Der Tiefpunkt in der Medaillenbilanz bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking (41 Medaillen; vgl. Hanewinkel/Smigiel 2008) leitete Veränderungen im Fördersystem und den Stützpunktstrukturen ein. Mit einer langfristig ausgerichteten Projektförderung für eine Rückkehr in die Weltspitze wurden Konzentrationen und trainingsmethodische Erneuerungen in den Spitzenverbänden vorangetrieben. Mit 44 Medaillen bei den Olympischen Spielen 2012 in London konnte dieser negative Trend durchbrochen werden. Bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Rio de Janeiro soll das Ergebnis von London möglichst verbessert werden – dabei hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) einen „Zielkorridor von 40 bis 70 Medaillen“ im Blick (DOSB 2015b).
Trainingsstätten und staatliche Förderung
Das Netz von Trainingseinrichtungen garantiert die sportliche Ausbildung und Förderung der Athleten. Die Besten von ihnen (Bundeskader) sind in 19 Olympiastützpunkten (OSP) konzentriert. Diese sind in ca. 40 Nebensitze gesplittet (Glossar, Karte 1). Sportartenspezifisch findet das Training aktuell in 214 Bundesstützpunkten (inkl. Bundesstützpunkte-Nachwuchs) und vier Bundesleistungszentren statt, die den Olympiastützpunkten zugeordnet sind (Glossar). Die Karte 1 zeigt neben einzelnen Konzentrationen in Großstädten wie beispielsweise Berlin, Hamburg, Hannover und München drei Regionen mit einer hohen Stützpunktdichte in Nordrhein-Westfalen, in Mitteldeutschland und im Südwesten.
Für die Förderung des Spitzensports und des betreffenden Stützpunktsystems (Glossar) ist primär der Bund bzw. das Bundesministerium des Innern (BMI) zuständig. Der Bund stellte dafür zwischen 2010 und 2013 948 Mio. Euro zur Verfügung (BMI 2014, S. 20 u. 21): Allein zur Finanzierung der OSP steuerte der Bund 109 Mio. Euro bei, und für den Sportstättenbau standen in diesem Zeitraum 73,5 Mio. Euro Bundesmittel zur Verfügung (BMI 2014, S. 35 u. 77). Weitere öffentliche Mittel für den Hochleistungssport stammen von den Ländern und Kommunen, die beide jedoch primär für das weite Spektrum des Breitensports zuständig sind.
Nachwuchsförderung
Schon im Kindesalter beginnt für viele Mädchen und Jungen mit einer Sichtung ihre leistungssportliche Laufbahn, die sich später im Kaderbereich bis zur Berufung in die Nationalmannschaften fortsetzt. Eine intensive Nachwuchsförderung (duale Karriereförderung) wird in den 43 Eliteschulen des Sports betrieben (Glossar, Karte 1).
Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen
Die sportlichen Aktivitäten der Leistungssportler werden durch eine Reihe von Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen unterstützt. Das betrifft die gesundheitliche und sportwissenschaftliche Betreuung z.B. im Bundesinstitut für Sportwissenschaften (BISp) in Bonn, im Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig sowie im Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin (Karte 1).
Hochleistungssport in der Leichtathletik
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) besteht aus 20 Landesverbänden, die in einem Kooperationsverbund organisiert sind. Dieser föderale und in großen Bereichen offene Verbund ist durch Regionalkonzepte und Strukturpläne zur Leistungsförderung vernetzt.
Hochleistungssport in der deutschen Leichtathletik betreiben im Wesentlichen die Stützpunktvereine an den Bundes- und Landesstützpunkten, aktuell ca. 40 von 7635 Vereinen (Stand 2015). Von den insgesamt 823.000 Mitgliedern in der Leichtathletik werden derzeit 530 berufene Bundeskader (A, B und C-Kader) als Hochleistungssportler gefördert (DLV 2016).
