Die UNESCO-Welterbekonvention von 1972 soll dem Schutz von außergewöhnlich bedeutsamen Stätten des Kultur- und Naturerbes dienen. Die bekannte Welterbeliste stellt das Inventar derjenigen Stätten dar, denen dieser Schutz gelten soll. Sie verzeichnet derzeit (Stand: März 2020) 1.121 Einträge; davon beziehen sich 46 auf Güter (properties), die ganz oder teilweise in Deutschland liegen (Karte 1).
Typen von Welterbestätten
Einträge in die Welterbeliste können sich auf unterschiedliche Objekttypen beziehen: Dazu zählen u. a. einzelne Baudenkmäler (so der Aachener Dom, welcher 1978 als erstes Objekt im Gebiet der Bundesrepublik in die Welterbeliste eingetragen wurde), Ensembles (so die Fagus-Werke in Niedersachsen als Zeugnis einer Industriearchitektur der frühen Moderne), historische Altstädte mit zahlreichen Einzelbauwerken (so die Altstädte von Bamberg oder Regensburg, Foto 2) oder ausgedehntere Kulturlandschaften (wie das Obere Mittelrheintal, Foto 1).
Zum Weltnaturerbe gehört in Deutschland beispielsweise die 1995 eingeschriebene Fossilienstätte Grube Messel bei Darmstadt. Sie ist der Fachwelt für ihre sehr gut erhaltenen Fossilien aus der Zeit der Entfaltung der Säugetiere vor rund 48 Millionen Jahren bekannt.
Bei sogenannten seriellen Welterbestätten verweist ein einzelner Listeneintrag auf mehrere räumlich getrennte, zum Teil relativ weit entfernte Objekte. Ein Beispiel hierfür ist die 2016 eingeschriebene Auswahl von Werken und Ensembles des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier (1887-1965), welche 17 Stätten in sieben Ländern und drei Kontinenten umfasst, darunter zwei Häuser der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Der Muskauer Park, ein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Fürst von Pückler-Muskau angelegter Landschaftspark, liegt beiderseits der deutsch-polnischen Grenze und ist ein Beispiel für eine räumlich zusammenhängende grenzüberschreitende Welterbestätte. Die Welterbestätte Wattenmeer würdigt ein Ökosystem mit hoher Biodiversität und umfasst als serielle Nominierung Flächen in den Niederlanden, Deutschland und Dänemark. Der obergermanisch-rätische Limes wurde 2004 als eine Erweiterung der Welterbestätte der Überreste des römischen Limes im nördlichen Großbritannien, des Hadrian Wall, eingetragen.
Dass die Welterbeliste nicht zwangsläufig bereits auf den ersten Blick spektakuläre und große, sondern z. B. auch Kleinode der Kunst- und Kulturgeschichte schützen vermag, zeigt sich an der bereits 1983 erfolgten Einschreibung der oberbayerischen Rokoko-Wallfahrtskirche Die Wies (Foto 1).
Nominierungen für die Welterbeliste erfolgen im Regelfall durch die jeweiligen Nationalstaaten, welche der Einschreibung einer Stätte auf ihrem Staatsgebiet in jedem Fall zustimmen müssen. Im föderalen Deutschland liegt die Kulturhoheit bei den Bundesländern und nicht bei nationalen Instanzen. Die Bewerbungen und die Reihenfolge ihrer Einreichung werden somit durch einen Ausschuss der Kultusministerkonferenz koordiniert, und mittlerweile verfügen alle Bundesländer über mindestens eine Welterbestätte (Karte 1; Deutsche UNESCO-Kommission 2020, vergl. Losang 2012). Die Nominierung der Schlösser und Gärten von Potsdam-Sanssouci wurde noch im Oktober 1989 seitens der DDR eingereicht; diese wurden kurz nach der Wiedervereinigung, gemeinsam mit angrenzenden Berliner Parkanlagen, als Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin eingeschrieben (Foto 2).
Einige untrennbar mit der deutschen Geschichte verbundene Welterbestätten liegen nicht auf deutschem Staatsgebiet. Dazu zählt das Konzentrationslager Auschwitz, das bereits 1979 auf Antrag Polens eingeschrieben wurde und an das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte erinnert.
