Das Ausmaß der Erwerbstätigkeit von Frauen weist deutliche regionale Disparitäten auf. Nach wie vor bestehen enorme Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Hinter diesen Raummustern verbergen sich bestimmte Gesellschaftsmodelle und Auffassungen von Geschlechterrollen. Ein Blick auf Europa zeigt: Gravierende Differenzen bei der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen bestehen auch auf kontinentaler Ebene.

Die Zahl der Erwerbstätigen hat 2013 einen neuen Höchststand erreicht. Im Jahresdurchschnitt waren 42 Millionen Menschen mit Wohnsitz im Bundesgebiet erwerbstätig (StBA 2014). Die Ausweitung der Erwerbstätigkeit in Deutschland ist in erster Linie auf eine zunehmende Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt zurückzuführen. Zwischen 2002 und 2012 ist die Zahl der weiblichen Beschäftigten (Glossar) um sieben Prozent gewachsen, die der männlichen dagegen nur um drei Prozent (BA 2013a).

Die Schattenseite dieser Entwicklung ist jedoch, dass die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt vorrangig über Minijobs und eine Ausweitung der Teilzeitarbeit erfolgt. Der Vollzeitanteil ist zwischen 2002 und 2012 bei den Frauen von 71 Prozent auf 64 Prozent gesunken (Männer: 2002: 96 Prozent, 2012: 93,5 Prozent) (BA 2013a). Frauen arbeiten nicht nur häufiger in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, sie verdienen auch weniger: Die Bruttostundenlöhne vollzeitbeschäftigter Frauen liegen 23 Prozent unter denen der Männer. In der Europäischen Union sind die Lohnunterschiede nur in Österreich und der Tschechischen Republik größer (Fuchs/Bothfeld 2011).

Regionale Unterschiede
Der Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen und insbesondere von Müttern ist ein Indikator für den gesellschaftlichen Wandel. In Deutschland, besonders in den alten Ländern, geht die Familiengründung mit einem Übergang zur traditionellen Arbeitsteilung zwischen männlichem Ernährer und nicht oder teilzeitbeschäftigter (Ehe-)Frau einher (Schneider/Panova/Waibel 2013). In diesem Zusammenhang spiegeln die in Karte 1 dargestellten Typen der Frauen- und Männerbeschäftigung nicht nur die Wirtschaftskraft und Branchenstruktur wieder, sondern verdeutlichen auch die regional vorherrschenden Geschlechterrollenbilder. Die Altersgruppe 30-50 umfasst für die Mehrheit der Frauen die Lebensphase zwischen der Geburt des ersten Kindes und dem Zeitraum, in dem der Nachwuchs beginnt, sich aus der Abhängigkeit der Eltern zu lösen.

Im Osten herrscht ein egalitäres Modell mit hoher Frauenbeschäftigungsquote und niedrigem Gender Gap (Glossar) vor (Typ 1), während für den Westen große Unterschiede der geschlechtsspezifischen Beschäftigungsquoten und eine mittlere bis niedrige Erwerbsbeteiligung der Frauen bei hoher Teilzeitquote charakteristisch sind (Typen 3 und 6). Durch besonders traditionelle Geschlechterverhältnisse zeichnen sich Niederbayern und die Achse Saarbrücken – Wilhelmshaven aus. Die schwache Besetzung der Mittelgruppe (Typ 5) deutet darauf hin, dass sich noch kein gesamtdeutsches Muster herausgebildet hat, das das westdeutsche Ernährer-/Zuverdienermodell und das ostdeutsche Doppelverdienermodell ersetzt.

Für die Ost-West-Unterschiede lassen sich verschiedene Erklärungen anführen. In der DDR war die vollzeitbeschäftigte Mutter das gesellschaftliche Leitbild. Im Westen wurde dagegen das Familienmodell aus allein verdienendem Ehemann und Hausfrau propagiert, das in vielen Bereichen bis heute nachwirkt (Maier 2012). Dies betrifft z.B. die Geschlechterrollenbilder der Männer, die in Ostdeutschland auch im internationalen Vergleich überdurchschnittlich egalitär sind, während im Westen konservative Einstellungen vorherrschen (Cha/Thébaud 2009). Angesichts der niedrigeren Löhne im Osten ist zudem eine Doppelerwerbstätigkeit für viele Familien aus wirtschaftlichen Gründen unverzichtbar (Schneider/Panova/Waibel 2013).

