Seit etwa zehn Jahren ist die deutsche Tagespresse durch starke Verluste im Anzeigengeschäft und durch hohe Rückgänge der Verkaufsauflagen gekennzeichnet. Aktuelle Deutschlandkarten verdeutlichen die Entwicklung auf dem Abo-Zeitungsmarkt und dessen Strukturen und Verflechtungen.

Schon seit Beginn des 21. Jahrhunderts leiden die Zeitungsverlage unter einem drastischen Schwund im Anzeigengeschäft und unter anhaltenden Rückgängen der Verkaufsauflagen. Wurden 1999 in Deutschland noch 18,3 Mio. Abonnementtageszeitungen verkauft, so waren es 2008 lediglich noch rund 15,5 Mio. Exemplare (Graphik). Die Auflage der Kaufzeitungen lag 2008 bei 4,5 Mio., sie ist seit 1999 ebenfalls um 1,35 Mio. zurückgegangen (Schütz 2000 u. 2009b). Vor zehn Jahren stellten zudem die Anzeigen- und Werbeeinnahmen mit zwei Dritteln des Gesamtvolumens noch die wichtigste Einnahmequelle der Verlage dar (Röper 2002); heute werden die Erlöse je zur Hälfte aus dem Anzeigen- und dem Vertriebsgeschäft erzielt.

Gegenwärtige Strukturen und Verflechtungen
Die 340 Abonnementtageszeitungen – 332 lokale und regionale sowie acht überregionale Blätter – prägen ganz wesentlich die deutsche Zeitungslandschaft (2008, Glossar). Doch nicht alle lokalen und regionalen Zeitungen verfügen auch über eigene Redaktionen, die den überregionalen Teil selbst redigieren. Sie sind darauf angewiesen, ihre ersten Seiten, die auch als Mantel bezeichnet werden, von einer der insgesamt 126 Zeitungen mit entsprechender Mantel- bzw. Zentralredaktion zu beziehen (Karte 1). Diese Kooperationen stellen ein räumlich differenziertes Beziehungsgeflecht mit arbeitsteiligen Spezialisierungen und klaren hierarchischen Strukturen dar, das stark an das Städtesystem gekoppelt ist. So haben die meisten Zentralredaktionen ihren Sitz in Großstädten bzw. Oberzentren; Tageszeitungen ohne eigene Zentralredaktion befinden sich dagegen überwiegend in kleineren Städten.

Die Kooperationsbeziehungen dokumentieren zugleich die Größe der Verbreitungsgebiete des jeweiligen Mantels. Weiträumige bzw. interregionale Beziehungen bilden eher die Ausnahme. Auf nationaler Ebene werden unterschiedliche Raummuster sichtbar. Die Zeitungslandschaften in West- und Ostdeutschland basieren ganz wesentlich auf den unterschiedlichen Entwicklungspfaden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die maßgeblich von den divergierenden politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen in der alten Bundesrepublik und der DDR bestimmt waren.

Typisch in Westdeutschland sind die polyzentrischen Strukturen zwischen den Zeitungsverlagen. Im Nordwesten und Südwesten sind diese Raummuster besonders stark ausgeprägt: So besteht die Publizistische Einheit „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ aus 13 Zeitungen/ Verlagen mit insgesamt 28 Ausgaben, die „Südwest Presse“ aus Ulm umfasst sogar 18 Tageszeitungen mit insgesamt 34 Ausgaben. Die ostdeutsche Zeitungslandschaft zeichnet sich dagegen – abgesehen von Berlin – durch monozentrische Strukturen mit lediglich 17 Zentralredaktionen bzw. Publizistischen Einheiten aus. Sie ist weitestgehend ein Erbe der DDR mit ihren ehemals 15 SED-Bezirkszeitungen, und von den fast 100 Neugründungen nach der friedlichen Revolution 1989 sind inzwischen fast alle wieder vom Markt verschwunden (Schütz 1996 u. 2008). Zu den wenigen erfolgreichen Blättern zählen die „Altmark Zeitung“ aus Salzwedel und der „Oranienburger Generalanzeiger“, die ihren Mantel von der „Kreiszeitung“ aus Syke in Niedersachsen beziehen (Karte 1).

Ursachen der Anzeigen- und Auflagenverluste
Der Einbruch im Anzeigengeschäft der Zeitungsverlage basiert einerseits auf den anhaltenden Einsparungen der Unternehmen. Andererseits verlieren die Print-Medien stetig Werbeeinnahmen zu Gunsten der Online-Medien. Die Auflagenrückgänge (Karte 2) resultieren aus dem allgemein wachsenden Desinteresse an gedruckten Zeitungen. Sicherlich spielt auch die Zunahme der hochmobilen Personen eine Rolle, die immer weniger eine lokal verankerte Abo-Tageszeitung im Sinne einer Heimatzeitung nachfragen. Darüber hinaus trägt die finanziell angespannte Situation vieler Privathaushalte dazu bei, dass die Leser-Blatt-Bindung in Regionen mit vergleichsweise hoher Langzeitarbeitslosigkeit überproportional schwindet. So zum Beispiel ist die Gesamtauflage (Auflage des Mantels) bei den nordrhein-westfälischen Blättern „Ruhr Nachrichten“ aus Dortmund und „Westdeutsche Allgemeine“ (WAZ) aus Essen seit 1998 um rund 30% zurückgegangen. Viele ostdeutsche Tageszeitungen haben sogar mehr als ein Drittel ihrer Verkaufsauflage eingebüßt: Betroffen sind auch die großen Zeitungsverlage wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ aus Halle (Saale), die „Leipziger Volkszeitung“, die „Magdeburger Volksstimme“ und die „Freie Presse“ aus Chemnitz. Deren Verbreitungsgebiete verzeichnen zudem hohe wanderungsbedingte Bevölkerungsverluste, was den zusätzlichen Rückgang der Abonnentenzahlen erklärt.

