Der Islam als zweitgrößte Religion in Deutschland wird zunehmend über repräsentative Moscheebauten in Städten und Gemeinden wahrnehmbar. Anders als die oft unauffälligen Laden- und Hinterhofmoscheen weisen sie sich durch ihre Architektur als islamische Sakralbauten aus. Wo sie sich befinden, zeigen aktuelle Deutschlandkarten: mit einem deutlichen Verbreitungsmuster.

Der islamische Sakralbau
Eine Moschee ist gemäß der wörtlichen Bedeutung ein „Ort, an dem man sich zum Gebet niederwirft“. Funktionales Vorbild für alle späteren Moscheen wurde der rechteckige Hof des Wohnhauses des Propheten Mohammed in Medina, in welchem dieser mit Anhängern das Gebet verrichtete. Architektonisch orientierte sich der Moscheebau in den ersten Jahrhunderten islamischer Expansion am christlichen Sakralbau; mit der Zeit bildeten sich regional variierende Stile heraus. Seit dem 20. Jahrhundert lassen sich in der Auseinandersetzung mit architektonischen Prinzipien der Moderne und Postmoderne weltweit Versuche der Neuinterpretation des islamischen Sakralbaus beobachten. Gerade in der Diaspora sind Moscheeeinrichtungen nicht nur genuin religiöse, sondern auch allgemein soziale Orte. Sie verfügen fast immer über eine Teestube und häufig auch über spezielle Räume für Frauen oder Jugendliche.

Historische Entwicklung in Deutschland
Bereits 1924 bis 1928 errichtete die aus dem heutigen Pakistan stammende Ahmadiyya-Bewegung in Berlin-Wilmersdorf einen repräsentativen Bau im Rahmen ihrer Pläne zu einer Europa-Mission (Schmitt 2011: Foto 1). In den späten 1950er-Jahren eröffneten Ahmadiyya zwei kleinere Moscheen in Hamburg und Frankfurt am Main; die Grundsteinlegung des schiitischen Islamischen Zentrums Hamburg erfolgte 1961. In den Hochschulstädten Aachen und München wurden in den 1960er-Jahren aus dem Kreis und Umfeld arabischer Studierender zwei islamische Zentren gegründet, deren Gebäude über eine damals ausgesprochen moderne Architektursprache verfügen. Architektonische Modernität ist dabei offensichtlich kein Widerspruch zu dezidiert konservativen religiös-gesellschaftlichen Positionen.

Im Zuge der Arbeitsmigration vor allem türkischer Muslime wurden um 1969/70 in der Bundesrepublik erste Moscheevereine gegründet; deren Moscheen befanden sich häufig in umfunktionierten Gewerberäumen oder Ladenlokalen. Seit den 1980er-Jahren wurden von diesen Vereinen Grundsteine für Moscheebauten mit einer explizit islamisch codierten Architektur gelegt, so im nordrhein-westfälischen Werl (Baubeginn 1988) oder im baden-württembergischen Pforzheim (Baubeginn 1989): materialisierter Ausdruck einer zunehmenden Bleibeorientierung der Arbeitsmigranten und ihrer Nachkommen. Sollte die Flucht syrischer Muslime nach Deutschland eine dauerhafte Migration begründen, wird dies zukünftig auch den Moscheebau in Deutschland beeinflussen.

Moscheen heute
Die Gesamtzahl aller Moscheen in Deutschland kann heute auf etwa 2.800 geschätzt werden. Nur gut zehn Prozent von Ihnen sind anhand ihrer architektonischen Gestaltung als islamischer Sakralraum bzw. als Gebäude erkennbar, das offensichtlich religiösen oder kulturellen Zwecken dient. Zu solchen identitätsstiftenden Elementen gehören insbesondere Minarett und Kuppel (Karte 1, Glossar). Der größte Teil der architektonisch markanten Moscheen in Deutschland wurde von türkisch-islamischen Organisationen, insbesondere lokalen Vereinen der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) errichtet. Ethnische Differenzierungen der Moscheeorganisation sind in Deutschland bis heute wirksam. Insofern ist es kein Zufall, dass viele Moscheen den osmanischen Moscheebautyp mit seinen schmalen runden Minaretten und einer zentralen Kuppel aufgreifen. Nur wenige Moscheen in Deutschland zitieren maghrebinisch-maurische oder arabische Stilelemente. Die Ahmadiyya haben im Rahmen ihres 100-Moscheen-Programms in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche neue, in der Regel kleinere Moschen eröffnet. Aufgrund ihrer Sonderlehren werden deren Moscheen von sunnitischen Muslimen in der Regel nicht aufgesucht.

