Ende der 1940er-Jahre lebten weniger als 500 Kranichpaare in Deutschland – heute sind es deutlich mehr als 7.500 Paare. Zudem ist ihr Verbreitungsgebiet in den letzten drei Jahrzehnten um fast 80 Prozent gewachsen. Die Ursachen für diesen Prozess sind vielschichtig. Aktuelle Deutschlandkarten dokumentieren die jüngsten Entwicklungen und zeigen die derzeitige Verbreitung und Besiedlungsdichte.

Der Kranich (Grus grus) gilt auch in Deutschland als besonderer Vogel, nicht nur weil er groß ist und einen weittragenden Ruf besitzt, sondern auch wegen seiner mythologischen Bedeutung. Die meisten Menschen erleben ihn während der Zugzeit im Frühjahr und Herbst, wenn große Schwärme laut rufend in nördliche bzw. südliche Richtungen ziehen oder für längere Zeit in traditionellen Regionen rasten (Fotos 1). Dass diese Vogelart bei uns auch brütet, wissen viele nicht. Sie ist allerdings nicht in ganz Deutschland verbreitet und lebt zur Brutzeit sehr zurückgezogen, sodass Kraniche an ihren Brutplätzen nur wenig auffallen (Karte 1 und Fotos 2).

Lebensraum
Kraniche sind stark von Feuchtgebieten abhängig. Wenn sie während der Sammel- und Zugzeit in Gruppen zusammen leben, schlafen sie gemeinsam in flachen Gewässern und halten sich am Tage in den Nahrungsräumen auf.

Brutkraniche besiedeln vor allem Moore der verschiedensten Art. Es können großräumige intakte oder auch ausgetorfte und wiedervernässte Hochmoore, Erlen- und Birkenbrüche in Wäldern, Verlandungszonen von Seen und Teichen, ehemalige Torfstiche, Wasser führende Ackersölle u. a. sein. Im Süden Brandenburgs, in Sachsen-Anhalt und Sachsen brüten Kraniche verstärkt in Bergbaufolgelandschaften, wie in Tagebaurestlöchern oder Absatzbecken des ehemaligen Braunkohletagebaus. In der Lausitz (Ostsachsen) dienen vorzugsweise große Teichwirtschaften zur Brut (Karte 1). Die Kraniche bauen ihre Nester in Feuchtgebiete, mit Schilf, Rohrkolben oder anderen Pflanzen. Sie sind von Wasser umgeben und bieten so besonders Schutz vor Bodenfeinden.

Bestandsentwicklung und Verbreitung
Der Kranich besiedelt im Wesentlichen das Norddeutsche Tiefland. Durch Trockenlegung von Brutplätzen und Verfolgung waren die Brutbestände stark zurückgegangen, sodass nach dem Zweiten Weltkrieg weniger als 500 Kranichpaare in Deutschland siedelten. Zu dieser Zeit war die Elbe die westliche Verbreitungsgrenze. Ab Mitte der 1970er-Jahre kam es dann durch Wiedervernässungen und intensive Schutzmaßnahmen zu einer allmählichen Bestandszunahme, die anfangs in den Kerngebieten Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs und später in den angrenzenden Bundesländern einsetzte. Die Graphik veranschaulicht diesen Prozess bis in die Gegenwart. Seit Ende der 1970er-Jahre hat sich der Bestand bis heute etwa verzehnfacht.

Mit dem Bestandsanstieg erhöhte sich die Siedlungsdichte. Heute kommen in Mecklenburg-Vorpommern im Durchschnitt 15 Paare auf 100 qkm vor. Kleinräumig können es 30 bis 60 Paare sein. In Brandenburg siedeln im Durchschnitt 8,5 Paare auf 100 qkm.

Mit der Zunahme der Siedlungsdichte kam es gleichzeitig zu einer Ausbreitung nach Norden, Westen und Süden (vgl. Karte 1 und 2 sowie Karte 3). Die Erweiterung des Verbreitungsgebietes nach Norden und Westen zeigt sich besonders in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Weser ist im Nordwesten inzwischen weit überschritten worden, so dass auch in den Niederlanden die ersten Brutpaare nachgewiesen wurden. In Dänemark kam es im letzten Jahrzehnt ebenfalls zu vielen Neuansiedlungen. Im Südosten ist die Ausbreitung nicht so auffallend, doch auch deutlich. So gibt es seit 2005 Kranichpaare in Tagebaurestlöchern im Südosten Thüringens, und auch in Ostsachsen breitet sich der Kranich nach Süden aus. Die Fortsetzung findet diese Besiedlung in Tschechien, wo 1989 das erste Brutpaar nachgewiesen wurde. Inzwischen brüten hier mehr als 40 Paare, von denen sich, wie in der Niederlausitz, 90% in Teichen mit reicher Vegetation angesiedelt haben.

