Zoos bilden mit ihren Tierarten einen kleinen Teil der heute wissenschaftlich beschriebenen ca. 1,8 Mio. Arten ab. Die 1974 gegründete internationale Zoo-Datenbank ISIS (International Species Information System) listet etwas mehr als 13.000 Arten in Zoos auf (OBERWEMMER/BINGAMAN LACKEY/GUSSET 2011). Damit halten Zoos 15 Prozent der in der Roten Liste als „bedroht“ eingestuften Landwirbeltierarten (CONDE u.a. 2011), da Wirbeltiere nur drei Prozent der 1,8 Mio. bekannten Arten ausmachen. Diese setzen sich aus 5.498 Säugetier-, 10.027 Vogel-, 9.084 Reptilien-, 6.638 Amphibien- und 31.327 Fischarten zusammen (HOFFMANN u.a. 2010).
Koordination durch Zuchtbücher
Schon 1932 wurde für den Wisent das weltweit erste Zuchtbuch herausgegeben. Die IUCN (International Union for Conservation of Nature; Glossar) begann 1966 damit, zur Übersicht in Menschenhand gehaltener Tierbestände Internationale Zuchtbücher (ISB: International StudBook) aufzulegen. Ab Mitte der 1980er Jahre wurden von den Zooverbänden in Nordamerika und Europa regionale, auf den jeweiligen Kontinent beschränkte Zuchtprogramme gestartet, um durch koordinierte Zucht die Bestände der Zootierarten von Importen aus der Wildbahn unabhängig zu machen. In Zuchtbüchern werden alle Individuen mit ihren Daten (Vater- und Muttertier, Geburtsort, Geschlecht usw.) erfasst. Eine spezielle Software gibt auf Grundlage der Verwandtschaftsverhältnisse Hinweise für die Verpaarung geeigneter Tiere.
In Europa werden zwei Programme betrieben: Europäische Zuchtbücher (ESB: European StudBook) dienen vor allem der Übersicht über den Bestand der entsprechenden Art, während Europäische Erhaltungszuchtprogramme (EEP: European Endangered species Programme) dem intensiven Management der Populationen dienen, da es sich um kleinere Tierbestände oder bedrohte Arten handelt. In den europäischen Zoos (EAZA-Mitglieder; Glossar) existieren derzeit Zuchtbücher für 379 Arten (Karten 2 und 3).
Karte 1 verdeutlicht die aktuelle Situation in Deutschland: In 23 Zoos werden 40 EEP koordiniert und 25 ESB geführt. Relativ viele Programme weisen die Einrichtungen in Köln (11) sowie Walsrode, Hannover, Leipzig und Frankfurt a.M. mit jeweils fünf Programmen auf. Um welche Tiere es sich im Einzelnen handelt, verdeutlicht die Tabelle: So besteht beispielsweise das im Zoo Dortmund koordinierte EEP für den Großen Ameisenbär bereits seit 1985, während im Zoo Hannover seit drei Jahren ein EEP für den Nordafrikanischen Strauß koordiniert wird. Nicht dargestellt sind die durch deutsche Zoos geführten ISB.
Herausforderungen im Zuchtmanagement
Weltweit sind aktuell über 1.600 Zuchtbücher in der Datenbank ISIS vorhanden. Mit diesen werden 1.174 Arten erfasst (für manche Arten werden Zuchtbücher in verschiedenen Regionen geführt), d.h. für etwa neun Prozent aller in Zoos gehaltenen Arten existieren entsprechende Zuchtbücher (OBERWEMMER/BINGAMAN LACKEY/GUSSET 2011).
Das Führen von Zuchtbüchern ist nicht nur sehr aufwendig, es stößt auch auf besondere Herausforderungen im Management. Teilweise ist der genetische Pool aufgrund einer geringen Anzahl an Gründertieren sehr klein, und der notwendige Austausch von Tieren zwischen einzelnen Ländern oder Kontinenten wird durch rechtliche und veterinärmedizinische Auflagen erschwert oder verhindert.
Beispiel Internationales Tigerzuchtbuch
Eines der umfangreichsten Zuchtbücher ist das Internationale Zuchtbuch für Tiger, in dem alle sechs Unterarten (Amurtiger, Südchinesischer Tiger, Hinterindischer Tiger, Malayischer Tiger, Sumatratiger und Bengaltiger) erfasst werden. Es wird seit 1973 im Zoo Leipzig geführt, und über 500 verschiedene Zoos liefern jährlich ihre Daten dazu. In der aktuellen Ausgabe von 2012 sind fast 1.500 lebende Tiere erfasst. Die Gesamtanzahl der Datensätze ist aber weitaus höher, allein für den Amurtiger sind im Laufe der Jahrzehnte über 5.800 Individuen zusammengekommen (MÜLLER 2012).
Ein Beispiel, wie die Aufstellung des am 15.12.2012 lebenden Bestandes der Leipziger Tiger im Internationalen Zuchtbuch aussieht, zeigt Bild 1.
Aussterben verhindern
Können Zoos bedrohte Arten letztendlich vor der Ausrottung bewahren? Ja! Aktuell werden 32 Tierarten auf der Roten Liste als „In der Natur ausgestorben“ klassifiziert, die in Menschenhand überlebt haben. Bei sechs weiteren Tierarten wurde dieser Status wieder zurückgenommen, weil Populationen in der Wildbahn neu angesiedelt worden sind (GUSSET/DICK 2012).
Zoos beteiligen sich an zahlreichen Auswilderungsprogrammen für Arten, die „nur“ lokal oder regional ausgestorben sind. Leipzig gibt z.B. seit über zehn Jahren seinen Steinkauznachwuchs für ein solches Programm in Sachsen ab und beteiligt sich ab 2014 mit Habichtskäuzen an einem Projekt in Österreich.
Die Zoogemeinschaft unterstützt aber nicht nur Auswilderungsprojekte durch die Bereitstellung von Tieren, sondern gibt nach einer Auswertung des Weltverbandes der Zoos und Aquarien (WAZA – World Association of Zoos and Aquariums) jährlich weltweit über 350 Mio. US-Dollar für hunderte von Artenschutzprojekten in den betroffenen Regionen aus (GUSSET/DICK 2011). Damit spielt sie finanziell in einer Liga mit anderen großen Umweltorganisationen und trägt maßgeblich dazu bei, den Verlust an Tierarten und ihren Lebensräumen zu lindern.