Die astronomischen Grundlagen
Die Erde umrundet die Sonne im Lauf des Jahres auf einer elliptischen Bahn. Ihre Rotationsachse ist zu einer gedachten Senkrechten auf dieser Bahnebene (Ekliptik) zurzeit um ca. 23,5 Grad geneigt. Hervorgerufen wird diese Neigung durch die gegenüber der Kugelgestalt nicht ganz ideale Massenverteilung der an den Polen abgeplatteten Erde und durch die wechselnden Anziehungskräfte von Sonne, Mond und den anderen Planeten, die bei der Erde Ausgleichsbewegungen auslösen. Es kommt zu einer sehr langsamen taumelnden Bewegung der Rotationsachse auf einer elliptischen Bahn, wobei ein Umlauf der Achse ca. 25.800 Jahre dauert. Der Neigungswinkel, auch Schiefe der Ekliptik genannt, führt dazu, dass die im Zenit stehende Sonne im Lauf eines Jahres zwischen 23,5 Grad nördlicher Breite (nördlicher Wendekreis am 20./21. Juni) und 23,5 Grad südlicher Breite (südlicher Wendekreis am 21./22. Dezember) hin- und herwandert. Die ständige Veränderung des Einstrahlungswinkels des Sonnenlichts führt zu den Jahreszeiten mit ihren unterschiedlichen Tageslängen in unseren Breiten (Grafik 1).
Zeitmessung
Die Zeit, die die Erde für eine Umdrehung benötigt, ist als ein Tag definiert. Den Tag haben die Babylonier um 2000 v. Chr. in zwei mal zwölf Zeiteinheiten eingeteilt. Dabei ergibt sich die Zahl zwölf aus der Anzahl ihrer Götter, und das jeweils für den Tag und für die Nacht. Daraus folgt, dass eine Erdumdrehung 24 Zeiteinheiten (Stunden) dauert bzw. eine Stunde oder Zeitzone einer geographischen Länge von 360 Grad geteilt durch 24 Stunden gleich 15 Grad entspricht. Für die jeweilige Zeitzone ist dann die mittlere Ortszeit festgelegt. Die Nulllinie (Nullmeridian) des Gradnetzes und damit auch des Zeitsystems verläuft durch Greenwich (London, England). Für den Nullmeridian bzw. die entsprechende Zeitzone ist die Greenwich Meridian Time (GMT) vereinbart, für Deutschland die Mitteleuropäische Zeit (MEZ), die der GMT um eine Stunde vorangeht. Allerdings gilt aufgrund politischer Festlegung in Europa zwischen dem letzten Sonntag im März und dem letzten Sonntag im Oktober die Sommerzeit; für Deutschland bedeutet dies die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ), die der GMT um zwei Stunden vorangeht. Der Bezugsmeridian für die MEZ und MESZ liegt 15 Grad östlich des Nullmeridians. Als es noch keine Atomuhren gab, wurde die Zeit für Deutschland in Görlitz bestimmt, das genau auf dem Bezugsmeridian liegt, d.h. für Görlitz sind die dem Sonnenstand entsprechende wahre Ortszeit und die mittlere Ortszeit identisch. Für Aachen liegt die wahre Ortszeit dagegen fast 36 Minuten vor der mittleren Ortszeit.
Räumliche Auswirkungen
Da sich die Erde in östliche Richtung dreht, geht die Sonne im Osten auf. Steht die Sonne im Bereich der nördlichen Halbkugel im Zenit, bekommt diese Halbkugel mehr Licht. Der Sonnenaufgang verschiebt sich Richtung Norden, bis er zum Sommeranfang um 23,5 Grad gegenüber der Ostrichtung verschoben ist. Für Deutschland bedeutet das (Grafik 1), dass die Sonne am 21. Juni am nordöstlichsten Punkt auf der Insel Rügen zuerst aufgeht: um 4:30 Uhr. Erst 1 Stunde und 3 Minuten später, um 5:33 Uhr, geht sie dann im äußersten Südwesten über Weil am Rhein auf. Für den Sonnenuntergang im Sommer ergibt sich ein ähnliches Bild (Karte 1). Die letzten Sonnenstrahlen erreichen um 22:08 Uhr im äußersten Nordwesten die Nordwestspitze von Sylt. Über dem Berchtesgadener Land setzt die Dämmerung schon eine gute Stunde früher ein.
Die umgekehrte Situation findet sich im hiesigen Winterhalbjahr. Die Sonne steht dann südlich des Äquators im Zenit, und der Sonnenaufgang wandert Richtung Süden, bis er zum Winteranfang um 23,5 Grad gegenüber der Ostrichtung verschoben ist. Für Deutschland bedeutet das, dass die Sonne am 21. Dezember am südöstlichsten Punkt über dem Berchtesgadener Land zuerst aufgeht. Zuletzt geht sie über dem südlichen Baden unter. Die Zeitspanne für den Sonnenaufgang über Deutschland liegt zwischen 7:54 Uhr und 8:50 Uhr und für den Untergang zwischen 15:41 Uhr und 16:39 Uhr.
Grafik 1 zeigt beispielhaft für Leipzig, das – nach der Nord-Süd-Ausdehnung betrachtet – ungefähr in der Mitte von Deutschland liegt, die Sonnenauf- und -untergangszeiten für ein ganzes Jahr. Alle dargestellten Zeiten beziehen sich auf den mathematischen Horizont in Meereshöhe bei Standardbedingungen. Sie gelten nur für das Jahr 2021, die Variationen für andere Jahre liegen in einem Bereich von etwa 15 Sekunden.
Für die extremsten Tageslängen (Grafik 1) spielt die Eigenrotation der Erde keine Rolle, sondern nur der Stand der Sonne im Zenit in Verbindung mit der Schiefe der Ekliptik. Somit liegen die Orte mit den längsten und den kürzesten Tageslängen im Norden und Süden von Deutschland. Der nördlichste Ort List hat zum Sommeranfang den längsten und zum Winteranfang den kürzesten Tag aller Orte in Deutschland, dagegen hat der südlichste Ort Oberstdorf zum Sommeranfang den kürzesten und zum Winteranfang den längsten Tag in Deutschland. Mit einer Tageslänge von 17:19 Stunden ist der Tag zum Sommeranfang in List um 1 Stunde und 24 Minuten länger als in Oberstdorf. Zum Winteranfang ist der Tag in Oberstdorf 1 Stunde und 17 Minuten länger als in List, wobei die maximale Tageslänge mit 8 Stunden und 25 Minuten nur ungefähr die Hälfte des Maximums im Sommer ausmacht.