Die aktuelle Deutschlandkarte verdeutlicht, dass auch mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie über Grenzwerte von Schadstoffen in der Luft zahlreiche deutsche Städte die geforderten Grenzwerte für Feinstaub überschreiten. Mit dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 27. September 2007 können nun betroffene Bürger einfordern, dass konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Belastung ergriffen werden. 21 Städte planen inzwischen Umweltzonen.

Feinstaub gefährdet die Gesundheit. Das belegen zahlreiche Untersuchungen.  Dies betrifft insbesondere Staublungen, durch Stäube angeregte entzündliche Prozesse sowie stauballergische Reaktionen; große Unsicherheiten bestehen über den exakten Zusammenhang von Feinstaubemissionen und gesundheitlichen Folgen bezüglich Form und Wirkung mit anderen Schadstoffen. Zur Vorbeugung wurde im Jahr 2005 die Richtlinie 1999/30/EG des Rates in Deutschland im Rahmen des Bundesimissionsschutzgesetzes (BImSchG) umgesetzt. Dieses sieht u.a. einen Grenzwert von maximal 50 μg/m3 Feinstaub PM10 (Tagesmittel) an mehr als 35 Tagen vor (Glossar). Auch wenn unterschiedliche meteorologische Einflussfaktoren immer wieder eine Grenzwertüberschreitung auslösen, gilt der Verkehr als wesentlicher Verursacher für Feinstaub. Daher wird der Einführung von Maßnahmen, die den Verkehr und innerhalb desselben speziell die Dieselfahrzeuge als Verursacher treffen, besonderes Gewicht zugemessen.

Wie in den vergangenen Jahren werden in deutschen Städten die Grenzwerte zum Teil erheblich überschritten – dabei sind im Vergleich 2005 zu 2006 deutschlandweit deutlich mehr Überschreitungen aufgetreten (Karte 2). Auch die Trends in diesem Jahr weisen auf keine signifikante Reduzierung hin. Von den 416 Feinstaub-Messstationen der Länder und des Umweltbundesamtes (UBA) (Grafik 1), die sich 2006 auf insgesamt 275 Gemeinden verteilten, wiesen 98 Stationen (24%) in 66 Städten Überschreitungen der Grenzwerte auf. 2005 wurden noch deutlich weniger Grenzwertüberschreitungen registriert; es betraf 60 (15%) der 403 Stationen in insgesamt 37 Städten.

In der aktuellen Karte wird deutlich, dass die städtischen Verdichtungsräume mit ihren hohen Verkehrsaufkommen besondere Schwerpunkte bilden (Karte 3). Am häufigsten wurden in Stuttgart mit 187 Tagen 2005 bzw. 175 Tagen 2006 an der Station „Am Neckartor“ und in München an der Station „Landshuter Allee“ an 107 bzw. 92 Tagen im Jahr Grenzwertüberschreitungen gemessen. Dabei spielt die topographische Lage Stuttgarts – eingebettet in einen Talkessel – bei Inversionswetterlagen eine wesentliche Rolle. Auch in München tragen entsprechende Wetterlagen zu den Extremwerten bei.

In Deutschland sind gemäß § 47 BImSchG i.V.m. § 11 22. BImSchV verschiedene rechtsverbindliche Maßnahmen bei Grenzwertüberschreitungen vorgesehen. Zum einen hat die zuständige Behörde des jeweiligen Bundeslandes einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt. Zudem sind zusätzliche Maßnahmen in Form eines Aktionsplanes zu ergreifen, um aufzuzeigen, welche Maßnahmen kurzfristig umzusetzen sind. Dabei stellen die „Ballungsräume“ eine eigenständige Gebietskategorie dar, für die besondere Regelungen gelten (Glossar). Die Karte 1 zeigt, dass etwa ein Drittel der Städte und Gemeinden bislang diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Die Aktionspläne und Luftreinhaltepläne umfassen in erster Linie folgende Maßnahmen:

