Woher kommen die deutschen Medaillengewinner? Die Antwort liefern aktuelle Deutschlandkarten, die neben der Erfolgsbilanz einzelner Standorte das komplexe System der staatlichen Spitzensportförderung visualisieren.

Inzwischen sind die 438 deutschen Olympioniken von den Olympischen Spielen 2008 aus Peking zurückgekehrt und in ihren Heimatorten und Vereinen feierlich empfangen worden. Unter ihnen befinden sich 93 Medaillengewinnerinnen und -gewinner (Karte 1). Gemessen an den Erwartungen fiel die Bilanz jedoch ernüchternd aus. Mit insgesamt 41 Medaillen – 16 Gold-, 10 Silber und 15 Bronzemedaillen – erreichte Deutschland Platz fünf hinter China, den USA, Russland und Großbritannien.

Deutsche Erfolge bei Olympischen Spielen
Rückblickend auf die bisherigen Sommerspiele ist ein deutlicher Rückgang deutscher Medaillengewinne seit 1992 (Barcelona) festzustellen (Graphiken 1 u. 2). Einen umfassenden Überblick und Vergleich aller Olympischen Sommer- und Winterspiele seit 1896 verschafft Karte 2. Vor allem bei den Goldmedaillen ist ein starker Einbruch zu verzeichnen. Dieser Trend lässt sich sicherlich auch mit der immer weniger wirkenden Spitzensportförderung aus DDR-Zeiten erklären. Besonders auffällig ist auch der Leistungsrückstand in den so genannten olympischen Kernsportarten Schwimmen und Leichtathletik, in denen in Peking lediglich vier Medaillen bei 81 Entscheidungen errungen wurden.

Wo werden Olympiasieger gemacht?
Neben den Schwerpunktsportarten, die mittlerweile an 20 Olympiastützpunkten (OSP), vier Bundesleistungszentren und zahlreichen Bundesstützpunkten betrieben werden und die sich nach den Olympischen Spielen einer strengen Prüfung der weiteren staatlichen Förderwürdigkeit unterziehen müssen (Glossar), steht erstmals nach Peking auch das vom Bundesinnenministerium (BMI) und Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) finanzierte Fördersystem auf dem Prüfstand und wird zunehmend hinterfragt. Nach der bisherigen Praxis wurden Erfolge mit zusätzlichen Mitteln belohnt, wohingegen Misserfolge erhebliche finanzielle Kürzungen für die jeweiligen Sportarten und entsprechenden Standorte nach sich zogen (Graphik 3). Diese Förderpolitik soll nach Ansicht zahlreicher Experten in Zukunft einer längerfristigen Förderpolitik weichen, die zunehmend auf Projektförderung setzt, um den Abstand von leistungsschwächeren Sportarten zur Weltspitze zu verringern.

Relativ unumstritten ist dagegen das föderale Stützpunktsystem des Spitzensports (Karte 3). Basierend auf einer dezentralen Grundstruktur, die sich an der regionalen Verteilung der jeweiligen Stützpunkte und Zentren ablesen lässt, wird der Spitzensport zusätzlich durch die Sportfördergruppen der Bundeswehr, die Sportschulen der Bundespolizei sowie diverser Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen (Anti-Doping-Labore, Institute für Trainingswissenschaften und Sportgeräteentwicklung etc.) unterstützt. Darüber hinaus gibt es mit den 39 Eliteschulen des Sports, die 1997 in Anlehnung an die erfolgreiche Nachwuchsförderung in der DDR gegründet wurden, ein Verbindungsglied zwischen schulischer Ausbildung, Nachwuchsleistungssport und Hochleistungssport. Lediglich im Bereich der Sichtung junger Talente, d.h. bei der Hinführung von talentierten Sportlerinnen und Sportlern an das Leistungssportsystem, gibt es bundesweit noch keine ausgearbeiteten Strukturen und Institutionen.

