Der Seeadler Haliaeetus albicilla ist mit einer Flügelspanne von 2,50 m der größte Greifvogel Europas. Um 1900 in Europa fast ausgerottet, existieren in Deutschland heute wieder mehr als 570 Paare. Jedes Jahr im Februar beginnen bereits die ersten Seeadlerpaare mit der Brut. Die Karte zeigt ihre aktuelle Verbreitung und Dichte.

Um 1850 begann in Deutschland die Verfolgung als „schädlich“ angesehener Vogelarten. Besonders Raubvögel, zu denen man die Seeadler zählte, wurden damals als Konkurrenten des Menschen betrachtet und vernichtet. Heutzutage ist es unverständlich, dass auch „Tiervater“ Alfred Edmund Brehm (1829-1884) diese Verfolgung unterstützte. Um 1900 waren Seeadler in Deutschland und in weiteren Ländern Europas größtenteils ausgerottet. Zu jener Zeit bildete sich der Heimat- und Naturschutzgedanke heraus. So ergriffen in Norddeutschland besorgte Förster die Initiative und schützten in ihren Revieren die letzten Seeadlerpaare. Langsam vergrößerte sich ihr Bestand. Als 1934 mit dem Reichsjagdgesetz alle Adler in Deutschland unter gesetzlichen Schutz gestellt wurden, war er bereits auf etwa 75 Paare angewachsen und nahm weiter zu.

In den 1950er bis 1970er Jahren mussten wiederholt und zunehmend erfolglose Bruten festgestellt werden. Anfänglich wurden Störungen durch forstliche Arbeiten, Ornithologen und Fotografen für das Dilemma verantwortlich gemacht. Nach 1960 setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan; Glossar) die Brutausfälle verursachte. Das Gift, das sich über die Nahrungskette in den Seeadlern anreicherte, störte den Kalkstoffwechsel und führte zu dünnen Eierschalen. Bei der Brut zerbrachen die Eier. Anfang 1970 wurde die DDT-Anwendung in beiden deutschen Staaten und weiteren Ländern Ost- und Westeuropas verboten. Bereits Ende der 1970er Jahre nahmen die Bruterfolge wieder zu, und 1980 begann erneut ein Bestandsanstieg, der noch immer anhält (Graphik 1). Seitdem sind von den Seeadlern in Deutschland über 400 neue Brutplätze angelegt worden. Im Jahr 2007 umfasste ihr Bestand mehr als 570 Paare. Davon beherbergt Mecklenburg-Vorpommern fast die Hälfte, gefolgt von Brandenburg mit einem knappen Viertel. Weitere Länder mit Seeadlerpopulationen sind nach der Anzahl der Brutplätze: Sachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bayern, Thüringen und Berlin (Karte 2). Wegen der anhaltenden Zunahme ist davon auszugehen, dass auch der Südwesten Deutschlands demnächst wieder besiedelt wird.

Seit über zehn Jahren liegt der Bruterfolg im Mittel bei 64%, bei Großvogelarten ein durchaus normaler Wert. Seeadler haben durchschnittlich 1,5 Junge. Die Hälfte aller Paare hat ein Junges, die andere Hälfte zwei Junge. Ganz selten gibt es drei Junge. Die Brutzeit beträgt 38 Tage. Die ersten Paare beginnen bereits um den 20. Februar mit der Brut, egal ob es stürmt, friert oder schneit. Gegen Ende März haben alle Paare mit der Brut begonnen. Die Aufzucht der jungen Seeadler dauert bis zu ihrem Ausfliegen 11 bis 12 Wochen. Die Jungen verbleiben danach nur wenige Monate unter der Obhut der Eltern, in der sie die Techniken des Beutefangs erlernen; Fische und Wasservögel sind ihre hauptsächliche Nahrung. Totes Getier, also Aas, ist immer willkommen. Es ist Nahrung, die keine Anstrengung erfordert — Seeadler sind Opportunisten. Gegen Ende des Jahres werden die Jungen, oftmals recht gewaltsam, aus dem Familienverband entlassen. Für das Paar beginnt eine neue Balz und mit dem Herrichten und Ausbessern des Horstes die Vorbereitung für die neue Brut.

Die Brutplätze der Seeadler, wie auch weiterer Großvögel, erfahren seit über 50 Jahren besonderen Schutz durch Horstschutzzonen. Im Radius von 100 m um die Horstbäume sind die engeren Brutgebiete streng geschützt. Während der Brutzeit sind forstliche Arbeiten, Jagd und sämtliche Störungen im Radius von 300 m um den Horst vorübergehend verboten. Dieser Horstschutz ist für Großvögel von existenzieller Bedeutung und inzwischen in vielen Ländern eine Maßnahme, die auch anderen Arten zugute kommt.