– Umweltzonen (Gebietsbezogene Nutzervorteile)
(Glossar)
– Durchfahrtsverbote für LKW
– Erdgasfahrzeuge und synthetische Kraftstoffe
– Reduktion der Aufwirbelungsemissionen
– Verkehrsvermeidung und -verlagerung

Volker Diegmann u.a. belegen in einer Studie für das UBA, dass das größte Minderungspotenzial von -10% im Bereich der Einrichtung von Umweltzonen besteht; daneben sind Durchfahrverbote und Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung als wirksamste Maßnahme relevant (Graphik 2). Aktuell sind 21 Umweltzonen in Deutschland geplant (Karte 1), die ersten sind für Anfang 2008 vorgesehen. Dabei sind es primär ältere Dieselfahrzeuge, die von den Restriktionen betroffen sein werden. Als gutes Beispiel gilt die geplante Umweltzone in Berlin. Diese umfasst die Berliner Innenstadt innerhalb des S-Bahnringes auf einer Fläche von circa 88 km² und betrifft etwa 1 Mio. Einwohner.

Nicht zuletzt durch das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes wird die Notwendigkeit deutlich, Feinstaubemissionen in den Städten massiv zu reduzieren. Akuter Handlungsbedarf der zuständigen Entscheidungsträger, Aktionspläne und Luftreinhaltepläne aufzustellen, gilt insbesondere für die Städte und Gemeinden, die bislang dieser Verpflichtung nicht nachkommen sind. Damit verschärft sich auch in vielen Städten der Druck, sog. Umweltzonen frühzeitiger als geplant einzuführen.

DIEGMANN, Volker u. a. (2006): Verkehrliche Maßnahmen zur Reduzierung von Feinstaub – Möglichkeiten und Minderungspotenziale [Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes; Kurzbericht]. Dessau. URL www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3259.pdf
Abrufdatum 04.10.2007.

RÖSLER; Cornelia u. Vera LORKE (2007): Machbarkeitsstudie: Regionale Luftreinhalteplanung. Köln: Difu.
URL: edoc.difu.de/edoc.php
Abrufdatum 05.10.2007.

UMWELTBUNDESAMT (UBA) (2007): Aktuelle Immissionsdaten und Ozonvorhersage. Dessau.
URL: www.env-it.de/luftdaten/pollutants.fwd
Abrufdatum 04.10.2007.

UMWELTBUNDESAMT (UBA) (2007): Liste der in Deutschland bekannt gewordenen LuftreinhalteplanLinks. Dessau.
URL: www.env-it.de/luftdaten/download/public/html/Luftreinhalteplaene/uballl.htm
Abrufdatum 04.10.2007.

UMWELTBUNDESAMT (UBA) (2007): Umweltzonen in Deutschland. Dessau.
URL: www.env-it.de/luftdaten/download/public/html/Umweltzonen/index.htm Abrufdatum 16.10.2007.

Rechtliche Grundlagen

Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3180): § 47 Luftreinhaltepläne, Aktionspläne, Landesverordnungen.

Bundesverwaltungsgericht (2007): BVerwG 7 C 36.07 – Urteil vom 27. September 2007. Pressemitteilung Nr. 61/2007: Verkehrsbeschränkungen zur Abwehr von Feinstaubimmissionen müssen erneut geprüft werden. URL: www.bverwg.de
Abrufdatum 04.10.2007.

Richtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (Amtsblatt EG L 163 S. 41), geändert durch Entscheidung 2001/744/EG der Kommission vom 17.10.2001 (ABl. EG L 278 S. 35).

Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Juni 2007 (BGBl. I S. 1006).

Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Vorschriften über die Kennzeichnung emissionsarmer Kraftfahrzeuge (BImSchV 35 EuaVÄndV) v. 10.10.2006 (BGBl. I 2218, 2543). [„Plakettenverordnung“].

