Verbraucher verbinden mit regionalen Produkten häufig positive Eigenschaften wie Qualität, Tradition und Authentizität. Zum Schutz regionaler Lebensmittel, Weine und alkoholischer Getränke hat die Europäische Union Gütesiegel eingeführt. Auch in Deutschland sind viele Weine und Spirituosen geschützt. Für die Hersteller rechnet sich die Zertifizierung: Ihre Produkte mit geschützten geographischen Herkunftsangaben erzielen deutlich höhere Preise als vergleichbare Erzeugnisse ohne Zertifikat.

Das System der geschützten Herkunftsbezeichnungen der Europäischen Union drückt sich in zwei Gütesiegeln aus: „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g. U.) und „geschützte geographische Angabe“ (g. g. A.). Die Siegel garantieren dem Verbraucher, dass ein regionales Produkt nach Traditionen und Verfahrensweisen der Herkunftsregion hergestellt wurde. Den Produzenten gewähreistet die Registrierung einen Schutz gegen widerrechtliche Aneignung oder Nachahmung (Ermann 2015).

Schutz des kulinarischen Erbes der Regionen
Aktuell haben 1608 Weine und 242 Spirituosen eine geschützte Herkunftsbezeichnung (Stand April 2020). Allein in Italien gibt es 524 und in Frankreich 435 Zertifizierungen von Wein (Karte  2). In Deutschland sind die geographischen Angaben dagegen weniger stark differenziert. Hier wurden zunächst nur die 13 deutschen Anbaugebiete für Qualitätswein mit dem Gütezeichen „geschützte Ursprungsbezeichnung“ ausgezeichnet (Burdack 2016). Die 26 deutschen Landwein-Gebiete erhielten von der EU das weniger anspruchsvolle Siegel „geschützte geographische Angabe“ (Karte  1). Die Anzahl der geographischen Angaben lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Bedeutung zu. So entfallen in Deutschland auf Wein mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“ rund 99 Prozent der Wertschöpfung (2017: 3,2 Mrd. Euro), während die Landweine (g. g. A.) nur etwa ein Prozent dazu beisteuern (39 Mio. Euro) (Europäische Kommission 2020, S. 76).

Verstärkt streben in den letzten Jahren Winzerinnen und Winzer für kleinere Einzellagen eine gesonderte Zertifizierung als g. U. innerhalb der bestehenden Qualitätsweinbaugebiete an. Das gilt z. B. für „Bürgstadter Berg“ in Franken oder „Monzinger Niederberg“ an der Nahe. Die Zahl der Weine mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“ hat sich dadurch auf 19 erhöht. Weitere Anträge sind in Bearbeitung.

In Deutschland tragen 33 Spirituosen das Siegel „geschützte geographische Angabe“. Vor allem handelt es sich dabei um Obstbrände (7) und Kornbrände (6) sowie Liköre (6). Bei den Obstbränden ist eine regionale Konzentration im südwestlichen Deutschland erkennbar, mit Schwerpunkten im Schwarzwald und in Franken (Karte  1). Für die Anerkennung als g. g. A. muss bei diesen Bränden das verwendete Obst aus der Region stammen. Die Herstellung (Gärung, Maischelagerung, Destillation, Reifung) muss ebenfalls im ausgewiesenen Gebiet erfolgen. Die Fertigstellung (Herabsetzung auf Trinkstärke, Abfüllen, Verpacken usw.) kann jedoch auch außerhalb der Region vorgenommen werden. Häufig stammt das verwendete Obst von Streuobstwiesen, die als ökologisch wertvoll gelten. Das Obst der Streuobstwiesen entspricht oft nicht den optischen Ansprüchen des Lebensmittelhandels. Die Verarbeitung zu Obstbränden bietet hier eine Vermarktungsalternative und unterstützt damit auch den Erhalt der historischen Kulturlandschaft.

Kornbrände konzentrieren sich regional in Nordwestdeutschland mit Schwerpunkten im Emsland und im Münsterland. Während für die Bezeichnung „Deutscher Korn/Kornbrand“ die Herkunft des Getreides nicht vorgeschrieben ist, muss es für die Verwendung einer regionalen Angabe, also z. B. „Hasetaler Korn/Kornbrand“ oder „Emsländer Korn/Kornbrand“, aus dem jeweiligen Gebiet stammen. Die Anforderungen an die „Regionalität“ der zertifizierten Spirituosen sind im Einzelnen also durchaus unterschiedlich. Die Zutaten für „Hüttentee“ (u. a. Tee, Rum, Ethylalkohol, Zucker) dürfen beispielsweise alle aus dem Ausland kommen.