Den hohen Einfluss der Familiengründung auf die weibliche Erwerbstätigkeit zeigt der Vergleich mit der Altersgruppe 25-30 (Karte 2), in der die Raummuster weniger eindeutig sind. Auffällig ist insbesondere, dass sich die Kreise mit hohen Beschäftigtenquoten im wirtschaftsstarken Süden (bei gleichzeitig hohem Gender Gap) und in den wirtschafts- und einkommensschwachen Regionen östlich der Elbe konzentrieren. Tendenziell zeichnet sich die alte Bundesrepublik auch in dieser Altersgruppe durch einen ausgeprägten Gender Gap aus, während die neuen Ländern – und die Regionen um Frankfurt a.M., Hamburg, München und Nürnberg relativ egalitäre Arbeitsmärkte aufweisen.

Sowohl in der Altersgruppe der 25- bis 30-Jährigen als auch bei den 30- bis 50-Jährigen stechen einige Kreise durch besonders niedrige Beschäftigungsquoten hervor (Karte 2). Neben Universitätsstädten wie Freiburg i.Br. und Heidelberg sind dies die Grenzgebiete zu Luxemburg und der Schweiz. Da Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die im Ausland arbeiten, nicht in der Beschäftigtenstatistik erfasst sind, wird das tatsächliche Ausmaß der Erwerbsbeteiligung in diesen Kreisen unterschätzt. Gleiches gilt – wenn auch aus anderen Gründen – für Berlin. In der Hauptstadt ist der Anteil der Selbstständigen und der Beamten besonders hoch (Glossar) – beide Gruppen sind nicht sozialversicherungspflichtig und werden daher nicht in der Beschäftigungsquote (und damit auch nicht in den Karten) berücksichtigt.

Deutschland im europäischen Vergleich
Karte 3 zeigt, dass die Frauenerwerbstätigkeit in Ostdeutschland und Teilen Süddeutschlands in der Altersgruppe 25 bis 34, welche die erste Phase des Haupterwerbsalters darstellt und bei vielen Frauen auch die Kleinkindphase mit einschließt, im europäischen Vergleich relativ hoch ist. Auch die Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern sind dort vergleichsweise moderat (Typen 5, 7 und 8). Deutlich wird auch, dass die hohen Frauenerwerbsquoten im Familiengründungsalter in Ostdeutschland kein generelles Erbe des Sozialismus sind – ganz im Gegenteil: In den meisten postsozialistischen Staaten ist die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen seit 1989 stark gesunken, während die Diskriminierung von Müttern stark zugenommen hat (Glass/Fodor 2011). Hintergrund ist eine „Rückkehr der Häuslichkeit“, die sich durch eine stärkere Gewichtung der Familienpflichten der Frauen gegenüber der Erwerbsarbeit ausdrückt (Fodor 2011, S. 34). Europaweiten Meinungsumfragen zufolge ist der gesellschaftliche Rückhalt für das „Ernährermodell“ in Osteuropa besonders groß (Leibert 2009). Nicht verwunderlich ist daher, dass das „Ernährermodell“ (Typ 3) in Tschechien, der Slowakei und Ungarn am weitesten verbreitet ist.

Große Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Staaten gibt es nicht nur bei der Frauenerwerbsquote, sondern auch beim Arbeitszeitmodell. In Mitteleuropa, Großbritannien, den Beneluxstaaten und Südskandinavien hat sich ein „Anderthalbverdienermodell“ mit vollzeitbeschäftigtem Mann und teilzeitbeschäftigter Frau durchgesetzt, während in Frankreich, Süd- und Osteuropa das Doppelverdienermodell vorherrscht, bei dem beide Partner Vollzeit arbeiten.

BA (Bundesagentur für Arbeit) (Hrsg.) (2013a): Der Arbeitsmarkt in Deutschland. Frauen und Männer am Arbeitsmarkt im Jahr 2012. Nürnberg.

BA (Bundesagentur für Arbeit) (Hrsg.) (2013b): Statistik erklärt. Nürnberg.

CHA, Youngjoo u. Sarah THÉBAUD (2009): Labor Markets, Breadwinning, and Beliefs: How Economic Context Shapes Men’s Gender Ideology. In: Gender & Society 23 (2), S. 215-243.

EUROSTAT (Hrsg.) (2013): Erwerbsquoten nach Geschlecht, Alter und NUTS-2-Regionen. Luxemburg.

