Das Internet hat den beruflichen und privaten Alltag der allermeisten Deutschen innerhalb nur einer Dekade stark verändert. Nahezu weiße Flecken auf der Landkarte der Internetnutzung, die es Mitte der 1990er Jahre noch gab, sind verschwunden. Dennoch existieren deutliche regionale Unterschiede des Internetangebots, wie die Karten zur räumlichen Verteilung der .de-Domains belegen.

Menschen nutzen das Internet in vielfältigster Weise. Meist kontaktieren sie eine Website, um dort Informationen abzurufen, einzugeben oder zu kommunizieren. Solche Websites müssen von ihrem Betreiber (Unternehmen, Organisation, Private) angemeldet und eingerichtet werden, wofür eine eigene Adresse bzw. Domain benötigt wird (Glossar).

Deutliche regionale Unterschiede
Karte 1 zeigt, dass nicht nur zwischen West- und Ostdeutschland ein „digitaler Graben“ existiert, sondern dass auch zwischen ländlichen Kreisen und Großstädten Westdeutschlands erhebliche Disparitäten bestehen. Sowohl nach der Anzahl der .de-Domains insgesamt als auch bei der relativen Betrachtung in Bezug auf die Einwohner weisen die Industrie- und Dienstleistungszentren Hamburg, München, Nürnberg, Rhein-Ruhr und Rhein-Main die höchsten Werte auf – in Berlin sind mit rund 730.000 zwar die meisten .de-Domains registriert, die relative Häufigkeit ist jedoch deutlich geringer als in anderen Metropolen (Karten 1 u. 2). Relativ hohe Domain-Dichten verzeichnen auch Tourismusregionen im Norden und Süden Deutschlands (Karte 1). Die positive statistische Korrelation zwischen beiden dargestellten Indikatoren wird überdeutlich: hohe absolute Domainzahlen korrespondieren auf Kreisebene mit einer hohen relativen Zahl an Domains. Innerhalb der Verdichtungsräume bzw. in den Agglomerationsräumen und verstädterten Räumen treten die Kernstädte besonders hervor.

Als Erklärung dieser regionalen Unterschiede im Jahr 2009 taugt die infrastrukturelle Ausstattung (z.B. Breitbandnutzung) oder die Innovativität der Bewohner und Unternehmer der Regionen kaum noch. Anders als in der Pionierzeit der Websites Mitte der 1990er Jahre ist die regionale Domainverteilung heute Indiz für die absolute ökonomische und demographische Größe der Region, da inzwischen jedes Unternehmen, jede Organisation und zudem viele Privatpersonen eine eigene Website haben. Ergo haben Kreise mit vielen Einwohnern, Unternehmen und Organisationen auch (absolut) viele Domains.

Die Entwicklung seit Mitte der 1990er Jahre
Beim Blick auf die zeitlichen Veränderungen zwischen 1997 und 2009 zeigt sich ein partiell anderes Bild. Der skizzierte digitale Graben zwischen West- und Ostdeutschland, zwischen Agglomerationsräumen und verstädterten Räumen sowie zwischen Kernstädten und ihrem Umland ist zwar noch vorhanden, aber er ist flacher geworden. Nimmt man die Zahl der .de-Domains je Einwohner als Indikator und Raumordnungsregionen als räumliche Einheit (Glossar), dann haben besonders ländliche Regionen sowie periphere Regionen an der polnischen Grenze deutlich aufgeholt (Karte 3). Basierend allerdings auf sehr niedrigen Ausgangswerten liegt in diesen Landesteilen der prozentuale Zuwachs deutlich über dem nationalen Mittelwert von 115% innerhalb des Zwölfjahreszeitraums. Manche ostdeutsche Region dürfte ihre hohen Wachstumsraten allerdings dem wanderungsbedingten Rückgang ihrer Einwohnerzahl zu verdanken haben.