Die aktuelle Erfolgsbilanz
Betrachtet man die Vereinsherkunft der deutschen Medaillengewinner, so fällt auf, dass kaum eine regionale Konzentration auszumachen ist (Karte 1). Die Frage, woher kommen bzw. wo trainieren die erfolgreichen Spitzensportler, wird man aber zukünftig immer weniger eindeutig beantworten können! Bei weitergehenden Untersuchungen ist zu beobachten, dass im Zuge der Internationalisierung der Trainingsbedingungen und Trainingsstätten eine zunehmende Vernetzung und Mobilität der Athleten stattfindet, so dass eine lokale Zuordnung von Olympioniken und Medaillen immer schwieriger wird: Einerseits nutzt ein Großteil der Athleten mittlerweile ausländische Trainingsstützpunkte, andererseits trainieren beispielsweise Athleten im Rudern, Radsport und Kanurennsport oftmals ganzjährig an mehreren weit voneinander entfernten Olympiastützpunkten.

Trotz dieser Schwierigkeiten bei der regionalen Zuordnung von Erfolgen ist bei der Betrachtung der aktuellen Medaillen festzustellen, dass die Olympiastützpunkte Rheinland, Potsdam und Berlin besonders erfolgreich waren, während Stuttgart und Tauberbischofsheim (Fechten) keine und Bayern lediglich zwei Erfolge vorweisen können (Karte 4). 18 Jahre nach der Deutschen Einheit ist die Erfolgsbilanz ostdeutscher Spitzensportstandorte zwar ebenfalls rückläufig, aber nach wie vor trainiert eine Vielzahl deutscher Medaillengewinner an ostdeutschen Stützpunkten. Dafür verantwortlich sind sicherlich die gewachsenen Strukturen der dortigen Nachwuchsförderung, qualitativ hochwertige Trainingsbedingungen und langfristige Kooperationen mit Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen.

BUNDESMINISTERIUM DES INNERN (BMI) (Hrsg.) (2008): Sport – Stützpunktsystem. Berlin. URL: http://www.bmi.bund.de/nn_528084/Internet/Content/Themen/Sport/Einzelseiten/Stuetzpunktsystem__Id__19033__de.html
Abrufdatum: 22.08.2008.

BUNDESMINISTERIUM DES INNERN (BMI) (Hrsg.) (2006): 11. Sportbericht der Bundesregierung. Berlin. (Erscheint vierjährl.). Bundestagsdrucksache 16/3750. URL: http://dip.bundestag.de/btd/16/037/1603750.pdf
Abrufdatum: 22.08.2008.

DEUTSCHER OLYMPISCHER SPORTBUND (DOSB) (Hrsg.) (2008):
a) Schwerpunktsportarten und Bundesstützpunkte Wintersport. URL: http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dsb/arbeitsfelder/leistungssport/Materialien/Schwerpktsportarten/BSP_Winter_Schwer_07-05_BL.pdf
b) Schwerpunktsportarten, Bundesstützpunkte und Bundesstützpunkte-Nachwuchs. URL: http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dsb/arbeitsfelder/leistungssport/Materialien/Schwerpktsportarten/BSP_Sommer-07-10-05_OSP.pdf
c) Eliteschulen des Sports [Karte]. URL: http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/arbeitsfelder/leistungssport/EdS/EdS_Landkarte2007.pdf
d) Begrüßungszeremonie für deutsches Team im Olympischen Dorf [05.08.2008]
Abrufdatum: 22.08.2008.

HANEWINKEL, Christian (2005): Sport ohne Grenzen. In: Leibniz-Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Band 11 Deutschland in der Welt. Mithrsg. von Mayr, A. u. J. Stadelbauer. München, S. 132-133.

INTERNATIONAL OLYMPIC COMMITTEE (2005): Olympic Games. Lausanne. URL: www.olympic.org/uk/games/index_uk.asp
Abrufdatum: Januar 2005 u. 22.08.2008.

NATIONALES OLYMPISCHES KOMITEE FÜR DEUTSCHLAND (NOK) (Hrsg.) (2005): Olympiateilnehmer. Abfrage 01/2005. Frankfurt a.M.

SMIGIEL, Christian (2006): Wo werden Olympiasieger gemacht? In: Leibniz-Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Band 12 Leben in Deutschland. Mithrsg. von Heinritz, G., Lentz, S. u. S. Tzschaschel. München, S. 136-137.

