Nationale Wasserstoffstrategie
Nach der Verabschiedung der deutschen Wasserstoffstrategie im Jahr 2020 stellte die Bundesregierung über 10 Milliarden Euro Subventionen für die Entwicklung von Wasserstoffprojekten in ganz Deutschland bereit (Walker 2024). Die Wasserstoffbranche soll Beiträge zu Innovation, Wirtschaftswachstum und zur Energiewende leisten, was sie bisher jedoch nicht schafft. Geplante Projekte werden abgesagt, Prognosen zur Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit von grünem Wasserstoff (Glossar) mit fossilen Alternativen verschlechtern sich und Investoren ziehen sich zurück (IEA 2024). Zuletzt prognostizierte eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität Köln, dass in Deutschland trotz aller politischer Bemühungen eine Finanzierungslücke zwischen zwei und zehn Milliarden Euro besteht, um die für 2030 gesetzten Ziele der deutschen Wasserstoffstrategie zu erreichen (EWI 2024).
Doch es gibt auch vereinzelt positive Nachrichten: Eine Handvoll Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab befinden sich im Bau. Im Oktober 2024 genehmigte die Bundesregierung zudem den Entwurf zur Entwicklung des deutschen Wasserstoffkernnetzes – ein Pipelinenetz, das bis 2032 errichtet werden und große Wasserstofferzeuger und Abnehmer miteinander verbinden soll (Karte 1).
Standortvorteile in Norddeutschland
Grüner Wasserstoff wird zukünftig vor allem in Norddeutschland produziert, wo die Potenziale zur Erzeugung von (Offshore-)Windenergie auf eine im Vergleich zu Süddeutschland geringere Energienachfrage treffen (Karte 1). Zudem kann Strom aufgrund von Stromnetzengpässen nicht von Nord- nach Süddeutschland transportiert werden (Walker & Klagge 2024). Kleinere Elektrolyseure (Glossar) sind hingegen in ganz Deutschland in Planung, deren mittel- bis langfristige Wettbewerbsfähigkeit mit größeren Elektrolyseuren allerdings fraglich ist. Daneben fördert die Bundesregierung auch Projekte zur Produktion von Wasserstoffderivaten wie Ammoniak, Methanol und synthetischen Kraftstoffen (sogenannte eFuels) im Ausland, welche über die Nord- und Ostseehäfen importiert werden sollen (Kalvelage & Walker 2024). Solche exportorientierten Projekte brauchen allerdings Jahre, um geplant und gebaut zu werden, sodass ihre Inbetriebnahme vor 2030 unwahrscheinlich ist.
Nachhaltige Alternative
Bis grüner Wasserstoff eine wirtschaftliche Alternative darstellt, wird noch mindestens eine Dekade vergehen. Bisher wird Wasserstoff vor allem stofflich als Ressource zur Produktion von Ammoniak für Düngemittel sowie zur Produktion von Kraftstoffen genutzt. Dafür wird sogenannter grauer Wasserstoff (Glossar) aus Erdgas produziert, wobei CO₂-Emissionen entstehen. Zunächst gilt es demnach, diesen grauen Wasserstoff durch grünen zu ersetzen.
Darüber hinaus wird auch diskutiert, grünen Wasserstoff energetisch zu nutzen und damit fossile Energieträger in Industrie, Mobilität und Wärmeerzeugung einzusparen (Grafik 1). Grüner Wasserstoff müsste also fossile Energieträger wie Erdgas oder Benzin ersetzen, welche noch günstiger sind als grauer Wasserstoff (Glossar). Um diese fossilen Energieträger zu ersetzen, müsste grüner Wasserstoff folglich noch günstiger werden als er ohnehin schon werden muss, um grauen Wasserstoff wirtschaftlich ersetzen zu können. Grüner Wasserstoff wird allerdings absehbar nicht günstiger werden als Benzin oder Erdgas. Deshalb wird zunehmend deutlich, dass grüner Wasserstoff nur in Fällen zum Einsatz kommt, in denen erneuerbarer Strom nicht direkt genutzt werden kann, wie zum Beispiel in der Produktion von Stahl oder Chemikalien (Karte 2). Darüber hinaus stellen Wasserstoffderivate in der Schiff- und Luftfahrt absehbar die einzigen Alternativen zu fossilen Energieträgern dar.
Ausgleich von schwankendem Strombedarf
Schließlich soll grüner Wasserstoff auch als Energiespeicher genutzt werden, um die schwankende Stromerzeugung erneuerbarer Energien saisonal auszugleichen. Denn in Deutschland wird im Winter für die Wärmeerzeugung sehr viel mehr Energie benötigt als im Sommer, während gleichzeitig weniger Solarenergie erzeugt wird. Deshalb sind heute große Projekte zur Speicherung von Wasserstoff in Kavernen geplant, wo in der Vergangenheit unterirdisch auch Erdgas gelagert wurde. Das Problem der sogenannten Dunkelflaute – also von Wochen, in denen zur Stromgewinnung weder der Wind weht noch die Sonne scheint – könnte mithilfe von Wasserstoff folglich gelöst und damit eine vollständige Dekarbonisierung (Reduzierung von CO₂-Emissionen) der Stromerzeugung ermöglicht werden.
Finanzpolitische Gesichtspunkte
Um die Kosten von Wasserstoff(-technologien) zu senken, sind Innovationen notwendig, die die Bundesregierung mit der Gründung einer ganzen Reihe neuer Forschungsinstitute unterstützt (Karte 1). Dennoch wird die Nutzung von Wasserstoff(-derivaten), beispielsweise in der Luftfahrt, sogar langfristig zu höheren Kosten führen, was sich in Preissteigerungen widerspiegeln wird. Vergleichbares gilt auch für die Düngemittelproduktion, deren höhere Kosten sich schließlich auch auf die Nahrungsmittelpreise auswirken. Letztendlich wird die zunehmende Nutzung von grünem Wasserstoff zu einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten privater Haushalte führen. Derlei Kostensteigerungen vertiefen soziale Ungleichheiten und gefährden die Legitimität der Klimapolitik, weshalb sie sozialpolitisch ausgeglichen werden sollten. Eine alternative Strategie wäre, dass der Staat Kostensteigerungen mithilfe von Subventionen auffängt und gegebenenfalls über neue Staatsschulden refinanziert. Diese Möglichkeit ist der deutschen Bundesregierung allerdings aufgrund der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse verwehrt.
Besonders brisant ist, dass der Transport von Wasserstoff und Ammoniak auch langfristig teurer sein wird als der Transport fossiler Energie. Synthetische Kraftstoffe und Methanol weisen zwar eine höhere Energiedichte auf und sind damit kostengünstiger zu transportieren, bestehen aber aus Kohlenstoffen, die um nachhaltig zu sein, kostenintensiv aus der Luft oder Biomasse gewonnen werden müssen. Deshalb wird schon heute diskutiert, inwiefern Teile der energieintensiven Industrie ins Ausland abwandern werden, wo sie bessere Bedingungen zur Produktion von grünem Strom und grünem Wasserstoff vorfinden (Verpoort/Gast/Hofmann & Ueckerdt 2024).
Resümee
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die noch vor einigen Jahren bestehende Euphorie um grünen Wasserstoff mittlerweile verflogen ist. Deshalb ist eine Konsolidierung innerhalb der Wasserstoffbranche sowie eine Überprüfung der politischen Ziele absehbar. In Anbetracht der sich zunehmend verschärfenden Klimakatastrophe sollte die Revision jedoch nicht damit einhergehen, das Niveau der klimapolitischen Ambitionen zu reduzieren.