FODOR, Éva (2011): Geschlechterbeziehungen im (Post-)Sozialismus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 37-38/2011, S. 30-37.

FUCHS, Gesine und Silke BOTHFELD (2011): Gleichstellung in Deutschland im europäischen Vergleich. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 37-38/2011, S. 7-18.

GLASS, Christy u. Éva FODOR (2011): Public Maternalism Goes to Market. Recruitment, Hiring and Promotion in Postsocialist Hungary, In: Gender & Society 25 (1), S. 5-26.

LEIBERT, Tim (2009): Regionale Unterschiede der Erwerbsbeteiligung in Europa. In: Europa Regional 17 (4), S. 236-240.

MAIER, Friederike (2012): Ist Vollbeschäftigung für Männer und Frauen möglich? In: Aus Politik und Zeitgeschichte 14-15/2012, S. 45-52.

SACKMANN, Rosemarie u. Hartmut HÄUßERMANN (1994): Do regions matter? Regional differences in female labour-market participation in Germany. In: Environment and Planning A 26, S. 1377-1396.

SCHNEIDER, Norbert F.; PANOVA, Ralina u. Stine WAIBEL (2013): Kein Abschied vom männlichen Familienernährer – Analysen zum Anteil, den Frauen in Paarhaushalten zum Haushaltseinkommen beitragen. In: Bevölkerungsforschung Aktuell 03/2013, S. 2-10.

StÄdBL (Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg.) (2013a): Regionaldatenbank Deutschland: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort nach Geschlecht, Nationalität und Beschäftigungsumfang. Wiesbaden.

StÄdBL (Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg.) (2013b): Regionaldatenbank Deutschland: Bevölkerungsstand: Bevölkerung nach Geschlecht und Altersgruppen. Wiesbaden.

StBA (Statistisches Bundesamt) (Hrsg.) (2014): Pressemitteilung vom 02. Januar 2014: Anstieg der Erwerbstätigkeit im Jahr 2013 verlangsamt. Wiesbaden.

StBA (Statistisches Bundesamt) (Hrsg.) (2013): Mikrozensus: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland 2012. Wiesbaden.

Hinweis
Dieser Beitrag beruht auf Zwischenergebnissen des von der Europäischen Union kofinanzierten CENTRAL EUROPE Projekts „Realizing a Transnational Strategy against the brain-drain of well-educated young women“ (WOMEN). Mehr Informationen zum Projekt finden Sie unter www.women-project.eu.

Zitierweise
Leibert, Tim (2014): Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland und Europa. In: Nationalatlas aktuell 8 (01.2014) 1 [27.01.2014]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Frauenerwerbstaetigkeit.1_01-2014.0.html

Dipl.-Geogr. Tim Leibert
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig

Tel.: (0341) 600 55-188
E-Mail: t_leibert@leibniz-ifl.de

Die Beschäftigtenquote ist definiert als der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in einer bestimmten Altersgruppe und Raumeinheit an allen gleichaltrigen Einwohnern der betreffenden Region. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Beiträge in die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung einzahlen. Geringfügig Beschäftigte, Selbstständige und mithelfende Familienangehörige, Beamtinnen und Beamte sowie Soldatinnen und Soldaten gehören zwar zu den Erwerbstätigen, aber nicht zu den Beschäftigten. Bei der Erfassung der Beschäftigten und Erwerbstätigen werden das Personen- und das Inlandskonzept zu Grunde gelegt. Personen mit mehreren Beschäftigungsverhältnissen werden nur im Hauptberuf erfasst. Für die Berechnung der Quoten werden nur Personen berücksichtigt, die im Inland wohnen und arbeiten (BA 2013b)

Der Gender Gap gibt den Unterschied zwischen den Beschäftigtenquoten der Frauen und der Männer an.

Selbstständigkeit in Berlin: Der Anteil der Selbstständigen an den Erwerbstätigen in der Altersgruppe 25-45 lag 2012 in Berlin bei 21 Prozent bei den Männern und 14 Prozent bei den Frauen und damit deutlich über dem Bundesmittel von zwölf Prozent bei den Männern bzw. sieben Prozent bei den Frauen (StBA 2013, eigene Berechnungen). Ein vergleichbarer Trend zur Selbstständigkeit ist in Hamburg (16 bzw. neun Prozent) nicht feststellen, sodass es gerechtfertigt ist, Berlin als einen Sonderfall einzustufen.