Über die architektonische Qualität von Moscheeneubauten in Deutschland wird kontrovers diskutiert (vgl. Kraft 2002). Teilweise wurde bemängelt, dass deren Architekten historisch gewachsene Seherwartungen an Moscheen reproduzierten, statt zeitgemäße innovative Lösungen anzugehen. Doch auch Moscheen mit optischer Anlehnung an osmanische Kuppelbauten wie etwa die Moschee in Lauingen (Donau) können mit architektonisch überzeugenden Lösungen aufwarten (Schmitt 2011: Foto 1; Kraft 2002). Die in Köln-Ehrenfeld errichtete Zentralmoschee des DITIB-Verbandes (Grundsteinlegung 2009, Foto) geriet u. a. wegen Zerwürfnissen zwischen Architekt und Bauherren mehrfach in die Schlagzeilen. Nichtsdestoweniger ist dem Architekten Paul Böhm ein beeindruckender Entwurf für einen zeitgenössischen Sakralbau gelungen. Die zentrale Kuppel wird von vier Schalen gebildet, welche „wie abstrakte Hände dem heiligen Bezirk schützend überhöhen“ (Böhm 2019). In der oberbayerischen Kleinstadt Penzberg errichtete eine unabhängige Moscheegemeinde in den 2000er-Jahren eine Moschee mit einem schlichten, kubischen Baukörper, dessen „kühne Glasfront“ das „Innere durch ihren mosaikartigen Aufbau aus Scherben in blaues Licht taucht“ (Kraft/Schmitt 2008, S. 272 f.). Die 2017 in Kirchheim am Neckar eröffnete DITIB-Moschee überrascht mit einem eleganten Kubus. Auffällige architektonische Stilbrüche finden sich regelmäßig an Moscheen, welche in umgenutzten Profanbauten eingerichtet und dann um als typisch erachtete symbolische Formen wie ein Minarett oder eine Kuppel ergänzt wurden.

In einigen wenigen Fällen wurden christliche Kirchbauten in Moscheen umgewidmet (Karte 1), so in Hamburg-Horn, wo ein 1961 eingeweihter evangelischer Kirchenbau mit 44 Meter hohem freistehenden Turm 2018 in das Gebetshaus der arabischen Al-Nur-Gemeinde umgewidmet wurde (Uludag 2019). Andere Umnutzungen wie etwa in Dortmund betreffen neuapostolische Kirchen. Aufgrund des möglichen symbolischen Gehalts solcher Umwidmungen haben sich die katholische Kirche und auch evangelische Landeskirchen gegen die Weiternutzung ihrer Kirchbauten durch nichtchristliche Religionen entschieden. Nichtsdestoweniger unterstützt die katholische Kirche in Deutschland Muslime in ihrem Recht „auf den Bau würdiger Moscheen“ (Deutsche Bischofskonferenz 2009, S. 9).

Verbreitung der Moscheen in Deutschland
In den 2010er-Jahren sind zwar zahlreiche repräsentative Moscheen hinzugekommen, das Grundmuster der räumlichen Verteilung blieb aber gleich (Karte 2; vergl. Schmitt 2011 u. 2002). Die meisten sichtbaren Moscheen befinden sich in den industriell geprägten Ballungszentren Westdeutschlands mit hoher Arbeitsmigration. Sie sind jedoch kein eindeutiges Großstadtphänomen, sondern finden sich auch in Klein- und Mittelstädten. In Erfurt als erster ostdeutscher Stadt (mit Ausnahme Berlins) wurde 2018 der Grundstein für einen kleineren Neubau der Ahmadiyya-Bewegung gelegt.

Stadtbildprägend sind die neuen Moscheen nur in einem eingeschränkten Sinne. Dazu trägt auch ihre oft eher periphere Lage im Stadtraum bei. In ihren Bauvolumina sind sie zumeist deutlich kleiner als die zentralen christlichen Sakralbauten früherer Jahrhunderte oder größere zeitgenössische Profanbauten (Schmitt 2003, S. 84). Ein Teil der Neubauprojekte befindet sich nach wie vor in Gewerbegebieten.

Gesellschaftliche Relevanz und aktuelle Projekte
In architektonisch geglückten Moscheebauten begegnet dem Betrachter die ästhetische Seite islamischer Kultur und Spiritualität. Sie bieten Raum nicht nur für die alltäglichen Gebete, sondern auch für das Feiern der großen Feste und Lebensübergänge, die gemeinschaftsbildend wirken und geeignet sind, das eigene Leben in einen größeren Sinnzusammenhang zu stellen. Moscheebauten bilden zudem eine räumlich-materielle Infrastruktur für den Dialog zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Konflikte um Moscheebauten lassen sich als Anerkennungskonflikte einer bis dahin räumlich nicht angemessen repräsentierten Minderheit deuten. Sie haben zudem fast ausnahmslos eine religionsbezogene Komponente. Unterstützerinnen und Unterstützer von Moscheebauten verweisen u.a. auf das Grundrecht auf freie Religionsausübung, welches auch die Errichtung von Moscheen schützt, sowie auf Modelle interreligiöser Verständigung. Allerdings gilt auch: Mit Verweis auf zentrale islamische Quellentexte lassen sich Gesellschaftsbilder entwerfen, welche mit einer pluralen, liberal verfassten Gesellschaft als nicht kompatibel erscheinen (zur Diskussion vgl. Abdel-Samad/Khorchide 2017). Insofern ist nachvollziehbar, wenn an Bauträger von Moscheen Rückfragen an ihr Gesellschaftsbild gestellt werden. Die katholischen Bischöfe gaben den Protagonisten solcher Konflikte folgenden Rat mit: „Kritik ist erlaubt, Hetze nicht. Auch in besonders kontroversen Debatten muss der Geist eines gedeihlichen Zusammenlebens herrschen“ (Deutsche Bischofskonferenz 2009, S. 11).

