In Deutschland leiden derzeit etwa 40.000 Kinder und Jugendliche an Rheuma. Zwar bestehen inzwischen rund 90 kinderrheumatologische Einrichtungen in Fachkliniken, Kinderkrankenhäusern und im niedergelassenen Bereich. Doch eine gleichwerte Versorgung innerhalb Deutschlands wird damit nicht gewährleistet. Die aktuelle Deutschlandkarte belegt: Vor allem in Nordostdeutschland und im ländlichen Raum bestehen erhebliche Defizite.

Bundesweit leiden etwa 40.000 Kinder und Jugendliche an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (GKJR 2010). Hierbei handelt es sich in erster Linie um Gelenkentzündungen unklarer Ursache. Etwa eines von 1.000 Kindern unter 16 Jahren erkrankt pro Jahr an einer Gelenkentzündung. Häufig sind diese Beschwerden mild und klingen bei acht bis neun von zehn Kindern nach Tagen, Wochen oder Monaten ohne weitere Komplikationen und Spätfolgen ab. Bei ca. 10 bis 20 Prozent verläuft die Krankheit hingegen chronisch, die Diagnose lautet „Gelenkrheuma“.

Eine Gelenkentzündung äußert sich durch Schmerzen, Schwellung, Überwärmung und Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenkes. Erste Anzeichen können Morgensteifigkeit, Anlaufschmerzen nach dem Aufstehen und längerem Sitzen oder Schonhinken sein. Aber auch Verhaltensänderungen der Kinder wie nicht mehr laufen wollen, Missmutigkeit oder Leistungsminderung, Fieber, Hautausschläge oder Augenentzündungen können auf Gelenkrheuma hinweisen. Die Diagnose ergibt sich wie ein Puzzle aus Krankheitsgeschichte, klinischen, laborchemischen, röntgenologischen und weiteren Untersuchungsbefunden.

Ambulante Betreuung
Mehr als 90 kinderrheumatologische Ambulanzen haben sich in Fachkliniken, Kinderkrankenhäusern und im niedergelassenen Bereich etabliert. Diese sind aber ungleichmäßig in Deutschland verteilt. In Mecklenburg-Vorpommern z.B. nehmen zurzeit (Stand: Ende 2015) keine kinderrheumatologischen Einrichtungen an der Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher und der jährlichen GKJR-Umfrage (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie) zur Versorgungs- und Weiterbildungssituation in der Kinder- und Jugendrheumatologie teil (Glossar; Stand Oktober 2015). Die meisten Betreuungseinrichtungen für rheumakranke Kinder und Jugendliche gibt es in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit jeweils 17, in Ostdeutschland führt Sachsen mit neun Einrichtungen (Karte 1).

Eine Besonderheit in der Betreuung von Patienten mit juveniler Arthritis ist die Langzeitbeobachtung JuMBO zur Wirksamkeit und Sicherheit von Biologika (Glossar). Mit Hilfe der gesammelten Daten soll erforscht werden, wie sicher und wirksam diese Medikamente auf lange Sicht sind.

Mitwirkung der Deutschen Rheuma-Liga
Ein wichtiger Faktor in der rheumatologischen Versorgung stellen die Elternkreise rheumakranker Kinder und Jugendlicher im Rahmen der Deutschen Rheuma-Liga dar (Glossar). Hier finden betroffene Eltern Rat und Unterstützung in der Krankheitsbewältigung, ob durch Arztvorträge, Informationsforen, Patientenschulungen oder gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Für die Alltagsbewältigung ist es wichtig, die Erkrankung zu akzeptieren und innerhalb der Familie sowie mit Institutionen zusammenzuarbeiten. Etwa 120 Eltern engagieren sich bundesweit in mehr als 80 Elternkreisen (Glossar). Der erste Elternkreis wurde bereits 1980 gegründet. Daneben gibt es noch Elternansprechpartner. Darüber hinaus besteht seit vielen Jahren das bundesweite telefonische Beratungsangebot für betroffene Eltern und junge Menschen mit Rheuma: das „Rheumafoon“ (Glossar).