Das Netzwerk für die Betreuung und Förderung in der Leichtathletik – 19 Olympiastützpunkte, 19 Bundesstützpunkte (BSP), ein Bundesleistungszentrum (Kienbaum), das IAT in Leipzig und 26 Eliteschulen des Sports – bietet die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung bis zur absoluten Top-Leistung (Karte 2). Dieses an der Weltspitze ausgerichtete Ziel kann nicht flächendeckend an allen bestehenden 19 BSP für alle 47 olympischen Disziplinen auf gleichem Niveau realisiert werden. Mit der Schwerpunktlegung durch den DLV (Bundesausschuss Leistungssport) wird eine regionale Differenzierung nach den Disziplingruppen vorgenommen. Aktuell gibt es 12 BSP Sprint/Hürden, 6 BSP Lauf/Gehen, 14 BSP Sprung/Mehrkampf und 14 BSP Wurf/Stoß (Karte 2). Diese regionale Schwerpunktlegung wird alle vier Jahre für eine effektive und erfolgreiche Vorbereitung auf die nächsten Olympischen Spiele an den Stützpunktstandorten evaluiert – im Ergebnis werden erfolgreiche Stützpunkte bestätigt oder ausgebaut und nicht erfolgreiche ggf. umstrukturiert oder sogar geschlossen (Glossar).
Im Alter von 10 bis 14 Jahren beginnt die zielgerichtete Ausbildung und Entwicklung von jungen Talenten. Für eine erfolgreiche Teilnahme an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften brauchen talentierte Nachwuchsathletinnen und -athleten nach wie vor ca. 10 bis 12 Jahre.
Die Förderung im Nachwuchs- und Spitzensport erfolgt in erster Linie über die Berufung in entsprechende Kaderkreise durch den DLV und die Landesverbände. Dabei ist der DLV für die Bundeskader A, B und C zuständig. Dies betrifft in der aktuellen Saison 2015/2016 264 Leichtathletinnen und 266 Leichtathleten: 48 A-Kader, 263 B-Kader und 219 C-Kader (DLV 2016). Die Landesverbände fördern die D/C- und D-Kader. Grundlage ist ein vom DLV erarbeitetes Richtwertsystem vom D-Kader (Altersklasse 14) bis zum A-Kader.
Für eine erfolgreiche Nachwuchsentwicklung ist die duale Karriereförderung an einer der 26 Eliteschulen des Sports mit Profil Leichtathletik sehr hilfreich und lässt neben sportlichen Erfolgen auch einen anspruchsvollen Schulabschluss zu. Der DLV bekennt sich explizit zu elitären Sportschulen mit dem Ziel der dualen Karriereförderung für Jugendliche, die sich auf dem Weg zur Weltspitze befinden.
Sportliche versus berufliche Karriere
Nach der Schulzeit, im Übergang in den Spitzenbereich der unter 23-Jährigen (U23), greifen auch für die Leichtathleten zunehmend die Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundes- und Landespolizei, der Bundeswehr und den kooperierenden Hochschulen. Trotz dieser Unterstützungssysteme ist die Ausfallquote unter den Spitzensportlern nach der Schulzeit noch immer sehr hoch.
Dies belegt auch eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Sportwissenschaften zur Athletenförderung in Deutschland. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 501 ehemalige Bundes-
Kaderathleten in den olympischen Sportarten nach dem Grund für das Ende ihrer sportlichen Karriere befragt. Das Ergebnis ist eindeutig: Am häufigsten haben ehemalige Kaderathleten ihre sportliche Tätigkeit wegen des Studiums oder der beruflichen Karriere beendet (37,1 Prozent (Breuer/Hallmann/Ilgner 2015, S. 28); die Gründe „Verletzungen“ und „Alter“ folgen mit jeweils rund zehn Prozent, mangelnder sportlicher Erfolg war für lediglich fünf Prozent der Befragten auschlaggebend.
Resümee
Trotz der Leistungssportförderung durch den DOSB, den DLV, die Landessportbünde und die Landesfachverbände, ist ein Rückgang der Leichtathletikvereine zu verzeichnen, die den Nachwuchs- und Spitzensport unterstützen.
Gleichzeitig kann man im Breiten- und Freizeitsport einen deutlichen Zuwachs beobachten, besonders in der Laufszene und im Altersbereich der über 50-Jährigen.