Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt ist seit Jahren angespannt. Die aktuelle Deutschlandkarte belegt, dass sich die Lehrstellensituation trotz günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen nicht verbessert hat. Ein stabiler und nachhaltiger Aufwärtstrend ist nicht in Sicht.
Die gegenwärtige Lehrstellensituation in Deutschland ist von deutlichen regionalen Unterschieden geprägt (Karte 1). Ausbildungsplatzdefizite zeigen sich besonders in den östlichen Teilen der neuen Länder und hier vor allem in grenznahen Arbeitsmarktregionen (Arbeitsagenturbezirke), wie Frankfurt (Oder), Cottbus, Bautzen oder Pirna. Ein Lehrstellenmangel ist jedoch auch zunehmend in industriellen Problemgebieten im Norden und Westen Deutschlands festzustellen, z.B. in den Regionen Bremerhaven, Gelsenkirchen oder Recklinghausen. Die relativ günstigste Marktsituation für Lehrstellenbewerber herrscht im südlichen Deutschland, wo zahlreiche Arbeitsmarktregionen ein in etwa ausgeglichenes Verhältnis von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage aufweisen (Angebots-Nachfrage-Relation/ANR; Glossar).
Die Suche einer geeigneten Lehrstelle stellt für einen großen Teil der Jugendlichen den ersten Schritt in das Berufsleben dar. Lange galt das deutsche „Duale System“ der Lehrlingsausbildung international als vorbildlich, da es praktische Ausbildung im Betrieb mit ergänzender theoretischer Schulung in einer Berufsschule verbindet. Ein mangelhaftes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen stellt seit der Mitte der 1990er Jahre ein Dauerproblem für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft dar und gefährdet den Fortbestand des Dualen Systems. Kompensatorische Maßnahmen, wie außerbetriebliche Lehrstellenangebote und berufsvorbereitende Bildung wurden sukzessive ausgeweitet. Sie sind jedoch kein gleichwertiger Ersatz für die Ausbildung in einem Betrieb.
Betrachtet man den Lehrstellenmarkt seit der deutschen Einheit, so wird die negative Entwicklung ab Mitte der 1990er Jahre deutlich (Graphik 1). Im Jahr 1996 fiel die Lehrstellenbilanz in den defizitären Bereich. Es konnte nur noch in den Jahren 2000 und 2001 im nationalen Durchschnitt eine annähernd ausgeglichene ANR ereicht werden. Deutliche Unterschiede bestehen zwischen der ost- und westdeutschen Lehrstellensituation. Die Werte für die neuen Länder (einschl. Berlin) fallen regelmäßig deutlich schlechter aus als diejenigen der westlichen Länder. Seit 2004 wird im Osten sogar der kritische ANR-Wert von 90 unterschritten.
Die Zahl der Arbeitsmarktregionen mit stark negativen Werten (ANR unter 90) ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen: 2001 unterschritten nur sechs der insgesamt 176 Arbeitsmarktregionen diese Marke, im Jahre 2006 waren es bereits 24 (Graphik 2). Neun Regionen verzeichneten in mindestens vier der letzten fünf Jahre stark negative ANR-Werte unter 90 (Karte 1). Hierzu gehören die Hauptstadt Berlin, die östlichen Regionen Cottbus, Eberswalde, Frankfurt (Oder) und Neuruppin in Brandenburg, Bautzen und Pirna in Sachsen, Altenburg in Thüringen und die westliche Region Gelsenkirchen im Ruhrgebiet in NRW. Am anderen Ende des Spektrums lassen sich zwölf Arbeitsmarktregionen identifizieren, die in mindestens vier der letzten fünf Jahre einen rechnerischen Lehrstellenüberschuss erzielten. Diese Arbeitsmarktregionen liegen überwiegend in Süddeutschland, was auch die günstigere Wirtschaftsentwicklung der süddeutschen Länder widerspiegelt.
Verschärft wird die Lehrstellensituation in den ostdeutschen Ländern durch ein höchst unzureichendes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen, dass nur durch überbetriebliche Ausbildungsangebote annährend ausgeglichen werden kann. Das Duale System funktioniert hier nicht mehr. Um einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu erlangen, bleibt vielen ostdeutschen Jugendlichen nur die Alternative nach Westen abzuwandern. Auffällig ist neben der dauerhaft schlechten Angebotslage im östlichen Deutschland auch eine dramatische Verschlechterung der Lehrstellensituation in einigen westlichen Arbeitsmarktregionen. So sank in Recklinghausen die ANR von 97,3 (2002) auf 82,5, und in der Region Pirmasens ist sie von 101,3 auf 85,0 gefallen.