STAATLICHE SCHULBERATUNGSSTELLE FÜR NIEDERBAYERN (Hrsg.) (2008): Sportinternate in der Bundesrepublik Deutschland. Landshut. URL: www.sbndb.de/web-content/adressen/sportinternate.pdf
Abrufdatum: 22.08.2008.

THE BEIJING ORGANIZING COMMITTEE FOR THE GAMES OF THE XXIX OLYMPIAD (2008): Pictograms of the Beijing 2008 Olympic Games. URL: http://en.beijing2008.cn/spirit/beijing2008/graphic/pictograms
Abrufdatum: 22.08.2008.

WIKIPEDIA, DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE (Hrsg.) (2008): Olympische Sommerspiele 2008: Teilnehmer (Deutschland). URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sommerspiele_2008/Teilnehmer_(Deutschland
Abrufdatum 22.08.2008.

Bildnachweis:
Olympiasieger Matthias Steiner (Superschwergewicht) bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 in Aktion.
IronMind: © Randall J. Strossen.
Das Bild wurde freundlicherweise vom Bundesverband Deutscher Gewichtheber http://www.bvdg-online.de zur Verfügung gestellt.

Zitierweise
Hanewinkel, Christian u. Christian Smigiel (2008): Olympische Spiele 2008: Woher kommen die deutschen Medaillengewinner? In: Nationalatlas aktuell 2 (09.2008) 10 [26.09.2008]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Olympische-Spiele-2008.10_09-20080.0.html

Dipl.-Geogr. Christian Hanewinkel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
Tel. (0341) 600 55 150
E-Mail: c_hanewinkel@leibniz-ifl.de

Dipl.-Geogr. Christian Smigiel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig

Olympiastützpunkte (OSP), Bundesstützpunkte, Bundesleistungszentren (BLZ), Schwerpunktsportarten der OSP und Sportarten der BLZ

Die Förderung des Hochleistungssports basiert auf einem verzweigten Stützpunktsystem, welches sich in Olympiastützpunkte, Bundesstützpunkte und Bundesleistungszentren aufgliedert. Dieses System wird in einem vierjährigen Rhythmus einer Prüfung unterzogen, d.h. Finanzmittel für die einzelnen Stützpunkte werden neu zugeteilt, die Spitzensportverbände werden anhand ihrer Leistungen bei den vorangegangenen Olympischen Spiele bewertet, und Schwerpunktsportarten werden in Förderkategorien eingestuft.

Die 20 Olympiastützpunkte (OSP) fungieren hierbei als die zentralen sportartübergreifenden Standorte des Spitzensports in Deutschland. Sie sind ferner umfassende Dienstleistungseinrichtungen, an denen sportmedizinische, physiotherapeutische, trainingswissenschaftliche und soziale Betreuung und Beratung für Spitzensportlerinnen und -sportler sowie für erfolgversprechende Nachwuchsathletinnen und -athleten bereitgestellt werden. Des Weiteren nehmen sie die regionale sportartübergreifende Koordination und Steuerung der Leistungssportentwicklung in den Schwerpunktsportarten (s.u.) wahr.

Bundesstützpunkte sind regional verankerte Trainingeinrichtungen der jeweiligen Sportfachverbände (z.B. Judo, Rudern, Leichathletik etc.), die ein disziplinspezifisches Training von Spitzensportlerinnen und -sportlern und Nachwuchsathletinnen und -athleten gewährleisten sollen.

Die vier Bundesleistungszentren (BLZ) haben hingegen keine regionale Verankerung. Vielmehr sind sie zentrale Trainings- und Lehrgangsstätten, die von den jeweiligen Sportfachverbänden zu speziellen Trainingsmaßnahmen oder Lehrgängen genutzt werden können (s.u.).