Ursachen für das Ausbreitungsmuster
Das raum-zeitliche Ausbreitungsmuster der .de-Domains zeigt inhaltliche Parallelen zur Diffusion von Innovationen: Innovationen starten in wenigen ökonomisch-technologisch starken Regionen (meist, aber nicht immer die absolut größten eines Landes) und dehnen sich dann sukzessive in die Peripherie aus. Auch bei der Innovation Internet, scheinbar distanzunempfindlich, war dies in allen Ländern zu beobachten. Entsprechend sind die Wachstumsraten der Neuanmeldungen von Domains zuerst in urbanen Zentren am höchsten, während sie später in ökonomisch und/oder räumlich peripheren Regionen höher als in den Zentren sind. Anfangs sind spezifische, nicht jedermann verfügbare Kenntnisse über den Aufbau einer Website nötig, für die eine Domainadresse notwendig ist. Dieses Wissen hatten anfangs nur wenige, heute aber sehr viele.

Die Selbstdarstellung der Unternehmen und Organisationen im Internet ist heute ein Muss, um wahrgenommen zu werden. Auch viele Privatpersonen meinen dies zu müssen, um bekannt zu werden oder zu bleiben. Im privaten Bereich stehen Websites in jüngeren Jahren in Konkurrenz zu anderen digitalen Selbstdarstellungs- und Kommunikationsoptionen wie beispielsweise sozialen Netzwerken. Bundesweit nehmen die Wachstumsraten der Neuanmeldungen (nicht deren Anzahl) der .de-Domains seit den 1990er Jahren ab.

Die regionalen Unterschiede der .de-Domaindichte werden also zukünftig geringer, was sich graphisch mittels Lorenzkurven und mathematisch z.B. mit Gini-Koeffizienten zeigen lässt (Graphik). Der klare Trend zur Dekonzentration zeigt sich nicht nur auf nationaler Ebene (interregionale Betrachtung), sondern auch innerhalb großstädtischer Ballungsräume (intraregionale Betrachtung) – was nicht allein durch die Bevölkerungssuburbanisierung zu erklären ist.

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) (Hrsg.) (2011a): Laufende Raumbeobachtung – Raumabgrenzungen: Siedlungsstrukturelle Kreistypen. [Stand 31.12.2008]. Bonn.
URL:
http://www.bbsr.bund.de/nn_103086/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Werkzeuge/Raumabgrenzungen/SiedlungsstrukturelleGebietstypen/Kreistypen/kreistypen.html
Abrufdatum: 03.03.2011.

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) (Hrsg.) (2011b): Laufende Raumbeobachtung – Raumabgrenzungen: Siedlungsstrukturelle Regionstypen. [Stand 31.12.2008]. Bonn.
URL:
http://www.bbsr.bund.de/cln_016/nn_103086/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Werkzeuge/Raumabgrenzungen/SiedlungsstrukturelleGebietstypen/Regionstypen/regionstypen.html
Abrufdatum: 03.03.2011.

DENIC (Hrsg.) (1998): Domainstatistik 1997. Frankfurt a.M.

StÄdBL (Statistische Ämter des Bundes und der Länder) (2011a):
Statistik der de-domains – Stichtag 31.12. – regionale Tiefe: Kreise und krfr. Städte [die Ergebnisse beruhen auf Daten der DENIC eG, Frankfurt a.M.]. In: Regionaldatenbank Deutschland.
URL:
https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/logon
Abrufdatum: 02.02.2011.

StÄdBL (Statistische Ämter des Bundes und der Länder) (2011b):
Bevölkerungsstand – Stichtag 31.12. – regionale Tiefe: Kreise und krfr. Städte. In: Regionaldatenbank Deutschland.
URL:
https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/logon
Abrufdatum: 02.02.2011.

STERNBERG, Rolf (2005): On the Spatial Distribution of Domain Names in Germany – Empirical Evidence and Explanations. In: Feldhoff, T. and W. Flüchter (Eds.): Shaping the Future of Metropolitan Regions in Japan and Germany: Governance, Institutions and Place in New Context. Duisburg: Universität Duisburg-Essen, pp. 37-49 (=Hohenheimer Beiträge zur Entrepreneurshipforschung und –praxis, Nr. 11).

