Im Jahr 2007 wurden das Elterngeld eingeführt und auf dem Krippengipfel der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur für Kleinkinder beschlossen (LEIBERT 2015a). Beide Maßnahmen sollen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. 2013 wurde nach kontroverser Diskussion zusätzlich das Betreuungsgeld eingeführt, mit dem der Gesetzgeber eine Wahlfreiheit der Eltern bei der Form der Kinderbetreuung sicherstellen möchte. Im Januar 2015 wurde das Elterngeld Plus eingeführt: Danach erhalten Eltern bis zu 24 Monate lang Geld, wenn sie in Teilzeit arbeiten (Grafik 1).
Das Elterngeld
Das Elterngeld hat drei Hauptziele: Allen Eltern soll ermöglicht werden, sich im ersten Lebensjahr ganz um das Kind kümmern zu können, ohne dass die Unterbrechung der Berufstätigkeit finanzielle Nöte auslöst. Gleichzeitig soll der berufliche Wiedereinstieg beschleunigt werden, um die wirtschaftliche Existenz der Familie mittel- und langfristig abzusichern. Drittens soll durch die Einführung von Vätermonaten die Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung gestärkt und so die Gleichstellung gefördert werden. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels soll sowohl das Erwerbspotenzial der Mütter als auch das Fürsorgepotenzial der Väter besser ausgenutzt werden (WROHLICH u.a. 2012, S. 5-6).
Das Elterngeld hatte von Anfang an sehr hohe Akzeptanzwerte in der Bevölkerung (EHLERT 2008, S. 17-21). Es gilt als eine der effektivsten familienpolitischen Leistungen in Deutschland. Das Elterngeld hat einer Evaluation zufolge positive Effekte auf die wirtschaftliche Stabilität von Familien, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Wohlergehen der Kinder und die Geburtenrate (PROGNOS 2014, S. 360) (Glossar). Vom Elterngeld profitieren insbesondere Eltern, die älter als 30 Jahre alt sind, Akademiker und Besserverdienende: Gruppen, die vor 2007 keinen Anspruch auf Erziehungsgeld hatten und bei der Geburt eines Kindes folglich besonders starke Einkommenseinbußen hinnehmen mussten (WROHLICH 2012, S. 7-8; BUJARD 2013, S. 4).
Es deutet sich an, dass das Elterngeld zu einem tiefgreifenden sozialen Wandel in der Erwerbsbiographie von Müttern geführt hat. Mütter kehren schneller wieder in die Erwerbstätigkeit zurück (in der Regel als Teilzeitkraft), arbeiten mehr Stunden pro Woche und bleiben häufiger beim gleichen Arbeitgeber. Durch das Elterngeld scheint sich in relativ kurzer Zeit die zwölfmonatige Arbeitsunterbrechung als neuer gesellschaftlicher Standard etabliert zu haben (KLUVE/SCHMITZ 2014, S. 32).
Das Betreuungsgeld
Das Betreuungsgeld ist auch zwei Jahre nach seiner Einführung noch stark umstritten. Familien, die ihre Kinder nicht in öffentlich geförderte Betreuungseinrichtungen geben, erhalten pro Kind monatlich 150 Euro (Grafik 1). Die Pro- und Kontraargumente zum Betreuungsgeld lassen sich nach BOLL und REICH (2012) wie folgt zusammenfassen: Die Befürworter betonen, dass erst durch das Betreuungsgeld eine Wahlfreiheit zwischen inner- und außerfamiliären Betreuungsformen ermöglicht werde. Als Argumente für das Betreuungsgeld wird ferner angeführt, dass die Entwicklung von Kleinkindern durch eine elterliche Betreuung am besten gefördert werde. Häufig wird auch die Meinung vertreten, dass der Staat den Eltern, die die öffentlich geförderte Kinderbetreuung nicht in Anspruch nehmen, einen Ausgleich zahlen müsse.
Kritiker bezeichnen das Betreuungsgeld als „Herdprämie“: Mütter würden dazu angehalten, sich zu Hause um ihre Kinder zu kümmern. Durch eine Zementierung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Familie drohen Frauen nach Ansicht der Kritiker durch einen längerfristigen Ausstieg aus dem Berufsleben Einkommensverluste, ein erhöhtes Armutsrisiko im Alter oder nach einer Scheidung sowie negative Auswirkungen auf ihre berufliche Qualifikation (BOLL/REICH 2012, S. 126). Mit Blick auf die Kinder wird eine Verschärfung der Bildungsungleichheit befürchtet. Das Betreuungsgeld könnte für bildungsferne und einkommensschwache Familien sowie Familien mit Migrationshintergrund ein starker Anreiz sein, auf außerfamiliäre frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote zu verzichten (DIJ 2014, S. 20-23; FUCHS-RECHLIN 2014).