Ziele der Welterbekonvention und deren Umsetzung
Die Welterbekonvention dient gemäß ihrer Zielsetzungen als Schutzinstrument für außergewöhnlich bedeutsame Stätten. Dass ein Eintrag in die Welterbeliste zugleich als eine Art touristisches Gütesiegel betrachtet wird, Nominierungen vielfach unter den Aspekten der Tourismusförderung und Regionalentwicklung auf den Weg gebracht werden, war bei der Verabschiedung der Konvention nicht zwangsläufig absehbar.
Bevor sich das Welterbekomitee als bei der UNESCO angesiedeltes zwischenstaatliches Gremium mit neuen Nominierungen befasst, werden diese von Fachorganisationen (ICOMOS–International Council on Monuments and Sites für kulturelles Erbe, IUCN–International Union for Conservation of Nature für das Naturerbe) bewertet. Während in den 1980er- und 1990er-Jahren eine hohe Kohärenz zwischen den fachlichen Meinungen der Beratungsorganisationen und den darauf aufbauenden Entscheidungen des Welterbekomitees herrschte, entscheidet dieses zunehmend zugunsten der vermeintlichen bzw. artikulierten Interessen von Mitgliedsstaaten und weicht häufiger substanziell von den Entscheidungsvorlagen der Beratungsorganisationen ab (Meskell/Liuzza/Bertacchini/Saccone 2014).
Als notwendige Voraussetzung für eine Einschreibung einer Stätte gilt, dass sich für diese ein „außergewöhnlicher universeller Wert“ (outstanding universal value) plausibel begründen lässt (UNESCO 1972, Art. 11). Eine Reihe von Einschreibungen deutscher Stätten in die Welterbeliste war durchaus umstritten: Dem Naumburger Dom wollte die zuständige Beratungsorganisation ICOMOS einen solchen universellen Wert nicht zusprechen und lehnte dessen Eintrag in die Welterbeliste ab. In dem Evaluationsbericht zum Antragsdossier wurde betont: „ICOMOS considers that it [der Naumburger Dom] does not demonstrate exceptional qualities compared with other World Heritage listed European cathedrals of this period“ (ICOMOS 2018, S. 40). Die von deutscher Seite vorgebrachten Argumente – etwa in Bezug auf das Wirken des Naumburger Meisters an dieser Stätte – seien eine zu dünne Grundlage, um einen außergewöhnlichen universalen Wert zu rechtfertigen (vgl. ICOMOS 2018, S. 36). Zumindest kritisch wurde die Nominierung der deutschen Buchenwälder als Erweiterung einer seriellen Welterbestätte europäischer Wälder in der Slowakei und der Ukraine durch die Fachorganisation IUCN 2011 gesehen, zumal die nominierten deutschen Waldgebiete eben keine echten Urwälder darstellten (vgl. IUCN 2011).
Es lässt sich kaum bestreiten, dass Stätten wie der Naumburger Dom oder die Oberharzer Wasserwirtschaft für das kulturelle Gedächtnis der Menschheit eine weniger wichtige Rolle einnehmen als etwa die jordanische Felsenstadt Petra als zentrales Zeugnis einer verschwundenen antiken Zivilisation. Die mitunter routiniert vorgetragene Behauptung, dass alle Stätten der Liste einen gleichen universalen Wert besäßen, lässt sich kulturgeschichtlich nicht (mehr) plausibel begründen. Kritiker sehen in dem relativen hohen Anteil neuer Nominierungen europäischer Staaten einschließlich Deutschlands eine Praxis, welche die langjährige UNESCO-Zielsetzung einer „repräsentativen, [geographisch] ausgewogenen und glaubwürdigen“ Welterbeliste (vgl. UNESCO 2004) unterminiert; damit werde die historische Hegemonie Europas auch in der Welterbeliste konserviert (vgl. Schmitt 2011, S. 111). Umgekehrt lässt sich argumentieren, dass Stätten wie der Naumburger Dom – ungeachtet der globalhistorischen unterschiedlichen Wertigkeit im Vergleich mit Stätten wie Petra – unzweifelhaft wertvolle Kulturgüter darstellten und eines angemessenen denkmalpflegerischen Schutzes bedürften (sofern man die Idee und Zielsetzungen der Denkmalpflege nicht grundsätzlich in Frage stellt). Durch die internationale Anerkennung seitens der UNESCO wird der Schutz auch solcher Stätten verbessert, zumal zuständige Behörden und Bürgerinnen und Bürger vor Ort durch die prestigeträchtige Auszeichnung einen zusätzlichen Anreiz haben, die Stätte angemessen zu schützen. Ob ausgerechnet Schloss Neuschwanstein, auf der langfristigen Vorschlagsliste der Bundesrepublik zur Welterbeliste verzeichnet, als ein sinnvoller Bestandteil eines Welterbes gelten sollte, darf bezweifelt werden.