In Berlin wurde 2017 auf maßgebliche Initiative der Bürgerrechtlerin Seyran Ateş in einem kleinen Raum einer evangelischen Kirchengemeinde die Ibn Rushd-Goethe-Moschee eingerichtet. Das liberale Moscheeprojekt zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass hier Frauen als Vorbeterinnen vor der Gesamtgemeinde fungieren können und Menschen mit LGBT-Hintergrund (Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender) willkommen sind.

Ebenfalls in Berlin wird mit dem House of One am Standort der mittelalterlichen, zu DDR-Zeiten abgerissenen Petrikirche ein interreligiöses Gotteshaus der sogenannten abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam projektiert. Das House of One umfasst drei separate Gebetsräume (Synagoge, Kirche, Moschee), welche durch einen zentralen Kuppelsaal als Raum der Begegnung verbunden sind. Das Projekt steht damit für die wechselseitige Anerkennung dieser Religionen und damit für ein religiöses Verständnis, welches trotz des Festhaltens an der je eigenen Tradition deren Wahrheitsanspruch auch implizit relativiert.

Abdel-Samad, Hamed u. Mouhanad Khorchide (2017): Ist der Islam noch zu retten? Eine Streitschrift in 95 Thesen. München.

Architekturbüro Paul Böhm (Hrsg.) (o.J.): Zentralmoschee, Islamisches Kulturzentrum, Köln. URL: https://www.boehmarchitektur.de/82-2/
Abrufdatum: 06.08.2019.

Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.) (2009): Moscheebau in Deutschland. Eine Orientierungshilfe der deutschen Bischöfe. Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz v. 25. September 2008. Bonn. URL: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse/2008-050_Anlage_3_Moscheebau.pdf
Abrufdatum: 06.08.2019.

Kraft, Sabine (2002): Islamische Sakralarchitektur in Deutschland. Münster.

Kraft, Sabine u. Thomas Schmitt (2008): Islamische Sakralbauten und Moscheekonflikte in Deutschland. In: Die alte Stadt (3), S. 265–280.

Schmitt, Thomas (2011): Städtebaulich markante Moscheen in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 5 (04.2011) 4 [28.04.2011]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Moscheen.4_04-2011.0.html

Schmitt, Thomas (2003) Moscheen in Deutschland. Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung. Flensburg.

Schmitt, Thomas (2002): Moscheen als stadtbildprägende Elemente. In: Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Band 5 Dörfer und Städte. Heidelberg, Berlin, S. 154-155. URL: http://archiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band5_154-155_archiv.pdf

Uludag, Özgür (2018): Eine Kirche wird zur Moschee. URL: http://pageflow.evangelisch.de/eine-kirche-wird-zur-moschee
Abrufdatum 30.07.2019.

Bildnachweis
DITIB-Zentralmoschee Köln, Foto T. Schmitt

Zitierweise
Schmitt, Thomas u. Jonas Klein (2019): Moscheen – islamische Sakralbauten in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 13 (09.2019) 6 [23.09.2019]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Moscheen.6_09-2019.0.html

PD Dr. Thomas Schmitt
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Institut für Geographie
Wetterkreuz 15
91058 Erlangen
E-Mail: thomas.m.schmitt@fau.de
Tel.: (0 9131) 85-26324

Jonas Klein, B. A.
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Institut für Geographie
Wetterkreuz 15
91058 Erlangen
E-Mail: jonas.jk.klein@fau.de

Städtebaulich markante Moscheen: Die vorliegenden Karten berücksichtigen Moscheen in Deutschland, deren äußere Gestalt (und nicht nur etwa Schilder oder Schriftzüge) eine religiöse oder zumindest sozial-kulturelle Nutzung unmittelbar erkennen lassen. Wie bei allen Klassifizierungen zur sozialen Welt ist die Zuordnung zu „sichtbaren“ oder „sonstigen“ Moscheen und zu architektonischen Merkmalen trotz sorgfältiger Abwägung mit einer gewissen Subjektivität verbunden. Selbstkritisch merken die Autoren an, dass die Karten mit ihrer Fokussierung auf traditionelle bauliche Elemente wie Kuppel und Minarett auch entsprechende Seherwartungen an Moscheen verfestigen könnten.