Versorgungssituation
Schon vor Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie darauf hingewiesen, dass die Behandlungsangebote nicht ausreichen, um alle rheumakranken Kinder und Jugendlichen adäquat ambulant versorgen zu können (GKJR 2008). Bemerkenswert war auch die Erkenntnis, dass unzureichende Zugangsmöglichkeiten zu einem Kinderrheumatologen, aber auch das Nichterkennen der rheumatischen Erkrankung dazu führen kann, dass heute nicht einmal jedes zweite Kind mit Gelenkrheuma jemals einem Spezialisten vorgestellt wird. Die aktuelle Deutschlandkarte belegt, dass es derzeit immer noch Regionen ohne Versorgungseinrichtungen gibt: Es besteht somit erheblicher Bedarf an zusätzlichen kinderrheumatologischen Ambulanzen, um eine gleichwertige bundesweite Versorgung zu gewährleisten.

Die Versorgungssituation in Sachsen für junge Erwachsene mit juveniler Arthritis (Glossar)
Um den Übergang von der Kinder- in die Erwachsenenrheumatologie zu erleichtern, werden von verschiedenen Kinderrheumatologen und Kliniken folgende Vorgehensweisen angeboten:  Nutzung sogenannter Übergangs (Transitions-) sprechstunden, die von Kinder- und Erwachsenenrheumatologen gemeinsam mit dem Patienten geführt werden sowie ein telefonischer Austausch zwischen dem früheren und dem neuen, weiterbetreuenden Facharzt. Damit soll eine rheumatologische Versorgungslücke in der Übergangszeit in das Erwachsenenleben vermieden werden. Insgesamt gibt es in Sachsen sechs Angebote mit Übergangssprechstunden durch Kinder- und Jugendrheumatologen in Dresden, Leipzig und Plauen. Einen landesweiten Überblick mit den Standorten der Kinder- und Jugendrheumatologen sowie Fachärzten für Inneres mit Schwerpunkt Rheumatologie verschafft Karte 2.

Deutsche Rheuma-Liga (Hrsg.) (2015): Engagement für rheumakranke Menschen. Jahresrückblick 2014. Bonn. URL: https://www.rheuma-liga.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Verband/Bundesverband/RL_Jahresbericht_2014.pdf
29.06.2016.

DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) (Hrsg.) (2016a): Kinderrheumatologie. Berlin. URL: http://dgrh.de/kinderrheumatologie0.html
Abrufdatum: 29.06.2016.

DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) (Hrsg.) (2016b): Starke Kooperationspartner im Netzwerk Rheumatologie. Berlin. URL: http://dgrh.de/rheumazentren.html
Abrufdatum: 29.06.2016.

GKJR (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie) (Hrsg.) (2016a): Kinderrheumatologische Einrichtungen in Deutschland und Österreich und der Schweiz. Berlin. URL: http://www.gkjr.de/landkarte.98.html
Abrufdatum: 29.06.2016.

GKJR (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie) (Hrsg.) (2016b): Was versteht man unter Rheuma im Kindesalter? Wie häufig ist Gelenkrheuma bei Kindern und Jugendlichen? Berlin. URL: http://www.gkjr.de/34.98.html
Abrufdatum: 29.06.2016.

GKJR (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie) (Hrsg.) (2016c): Die Elternkreise rheumakranker Kinder und Jugendlicher. Berlin. URL: www.gkjr.de/202.98.html
Abrufdatum: 29.06.2016.

GKJR (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie) (Hrsg.) (2010): Was versteht man unter Rheuma im Kindesalter? Berlin. URL: https://gkjr.de/34.html
Abrufdatum: 17.08.2016.