Schutz und Gefährdungen
Sollte ein Staat eine seiner Stätten nach Ansicht der UNESCO bzw. des Welterbekomitees unzureichend schützen, haben diese eine Reihe unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten. Sie können zunächst dem Staat eine fachliche Beratung für einen besseren Schutz anbieten oder diesen öffentlich ermahnen. Schließlich kann das Welterbekomitee die Stätte auf die spezielle Liste des Welterbes in Gefahr setzen, was die Dringlichkeit angemessener Schutzmaßnahmen signalisieren soll. Als letzten Schritt kann das Komitee einer Stätte den Welterbetitel wieder entziehen. Die Konvention kennt also keine harten Sanktionsmöglichkeiten oder Durchgriffsrechte, sondern arbeitet mit Shaming-and-Blaming-Effekten, wie sie in der internationalen Politik nicht unüblich sind (Schmitt 2011, 2015).
Die komplexe Geschichte der Unterschutzstellung der Grube Messel – noch in den 1980er-Jahren wurde ihre Nutzung als Mülldeponie von öffentlichen Stellen verfolgt – zeigt, wie wichtig internationale Aufmerksamkeit und eine international abgesicherte Unterschutzstellung entsprechender Stätten sein kann. Unter materialen denkmalpflegerischen bzw. konservatorischen Gesichtspunkten gelten zumindest die Weltkulturerbestätten in Deutschland im Allgemeinen als gut geschützt – anders als viele Welterbestätten in Ländern des Globalen Südens, deren Staaten zum Teil über unzureichende finanzielle Ressourcen oder nur wenig durchsetzungsfähige Verwaltungen verfügen.
Mögliche Gefahren für die Integrität von Welterbestätten in Deutschland gingen nach Bewertung des Welterbekomitees bislang vor allem von städtebaulichen bzw. Infrastrukturprojekten aus, welche zum Beispiel die optische Umgebung, damit die „visuelle Integrität“ und schließlich auch die symbolischen Bedeutungen von Bauten bzw. Ensembles beeinträchtigen könnten. 2004 wurde der Kölner Dom auf die Liste des Welterbes in Gefahr gesetzt, weil die UNESCO durch Hochhausplanungen im Kölner Stadtgebiet dessen solitäre bauliche Stellung in der Kölner Bucht und damit seine tradierte symbolische Bedeutung gefährdet sah. Als Ergebnis dieser Auseinandersetzungen hatte die Stadt Köln auf die Umsetzung der Baupläne weitgehend verzichtet. Die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal wurde 2009, als weltweit bisher zweite Stätte überhaupt, von der Welterbeliste gestrichen, da durch den Bau der sogenannten Waldschlösschenbrücke Blickbeziehungen in der Tallandschaft unterbrochen wurden (Foto 2). Aufgrund dieser Erfahrungen zu Köln und Dresden achten öffentliche Verwaltungen mittlerweile bei Neubauprojekten im Umfeld oder innerhalb von Welterbstätten (z. B. historischen Altstädten mit Welterbestatus wie Bamberg und Regensburg) auf eine frühzeitige Abstimmung solcher Planungen mit der UNESCO.
Ausblick
Absehbar werden Welterbestätten zunehmend unter verschiedenen Folgen der globalen Erwärmung leiden. In Mitteleuropa litten bereits Parkanlagen wie der Muskauer Park unter der Trockenheit der vergangenen Jahre; trotz möglicher Anpassungsmaßnahmen wird sich in den nächsten Jahrzehnten deren botanische Zusammensetzung und Gestalt ändern. Küstennahe Welterbestätten werden durch den Anstieg des Meeresspiegels in Mitleidenschaft gezogen und langfristig überflutet, sofern es nicht gelingt, die globale Erwärmung hinreichend zu begrenzen. In Deutschland sind diesbezüglich u. a. die Hansestadt Lübeck, die Altstädte von Stralsund und Wismar sowie Bremen gefährdet (vgl. Marzeion/Levermann 2014, S. 7).