Wie Karte 1 zeigt, stößt das Betreuungsgeld, das fast ausschließlich von Müttern beantragt wird, in Ostdeutschland auf weniger Gegenliebe als im Westen. Im Gegensatz zu den westdeutschen Ländern, wo die überwiegende Mehrheit der Antragsstellenden das Betreuungsgeld für die maximale Bezugsdauer von 22 Monaten beantragt, bevorzugen ostdeutsche Eltern einen kürzeren Elterngeldbezug. Insbesondere der Anteil derjenigen, die die Leistung für maximal zwölf Monate beantragen, liegt deutlich über den westdeutschen Werten. Daten, die einen detaillierten Vergleich der Bundesländer ermöglichen, liegen derzeit noch nicht vor.
Die „neuen Väter“ als familienpolitische Zielgruppe
Oft wird der Ruf laut: „Neue Väter braucht das Land!“ Inzwischen gibt es sogar einen Preis für sie: Eine Großbäckerei verleiht jährlich den Titel „Spitzenvater des Jahres“. Auch viele Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich junge Männer nicht mehr mit der Rolle des Ernährers zufrieden geben möchten, sondern als Alltagsvater aktiv an der Kindererziehung mitarbeiten wollen (GERLACH u.a. 2014, S. 5). Bisher verbringen deutsche Väter jedoch nicht besonders viel Zeit mit ihren Kindern. Einer OECD-Studie zufolge waren es zwischen 1998 und 2010 im Schnitt gerade mal 37 Minuten am Tag. Deutlich mehr Zeit investieren Österreicher (80 Minuten) oder Schweden (58 Minuten) (OECD 2012, S. 13).
Um den Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit aufzulösen, hat die Politik die Arbeit an einem neuen Väterbild und die Förderung aktiver Vaterschaft als Aufgabe entdeckt. Um Vätern einen Anreiz zu geben, sich um den Nachwuchs zu kümmern, beinhaltet das Elterngeld zwei Extramonate, wenn Väter Elternzeit nehmen. Und das kommt an, wie die steigende Väterbeteiligung am Elterngeld belegt: Von den Vätern der 2012 geborenen Kinder beziehen fast 30 Prozent Elterngeld; 2006 waren es noch weniger als fünf Prozent (Karte 2; BUJARD 2013, S. 6).
Dabei zeigen sich allerdings deutliche regionale Unterschiede. Südlich einer Linie vom brandenburgischen Eberswalde nach Landau in der Pfalz ist der Anteil der Kinder, deren Vater Elterngeld beantragt hat, deutlich höher als im restlichen Bundesgebiet. Besonders gering ist die Väterbeteiligung in Nordrhein-Westfalen und im Saarland, aber auch in Teilen Sachsen-Anhalts. Bei den Müttern gibt es dagegen keine regionalen Unterschiede: 96 Prozent der Mütter nehmen das Elterngeld in Anspruch. Frauen tendieren zudem dazu, die gesamten zwölf Monate auszuschöpfen; die mittlere Bezugsdauer liegt bei 11, 7 Monaten (DESTATIS 2014, S. 32). Trotz Elterngeld bleibt die Kinderbetreuung folglich überwiegend Müttersache.
Väter entscheiden sich eher für eine kürzere Elternzeit. Die durchschnittliche Bezugsdauer liegt bei etwas mehr als drei Monaten. Hier zeigen sich ebenfalls deutliche regionale Unterschiede: Tendenziell ist die durchschnittliche Bezugsdauer in den Ländern höher, in denen die Väterbeteiligung niedrig ist (Karte 2).
Der bisherige Forschungsstand deutet darauf hin, dass insbesondere die berufliche Situation die Väterbeteiligung beeinflusst (JUNCKE/LEHMANN 2012, S. 7). Die Arbeitgeber nehmen eine Schlüsselrolle bei der Förderung der aktiven Vaterschaft ein. Viele Unternehmen sind bisher nicht bereit, ihre männlichen Angestellten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. In der Wirtschaft dominiert vielfach noch das Ideal des vollzeiterwerbstätigen männlichen Ernährers (GERLACH u.a. 2014, S. 21). Es scheint noch ein weiter Weg zu sein, bis die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr nur als eine Herausforderung für Mütter, sondern für beide Elternteile angesehen wird.