Zitierweise
Dalkmann, Holger (2007): Feinstaub – keine Entspannung in Sicht? In: Nationalatlas aktuell 1 (11.2007) 4 [23.11.2007]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Feinstaub.4_11-2007.0.html

Dip.-Geogr. Holger Dalkmann
Team Leader
Environmental Assessment Team
Centre for Sustainability (C4S) at TRL
Crowthorne House, Nine Mile Ride,
Wokingham, Berkshire, RG40 3GA, UK
Tel: 0044 (0)1344 77 0279
Email:hdalkmann@trl.co.uk

Feinstaub (PM10), Grenzwerte, Luftmessstationen, Umweltzonen, Ballungsräume

Feinstaub PM10 steht für Feinstaubpartikel, deren aerodynamischer Durchmesser kleiner als 10 Mikrometer (10µm) ist; PM steht für Particulate Matter. Eingeatmete Feinstaubpartikel dieser Größe können über die Atemwege tief in die Lungen geraten und zu gravierenden gesundheitlichen Schäden führen.

Gesundheitsvorbeugend sind von der EU Grenzwerte für Feinstaub in der Luft verabschiedet worden, die seit dem 01. Januar 2005 rechtsverbindlich sind. Dies bedeutet, dass der Tagesgrenzwert von 50 µg/m3 Feinstaub PM10 nicht öfter als 35 Mal im Jahr überschritten werden darf. Sollte dies doch der Fall sein, so ist der Staat verpflichtet, die Öffentlichkeit unmittelbar zu informieren und Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu veranlassen.

Zur Messung der Schadstoffe in der Luft und zur Kontrolle der Luftqualität unterhalten die Länder eigene Messnetze. Da zur Erfassung der Feinstaubwerte eines konkreten Standortes kontinuierliche Messungen erforderlich sind, kommen dafür nur bestimmte Stationen in Frage. Die entsprechenden Daten werden von den Ländern an das Umweltbundesamt (UBA) weitergeleitet, das zur Information der Öffentlichkeit im Internet eine Stationsdatenbank bereitstellt, in der alle relevanten Daten zu jeder einzelnen Luftmessstation abgerufen werden können: URL:<http://www.env-it.de/stationen/public/open.do>. Außerdem werden die Ergebnisse der entsprechenden Luftuntersuchungen aus den Ländern vom UBA zusammengefasst, auf Stimmigkeit geprüft und über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit an die Europäische Kommission geleitet.

Zum Schutz der Bevölkerung vor Feinstaubbelastungen können neben anderen Maßnahmen sog. Umweltzonen ausgewiesen werden, in denen z.B. nur bestimmten Fahrzeuggruppen der Zugang gestattet ist. Aufgrund entsprechender Plaketten-Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen nach Schadstoffgruppen gem. BImSchV 35 EuaVÄndV („Plakettenverordnung“ seit 01. März 2007 in Kraft) können Umweltzonen sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. Die ersten Umweltzonen werden voraussichtlich erst Anfang Januar 2008 ausgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere ältere Diesel-Kfz und LKW von den entsprechenden restriktiven verkehrlichen Maßnahmen zur Reduzierung von Feinstaub (z.B. Aussperrungen) betroffen sein werden. Die Regelungen werden mit dem Verkehrszeichen 270.1 in Kombination mit den entsprechenden Plakettenhinweisen getroffen.

Gemäß 22. BImSchV (§ 1 Nr. 7) ist ein „Ballungsraum ein Gebiet mit mindestens 250.000 Einwohnern, das aus einer oder mehreren Gemeinden besteht, oder ein Gebiet, das aus einer oder mehreren Gemeinden besteht, welche jeweils eine Einwohnerdichte von 1.000 Einwohnern oder mehr je Quadratkilometer bezogen auf die Gemarkungsfläche haben und die zusammen mindestens eine Fläche von 100 Quadratkilometern darstellen“. Diese Regionen sind nach § 9 Abs. 2 BImSchV von den zuständigen Behörden der Länder abzugrenzen.