Wirtschaftlicher Vorteil durch Zertifizierung
Im Jahr 2017 betrug der Verkaufswert (sales value) europäischer Weine mit geschützter Herkunftsangabe 39,42 Mrd. Euro und der von geschützten Spirituosen 10,35 Mrd. Euro (Europäische Kommission 2020, S. 2) (Karte  3). Mit einem Wert von rund 3,2 Mrd. Euro gehört Deutschland zu den großen Weinproduzenten in Europa. Deutsche Winzerinnen und Winzer liegen auf Platz vier hinter Frankreich (19,4 Mrd. Euro), Italien (8,6 Mrd. Euro) und Spanien (4,5 Mrd. Euro). Bei den Spirituosen belegt Deutschland mit 138 Mio. Euro den siebenten Platz. Aufgrund des schottischen Whiskys ist hier das Vereinigte Königreich (4,8 Mrd. Euro) führend vor Frankreich (3,5 Mrd. Euro) und Irland (1,0 Mrd. Euro). Der Verkaufswert von Wein und Spirituosen mit geschützter Herkunftsbezeichnung lag 2017 im Durchschnitt mehr als zweimal so hoch wie der Wert eines vergleichbaren Produkts ohne Zertifizierung. Bei Wein betrug der Faktor europaweit rund 2,9 und in Deutschland 2,6; bei Spirituosen waren es 2,5 bzw. 2,3 (alle Angaben Europäische Kommission 2020).

Für die Zertifizierung einer geographischen Angabe spielt auch die kulturhistorische Bedeutung eine Rolle. Im Antrag für „Haselünner Korn/Kornbrand“ wurde z. B. angeführt, dass es im Jahr 1758 in der Stadt bereits 26 „Fuselbrenner“ (Kornbrenner) gab. Originell ist auch die Begründung für „Berliner Kümmel“. Der Antrag erwähnt, dass Berliner Kümmel bereits 1833 in einem populären Theaterstück („Eckensteher Nante im Verhör“ von F. Beckmann) vorkam. Im „Nante-Lied“ heißt es dort: „Det Morgens, wenn mir hungern tut, ess ick ne Butterstulle, dazu schmeckt mir der Kümmel jut aus meine volle Pulle.“

BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) (Hrsg.) (2020): Geschützte geografische Angaben (g.g.A.) für Spirituosen.
URL: https://www.ble.de/DE/Themen/Ernaehrung-Lebensmittel/EU-Qualitaetskennzeichen/Geschuetzte-geografische-Angaben-Spirituosen/geschuetzte-geografische-angaben-spirituosen_node.html
Abrufdatum: 28.02.2020

BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) (Hrsg.) (2020): Eingetragene Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben.
URL: https://www.ble.de/DE/Themen/Ernaehrung-Lebensmittel/EU-Qualitaetskennzeichen/Geschuetzte-Ursprungsbezeichnung/Antraege.html?nn=8904780#doc8984346bodyText3
Abrufdatum: 18.05.2020.

Burdack, Joachim (2017): Weinbau im Wandel. In: Bode, Volker, Lentz, Sebastian und Jana Moser (Hrsg.): Deutschland aktuell 2, S. 76-79.

Burdack, Joachim (2016): Weinanbau in Deutschland: Die heimische Nachfrage schützt vor internationalen Turbulenzen. In: Nationalatlas aktuell 10 (03.2016) 2 [16.03.2016]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Wein.2_03-2016.0.html

Ermann, Ulrich (2015): Lebensmittel mit geschützter geographischer Herkunft. In: Nationalatlas aktuell 9 (01.2015) 1 [09.01.2015]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Lebensmittel.1_01-2015.0.html

EU (Europäische Union) (2008): Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)Nr. 1576/89.
URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008R0110&from=DE
Abrufdatum: 18.05.2020.

Europäische Kommission (Hrsg.) (2020a): eAmbrosia-Datenbank – das EU-Register der geografischen Angaben.
URL: https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/food-safety-and-quality/certification/quality-labels/geographical-indications-register/#
Abrufdatum: 14.05.2020

Europäische Kommission (Hrsg.) (2020b): Study on economic value of EU quality schemes, geographical indications (GIs) and traditional specialities guaranteed (TSGs). Final Report October 2019. Brussels. URL: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/a7281794-7ebe-11ea-aea8-01aa75ed71a1
Abrufdatum: 18.05.2020.

Bildnachweis
Wein und Spirituosen; V. Bode, © Leibniz-Institut für Länderkunde

Zitierweise
Burdack, Joachim (2020): Regionale Herkunftsangaben für Wein und Spirituosen: Zertifizierung verspricht wirtschaftlichen Vorteil. In: Nationalatlas aktuell 14 (06.2020) 4 (11.06.2020]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/wein_spirituosen-4_06-2020-0-html/

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Prof. Dr. Joachim Burdack
IfL-Distinguished Senior Fellow
Leibniz-Institut für Länderkunde
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E-Mail: j_burdack@leibniz-ifl.de