STERNBERG, Rolf (2004): Zur räumlichen Verteilung von Domainnamen in Deutschland – empirische Befunde und Erklärungen. In: Petermanns Geographische Mitteilungen, Band: 148, Heft: 4, Seite: 78-85.

STERNBERG, Rolf (2003): Standorte der neuen Dienstleister – Erkenntnisse aus dem raum-zeitlichen Verteilungsmuster von Internet-Domainnamen in Deutschland. In: Bröcker, J. (Hrsg.): Globale Kommunikation und lokales Handeln: Herausforderungen und Chancen. Heidenheim: Stadt Heidenheim an der Brenz, Kulturbüro, S. 113-134. (= Heidenheimer Schriften zur Regionalwissenschaft, 16).

STERNBERG, Rolf u. Mark KRYMALOWSKI (2002): Internet Domains and the Innovativeness of Cities/Regions – Evidence from Germany and Munich. In: European Planning Studies 10, H. 2, S. 251-274.

Zitierweise
STERNBERG, Rolf: Regionale Verteilung der .de-Domains. In: Nationalatlas aktuell 5 (03.2011) 3 [29.03.2011]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Internet.3_03-2011.0.html

Prof. Dr. Rolf Sternberg
Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie
Leibniz Universität Hannover
Schneiderberg 50
30167 Hannover
Tel. (0511) 762-8949/-4496
E-Mail: sternberg@wigeo.uni-hannover.de

.de-Domains, Domaingrabbing, Raumordnungsregionen, Siedlungsstrukturelle Regionstypen, Lorenzkurven, Gini-Koeffizient

.de-Domains: Bei Websites sind zwei Arten von Top Level Domains (TLDs) zu unterscheiden: generische TLDs und Country Code TLDs. Die generischen TLDs (z.B. mit den Endungen .com, .org, .net, .edu, .gov) sind für Unternehmen, Computer-Netzwerke, Bildungseinrichtungen und Regierungsorganisationen reserviert. Die Country Code TLDs wie .de für Deutschland oder .jp für Japan werden von einer zentralen Institution in jedem Land vergeben und werden von Privatpersonen, aber auch vielen Unternehmen genutzt. In Deutschland müssen .de-Domains zentral bei der DENIC eG (Frankfurt a.M.) angemeldet werden, die Ende 2009 gut 12 Millionen .de-Domainnamen verwaltete. Die wirtschaftsgeographische Interpretation von Domainadressen ist jedoch nicht frei von Problemen. So können „Domaingrabbing“ oder die signifikanten Unterschiede der Bedeutung einzelner Domainnamen zu Fehlinterpretationen führen.

Domaingrabbing: missbräuchliche Registrierung einer großen Zahl von Domainnamen zum Zwecke des anschließenden Verkaufs des Domainnamens oder der irreführenden Assoziierung von Domainnamen und Seiteninhalt durch den Besucher.

Raumordnungsregionen: diese 96 Regionen untergliedern das Bundesgebiet flächendeckend, stellen das Beobachtungs- und Analyseraster der Bundesraumordnung dar, bilden eine Gruppe von Kreisen/kreisfreien Städten und umfassen meist einen urbanen Verdichtungsraum und sein Umland.

Siedlungsstrukturelle Regionstypen: neben Kreis- und Gemeindetypen eine Kategorie von Gebietstypen, die als analytisches Raster für die laufende Raumbeobachtung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) genutzt und nach Kriterien der Zentralität und Bevölkerungsdichte abgegrenzt werden. Bei Regionstypen werden auf der Basis von Raumordnungsregionen Agglomerationsräume, verstädterte Räume und ländliche Räume unterschieden.

Lorenzkurven: Summenhäufigkeitskurve zur graphischen Veranschaulichung ungleicher Verteilungen, z.B. im Raum.

Gini-Koeffizient: Konzentrationsmaßzahl mit den Extrema 0 (Gleichverteilung: alle Elemente haben denselben Wert) und 1 (Ungleichverteilung: nur ein Element verfügt über Werte >0); zur Interpretation von Lorenzkurven unbedingt erforderlich, da nur die Gini-Koeffizienten auch Aussagen zur Verteilung ermöglichen.