Resümee und Ausblick
Trotz der erheblichen finanziellen Einbußen der Zeitungsverlage ist ein regelrechtes Zeitungssterben bisher ausgeblieben. Die lokalen Abonnementzeitungen, die seit Mitte der 1990er Jahre vom Markt verschwunden sind, gehörten in der Regel kleineren Verlagen. Das historisch gewachsene System der Tagespresse hat sich in den letzten Jahrzehnten als äußerst persistent und als ausgesprochen krisensicher erwiesen (Bode 2010). Zwar bestehen schon seit Jahrzehnten kaum noch Markteintrittschancen für neue Tageszeitungen, doch gewährleisten die 1.460 Regional-, Lokal – und Stadtteilausgaben der Abonnementzeitungen sowie die 55 Ausgaben der Kaufzeitungen eine deutschlandweit flächendeckende Versorgung, die weltweit einzigartig ist (Schütz, 2009b).

Unter den gegenwärtigen und prognostizierten ökonomischen Rahmenbedingungen ist jedoch von einer anhaltenden Konzentration bei gleichzeitiger Schrumpfung auszugehen (Röper 2008). Übernahmen, Fusionen und weitere Kooperationen von Verlagen und Redaktionen werden zu einem weiteren Abbau fester Mitarbeiterstellen und zur verstärkten Einbindung freier Journalisten beitragen. Schrumpfung und Konzentration werden nicht ohne Folgen für den Zeitungsmarkt sein und möglicherweise auch die bisherige Qualität der Versorgung nachhaltig beeinträchtigen.

BODE, Volker (2010): Rauschen im Blätterwald – deutsche Zeitungslandschaft im Wandel. In: Knappe, E. u. E. Müller (Hrsg.): Von der Feldforschung bis zur Planungspraxis – geographische Tätigkeitsfelder. Aufsatzsammlung zum 70. Geburtstag von Professor Dr. Hanns J. Buchholz. Leipzig, S. 107-120.

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URL:
http://www.lpb-bw.de/publikationen/presse/schuetz.htm
Abrufdatum: 14.01.2010.

Bildnachweis:
Tageszeitungen: © V. Bode

Zitierweise:
BODE, Volker (2010): Ist die Zeitungsvielfalt in Gefahr? In: Nationalatlas aktuell 4 (02.2010) 2 [24.02.2010]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Tageszeitungen.2_02-2010.0.html

Dipl.-Geogr. Volker Bode
Leibniz-Institut für Länderkunde
Redaktion Nationalatlas aktuell
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
Tel.: (0341) 600 55 143
E-Mail: v_bode@leibniz-ifl.de

Lokale/regionale Tageszeitung, überregionale Tageszeitung, Abonnementzeitung, Kaufzeitung, Publizistische Einheit, Zentralredaktion, Zeitungsmantel

Abonnementtageszeitungen, deren Auflage zu über 50 Prozent innerhalb eines bestimmtes Verbreitungsgebietes absetzt wird, werden als lokale und regionale Tageszeitungen bezeichnet.

Eine Tageszeitung, deren überwiegender Teil ihrer Verkaufsauflage deutschlandweit bzw. ohne dominierendes regionales Verbreitungsgebiet vertrieben wird, wird pressestatistisch nach SCHÜTZ als überregionale Tageszeitung definiert: Dazu zählen „die tageszeitung“, „Die Welt“, „Financial Times Deutschland“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Handelsblatt“, „Junge Welt“, „Neues Deutschland“ und „Tagespost“ (Schütz 2009b); die „Süddeutsche Zeitung“ beispielsweise gehört pressestatistisch nicht in diese Kategorie, wird aber aufgrund ihrer deutschlandweiten Beachtung im Allgemeinen als überregionale Tageszeitung bezeichnet.

Im Unterschied zur Abonnementzeitung, deren Exemplare überwiegend im Abonnement vertrieben werden, werden Straßenverkaufs- bzw. Kaufzeitungen meist an Kiosken oder von Straßenhändlern verkauft.

Eine Publizistische Einheit wird von einem Zeitungsverlag mit Zentralredaktion – auch Vollredaktion, Hauptredaktion oder Mantelredaktion genannt – repräsentiert (Schütz 2009a). Diese Redaktion redigiert den überregionalen Teil einer Zeitung selbst, der im Allgemeinen aus den Ressorts Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur und Unterhaltung besteht; dieser Teil wird auch als Zeitungsmantel bezeichnet. Alle Zeitungen, die den Mantel einer Zentralredaktion übernehmen und somit den gleichen überregionalen Teil aufweisen, werden zur selben Publizistischen Einheit gezählt.