2011 wies Deutschland einen Brutbestand von etwa 7.700 Paaren auf. Seit Ende der 1970er Jahre hat sich das Verbreitungsgebiet in Deutschland um etwa 80% erweitert. Das entspricht nach Westen einer maximalen Ausdehnung von ca. 240 km. So ist der Kranich heute Brutvogel in neun Bundesländern, wenn man Hamburg zu Schleswig-Holstein und Berlin zu Brandenburg zählt. Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg beherbergen zusammen etwa 80% des Gesamtbestandes. In Bayern gibt es inzwischen fünf bis neun Paare, die abseits des geschlossenen Verbreitungsgebietes siedeln.

Ursachen
Ursachen für den positiven Entwicklungsprozess sind die Renaturierungsmaßnahmen von Feuchtgebieten, der intensive nationale und internationale Schutz, die Anpassungsfähigkeit vieler Kraniche an landwirtschaftliche Aktivitäten, die Vielfalt der genutzten Bruthabitate sowie ein verändertes Zug- und Überwinterungsverhalten.

MEWES, Wolfgang (2010): Die Bestandsentwicklung, Verbreitung und Siedlungsdichte des Kranichs Grus grus in Deutschland und seinen Bundesländern. In: Vogelwelt 131, S. 75-92.

MEWES, Wolfgang (1996): Bruthabitatnutzung des Kranichs in Deutschland. In: Vogelwelt 117, S. 111-118.

MEWES, Wolfgang (1995): Bestandsentwicklung des Kranichs Grus grus in Deutschland und deren Ursachen. Halle/Wittenberg Univ., Diss.

MEWES, Wolfgang; NOWALD, Günter u. Hartwig PRANGE (2003): Kraniche – Mythen, Forschung, Fakten. (2., überarb. Aufl.). Karlsruhe.

NOWALD, Günter (2003): Bedingungen für den Fortpflanzungserfolg: Zur Öko-Ethologie des Graukranichs Grus grus während der Jungenaufzucht. Osnabrück, Univ., Diss.
Fundstelle:
http://repositorium.uni-osnabrueck.de/handle/urn:nbn:de:gbv:700-2003122215

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NOWALD, Günter u. Norman DONNER (2011): Journal der Arbeitsgemeinschaft Kranichschutz Deutschland – Das Kranichjahr 2010. AG Kranichschutz Deutschland. Kranich-Informationszentrum. Groß Mohrdorf.

NOWALD, Günter u. Tanja FLECKSTEIN (2001): Nahrungsangebot und Nahrung von Kranichfamilien (Grus grus) in Brutrevieren Nordostdeutschlands. In: Die Vogelwarte 41, S. 93-108.

Bildnachweis
Kranichfotos alle © Günter Nowald

Zitierweise
Mewes, Wolfgang und Günter Nowald (2012): Verbreitung des Kranichs und Populationsdichte in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 6 (03.2012) 3 [27.03.2012]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Kraniche.3_03-2012.0.html

Dr. Wolfgang Mewes
Grüner Weg 3
19395 Plau am See
OT Karow
Tel.: (038738) 789837
E-Mail: mewes-karow@t-online.de

Dr. Dipl. Biologe Günter Nowald
Leiter Kranich-Informationszentrum,
GF Kranichschutz Deutschland gGmbH,
Lindenstraße 27
18445 Groß Mohrdorf
Tel.: (038323) 80540
Fax: (038323 80541
E-Mail: Guenter.Nowald@Kraniche.de
www.kraniche.de

Arbeitsgemeinschaft (AG) „Kranichschutz Deutschland“, Kranich-Informationszentrum

Seit den 1970er-Jahren führten der Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. und die Umweltstiftung WWF-Deutschland (World Wide Fund for Nature) jeweils eigene Kranichschutz-Projekte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg durch. Im östlichen Deutschland haben die Mitglieder des „Arbeitskreises zum Schutz vom Aussterben bedrohter Tierarten in der DDR“ im gleichen Zeitraum ein Netzwerk zur Überwachung der Kranichbrut und Rast entwickelt und betreut. Nach der Wiedervereinigung gründeten die ost- und westdeutschen Kranichschützer gemeinsam mit der Lufthansa Umweltförderung 1991 die Arbeitsgemeinschaft „Kranichschutz Deutschland“. 1996 wurde die gemeinnützige Kranichschutz Deutschland GmbH mit dem NABU und dem WWF als die Gesellschafter gegründet.

Seit 1996 besteht auch das Kranich-Informationszentrum in Groß Mohrdorf bei Stralsund mit hauptamtlichen Mitarbeitern als Zentrale der Kranichschutzarbeit < www.kraniche.de >

Ziele der AG sind die Öffentlichkeitsarbeit zur Verbreitung und zum Schutz des Kranichs und seiner Lebensräume, das alljährliche Monitoring zum Brutbestand und Rastgeschehen in Deutschland sowie spezielle nationale und internationale Projekte zum Kranichschutz.

Die Mitglieder der AG sind in Landesarbeitsgruppen organisiert. Jährlich finden zentrale Arbeitstagungen an wechselnden Orten zum Austausch neuer Informationen statt. Ergebnisse werden im Journal “Das Kranichjahr“ publiziert. Die internationale Zusammenarbeit wird auf europäischen Workshops, die alle drei oder vier Jahre in anderen Ländern stattfinden, vertieft.