Die Verbreitungs- und Dichtekarte (Karte 1) zeigt die gegenwärtige Besiedelung und lässt deutliche regionale Schwerpunkte erkennen. Hier wird die Beziehung zur Nahrung und zum Namen der Seeadler, also zu Gewässern, deutlich. Im Norden sind es die Mecklenburgische Seenplatte und der Raum um die Insel Usedom, im Südosten die ausgedehnten Fischteiche der Oberlausitz, die eine dichte Besiedelung ermöglichen.

Es gilt als sicher, dass es in den letzten beiden Jahrhunderten niemals so viele Seeadler in Deutschland gab wie gegenwärtig. Die in den eutrophierten Gewässern (Glossar) reichlich vorhandene Nahrung sowie strenge Schutzmaßnahmen sind wesentliche Gründe für die erfreuliche Rückkehr der Seeadler.

DACHVERBAND DEUTSCHER AVIFAUNISTEN (DDA) (Hrsg.) (2007):
Hintergrund und Vorgeschichte des ADEBAR-Projektes. [Zum Projekt Atlas Deutscher Brutvogelarten].
URL: www.dda-web.de/index.php
Abrufdatum: 05.12.2007.

GEDEON, Kai; MITSCHKE, Alexander u. Christoph SUDFELDT (2004): Atlas Deutscher Brutvogelarten – Dessauer Tagung gab Startschuss für 2005. In: Vogelwelt 125, S. 123–135.

HANSEN, Günter; HAUFF, Peter u. Wolf SPILLNER (2004): Seeadler gestern und heute. Galenbeck, Neubrandenburg.

HAUFF, Peter (2007): Seeadler besiedeln die Niederlande. In: Der Falke 54, S. 104-107.

HAUFF, Peter (2007): Zur Bestandsentwicklung des Seeadlers. In: Hauff, P., Hoyer, E. u. W. Spillner: Adlerland Mecklenburg-Vorpommern [Begleitbroschüre zur Ausstellung „Adlerland Mecklenburg-Vorpommern – Fotographie als Spiegelbild“]. Herausgegeben vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, S. 33-39.

HAUFF, Peter u. Tadeusz MIZERA (2006): Verbreitung und Dichte des Seeadlers Haliaeetus albicilla in Deutschland und Polen: eine aktuelle Atlas-Karte. In: Vogelwarte 44, S. 134-136.

LINGENHÖHL, Daniel (2003): Die Rückkehr verdrängter Tierarten. In: Leibniz-Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Bd. 3: Klima, Pflanzen- und Tierwelt. Mithrsg. von Kappas, M., Menz, G., Richter, M. u. U. Treter. Heidelberg, Berlin, S. 142-143.

MINISTERIUM FÜR LÄNDLICHE ENTWICKLUNG, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ DES LANDES BRANDENBURG (Hrsg.) (2005): Artenschutzprogramm Adler. Potsdam.
URL: www.mluv.brandenburg.de/cms/media.php/2338/adler.pdf
Abrufdatum: 05.12.2007.

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URL: www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/pdf_neu/In_Deutschland_ausgestorbene_Arten_06_09.pdf
Abrufdatum: 05.12.2007.

Bildnachweis: Peter Hauff

Zitierweise
Hauff, Peter (2008): Seeadler erobert weiteres Terrain. In: Nationalatlas aktuell 2 (01.2008) 1 [17.01.2008]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Seeadler.1_01-2008.0.html

Peter Hauff, Ornithologe
Lindenallee 5
19073 Neu Wandrum
Tel. (0385) 6470389
Email: Peter.Hauff@t-online.de

DDT, Eutrophierung

Das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan, kurz DDT, wurde in Deutschland seit Mitte der 1940er Jahre großflächig in der Land- und Forstwirtschaft zum Pflanzenschutz eingesetzt. Seit Anfang der 1970er Jahre ist die Verwendung und Herstellung von DDT aufgrund gesundheitlicher Folgeschäden für den Menschen in Deutschland und weiteren Ländern Europas verboten. DDT reichert sich aufgrund seiner chemischen Stabilität im menschlichen und tierischen Gewebe, insbesondere Fetten, an. Besonders betroffen sind Tiere am Ende der Nahrungskette. Direkte Folge sind beispielsweise zu dünne Schalen bei Greifvögeln, was zum Zerbrechen der Eier und erheblichen Brutausfällen führte.

Eutrophierung bezeichnet den Prozess der Anreicherung pflanzlicher Nährstoffe in Gewässern. Dieser Prozess wird besonders durch die Nährstoffeinträge von Phosphaten und Stickstoffverbindungen begünstigt, die aus Haushalten und aus der Landwirtschaft stammen. In leicht fließenden und in stehenden Gewässern wie Seen bewirkt dies ein verstärktes Algenwachstum sowie – in Folge des erhöhten Nahrungsangebots – einen Anstieg der Fischpopulation. Davon profitiert auch der Seeadler. Allerdings vermehren sich gleichzeitig auch die Kleinstorganismen im Gewässer (Zooplankton), was wiederum einen verstärkten Sauerstoffverbrauch mit sich bringt. Bei einer massiven Sauerstoffreduktion endet dieser Prozess bisweilen mit einem massenhaften Fischsterben.