitrag wurden für eine Clusteranalyse die Stimmenanteile von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen herangezogen. Da zwischen den Wahlergebnissen von Union (CDU/CSU) und Linkspartei auf der Kreisebene eine starke (negative) Korrelation besteht, wurden die Stimmenanteile der Partei Die Linke aus methodischen Gründen bei der Berechnung der Clusteranalyse nicht verwendet. Zur Ermittlung der Clusterzahl wurden das Ward-Verfahren und das sogenannte Ellenbogenkriterium verwendet (Baum/Weingarten 2004). Für die Zuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte wurde dagegen das k-Means-Verfahren mit Gewichtung nach Einwohnerzahl zum 31.12.2017 verwendet, um eine Verzerrung des Ergebnisses durch die unterschiedlichen Bevölkerungszahlen der Kreise auszuschließen.

Ziel der angewendeten Clusteranalyse ist es, Kreise mit ähnlichem Wahlverhalten zu Gruppen bzw. Typen (Clustern) zusammenzufassen, die in sich möglichst homogen sind und sich möglichst stark von den übrigen Gruppen unterscheiden. Dazu wurde das Ward-Verfahren verwendet, das in der Literatur als sehr zuverlässig gilt (Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2006). Zu betonen ist, dass die resultierenden Cluster mit einer Informationsreduktion und einem Verlust an Detailschärfe einhergehen und dass es „Grenzfälle“ gibt. Einzelne Landkreise und kreisfreie Städte können bei bestimmten Parteien also durchaus recht deutlich vom hier dargestellten Clustermittelwert abweichen. Die Lösung mit sechs Clustern hat sich für den vorliegenden Beitrag als ein sinnvoller Kompromiss zwischen notwendiger Informationsreduktion und wünschenswerter Detailschärfe erwiesen.

Der Begriff Hochburg wird hier im Sinne einer „relativen Hochburg“ (Hilbig/Steingrube 1999, S. 52) verwendet und beschreibt einen Kreis, in dem der Stimmenanteil einer bestimmten Partei deutlich über dem Bundesergebnis liegt.

Religiös-politische Milieus können nach Siegers/Eder (2018, S. 13) als gesellschaftliche Gruppen definiert werden, in denen ein starker Zusammenhang zwischen religiöser Identität (z.B. Konfessionszugehörigkeit), religiösem Glauben und religiöser Praxis (z.B. Häufigkeit des Gottesdienstbesuchs) auf der einen Seite und politischen Einstellungen (z.B. Parteipräferenzen) und Wahlverhalten auf der anderen Seite besteht. In Westdeutschland gab es traditionell eine enge Bindung der katholischen Bevölkerung an die Unionsparteien und der praktizierenden Protestanten an die SPD. Mit wachsender Säkularisierung lösen sich diese Bindungen zunehmend auf. Aktuell unterschieden sich die Wählerinnen und Wähler von Union, SPD, Grünen und FDP bezüglich ihrer Kirchenbindung kaum noch. Zudem scheint mit der Hinwendung der Kirchen zu ökologischen Themen die Attraktivität der Grünen für religiöse Wählerinnen und Wählen in den letzten Jahren zu steigen (Siegers/Eder 2018, S. 14, 19).