GKJR (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie) (Hrsg.) (2008): Stellungnahme der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband zur Situation der ambulanten Versorgung rheumakranker Kinder und Jugendlicher. URL: https://www.rheuma-liga.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Hilfe_bei_Rheuma/Krankheitsbilder/Eltern_Kinder/ambulant_versorgungssitutation_kinder_jugendliche_stellungnahmedrl.pdf
Abrufdatum: 29.06.2016.

Rheuma-Liga Sachsen (Hrsg.) (2010): RheumaAgil, Ausgabe 2009. Leipzig.

Zitierweise
Vogt, Klaus (2016): Rheuma kann auch eine Kinderkrankheit sein – Ausmaß und Versorgungssituation in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 10 (08.2016) 6 [25.08.2016]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL: http://aktuell.nationalatlas.de/Kinderrheumatologie.6_08-2016.0.html

Dipl.-Geogr. Klaus Vogt
Großmannstraße 8
04177 Leipzig
Tel.: (0341) 24752540
E-Mail: k-vogt@dvmb-sn.de

Die Arbeitsgemeinschaft der Regionalen Kooperativen Rheumazentren (AGRZ) in der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) ist ein Netzwerk, das eine bundesweit gute Versorgung Rheumakranker zum Ziel hat. Dazu haben sich 30 Regionale Kooperative Rheumazentren zusammengeschlossen. „Die Rheumazentren gruppieren sich um eine Universitätsklinik und fassen rheumatologische und kinderrheumatologische Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken und niedergelassene Rheumatologen der Region zusammen. Sie sind Ansprechpartner und Anlaufstelle für die Rheumakranken und kooperieren eng mit Hausärzten, Internisten, Orthopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychologen und Selbsthilfegruppen. Im Kompetenznetz Rheuma sind die Zentren untereinander und mit den Institutionen in Klinik und Forschung verknüpft“ (DGrh 2016b).

Die Deutsche Rheuma-Liga wurde 1970 gegründet und ist die mitgliederstärkste Vereinigung der Gesundheitsselbsthilfe in Deutschland. Sie vereint mehr als 250.000 Mitglieder in 16 Landesverbänden (2014).

Die Elternkreise rheumakranker Kinder und Jugendlicher sind eine Initiative der Deutschen Rheuma-Liga, die seit 1980 besteht; erfahrene Eltern helfen und beraten Betroffene, und zwar von den ersten Symptomen der Erkrankung bis zu ihrer Bewältigung in der Familie.

Die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) ist eine pädiatrische (kinderheilkundliche) Fachgesellschaft mit rund 300 Mitgliedern.

In der prospektiven Kohortenstudie (Juvenile Arthritis – Methotrexate / Biologics long-term Observation – kurz JuMBO) werden alle Patienten aufgenommen, die jemals im BiKeR-Register (Register der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie zur Biologikatherapie) erfasst und beobachtet wurden sowie eine gesicherte juvenile idiopathische Arthritis nach der ILAR-Klassifikation aufweisen (chronische Gelenkerkrankung des rheumatischen Formenkreises im Kindesalter) und das 18. Lebensjahr erreicht haben. 2012 befanden sich 722 Patienten in JuMBO.

Die juvenile (idiopathische) Arthritis ist eine chronische Gelenkerkrankung, die vor dem 16. Lebensjahr beginnt. Oftmals wechseln sich mehrwöchige schmerzhafte Schübe mit beschwerdefreien Zeiten ab.

Die Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher wird seit 1997 neben der Erwachsenenkerndokumentation deutschlandweit durchgeführt. Darin werden an kinderrheumatologischen Einrichtungen behandelte Kinder und Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen erfasst. Die Teilnahme an der Dokumentation ist freiwillig; derzeit sind bundesweit mehr als 60 kinderrheumatologische Einrichtungen beteiligt.

Das Rheumafoon ist ein telefonisches Beratungsangebot, vor allem für Neubetroffene des rheumatischen Formenkreises.