Schwerpunktsportarten im Einzugsbereich der 20 OSP 2008

Bayern
Baseball, Basketball, Bob- u. Schlittensport, Curling, Eishockey, Eisschnelllauf, Judo, Kanuslalom, Leichtathletik, Mountainbike, Reitsport (Dressur/Springen), Ringen, Ski alpin, Ski nordisch, Sportschießen, Taekwondo, Tennis
Berlin
Basketball (Männer), Bogenschießen, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf, Gewichtheben, Hockey (Frauen), Judo, Kanurennsport, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Radsport (Bahn/Straße), Rudern, Schwimmen, Segeln, Turnen, Volleyball/Beachvolleyball, Wasserball (Männer), Wasserspringen
Chemnitz/Dresden
Basketball (Frauen), Biathlon, Bob- u. Schlittensport, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf, Gewichtheben, Leichtathletik, Rudern, Short-Track, Ski nordisch, Turnen (Männer), Volleyball (Frauen), Wasserspringen
Cottbus/Frankfurt (Oder)
Boxen, Gewichtheben, Judo, Radsport (Bahn/Straße), Ringen, Sportschießen, Turnen (Männer)
Freiburg-Schwarzwald
Biathlon, Curling, Mountainbike, Ringen, Rudern, Ski nordisch, Volleyball (Männer)
Hamburg/Schleswig-Holstein
Hockey (Männer/Frauen), Rudern, Schwimmen, Segeln, Softball, Beachvolleyball
Hessen
Basketball (Männer), Hockey (Männer/Frauen), Leichtathletik, Ringen, Schwimmen, Sportschießen, Tischtennis, Volleyball (Männer).
Leipzig
Handball (Frauen), Hockey (Frauen), Judo, Kanurennsport, Kanuslalom, Leichtathletik, Schwimmen, Turnen, Wasserspringen
Magdeburg/Halle
Basketball (Frauen), Boxen, Handball (Männer), Kanurennsport, Leichtathletik, Rudern, Rhythmische Sportgymnastik, Schwimmen, Turnen (Männer), Wasserspringen
Mecklenburg-Vorpommern
Boxen, Kanurennsport, Leichtathletik, Rudern, Segeln, Short-Track, Triathlon, Volleyball (Frauen), Wasserspringen
Niedersachsen
Boxen, Hockey (Frauen), Judo, Leichtathletik, Reitsport (Dressur, Springreiten/Vielseitigkeit), Schwimmen, Sportschießen, Tennis, Trampolinturnen, Turnen (Männer), Wasserball (Männer)
Potsdam
Fußball (Frauen), Kanurennsport, Leichtathletik, Rudern, Schwimmen, Triathlon
Rheinland
Baseball/Softball, Basketball (Männer), Boxen, Fechten, Hockey (Frauen), Judo, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Turnen (Frauen), Wasserspringen
Rheinland-Pfalz/Saarland
Baseball, Fechten, Leichathletik, Ringen, Rudern, Tischtennis, Trampolinturnen, Triathlon
Rhein-Neckar
Basketball (Frauen), Boxen, Eiskunstlauf, Eishockey, Gewichtheben, Handball (Männer), Kanurennsport, Leichtathletik, Ringen, Schwimmen, Tischtennis, Tennis, Volleyball (Frauen)
Rhein-Ruhr
Badminton, Basketball (Frauen), Eisschnelllauf, Handball, Hockey (Männer), Kanurennsport, Schwimmen, Taekwondo, Tischtennis, Wasserball (Männer)
Stuttgart
Basketball (Männer), Judo, Leichtathletik, Radsport (Bahn/Straße), Rhythmische Sportgymnastik, Segeln, Sportschießen, Taekwondo, Tennis, Trampolinturnen, Triathlon, Turnen, Wasserball (Männer)
Tauberbischofsheim
Fechten
Thüringen
Biathlon, Bob- u. Schlittensport, Eisschnelllauf, Gewichtheben, Leichtathletik, Radsport (Bahn/Straße), Ringen, Sportschießen
Westfalen
Biathlon, Bob- u. Schlittensport, Kanuslalom, Leichtathletik, Reiten, Rhythmische Sportgymnastik, Reitsport (Dressur, Springreiten/Vielseitigkeit), Ringen, Rudern, Schwimmen, Ski nordisch, Sportschießen, Wasserball (Frauen)

Sportarten/Disziplinen der vier BLZ 2008

Duisburg
Kanurennsport
Hennef
Boxen, Ringen
Kienbaum
Badminton, Basketball, Boxen, Fußball, Gewichtheben, Handball, Judo, Kanu, Leichtathletik, Radsport, Rhytmische Sportgymnastik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Turnen, Volleyball
Warendorf
Reiten