Die Wirtschaftsleistung der Unternehmen in Deutschland ist in starkem Maße vom Export abhängig. So hat die Bundesrepublik auch über viele Jahre den Titel Exportweltmeister getragen. Basis für die gute Nachfrage nach Produkten von deutschen Unternehmen ist nicht nur der im Ausland hoch geschätzte – mit Qualität und Zuverlässigkeit verbundene – Ruf von Made in Germany als Marke. Auch die Innovationsleistung insbesondere mittelständischer Unternehmen sichert ihnen einen Technologievorsprung und eine herausragende Stellung im jeweiligen Segment des Weltmarktes. Entsprechende Unternehmen, die zwar in ihrem Bereich Weltmarktführer, aber überwiegend keine Großkonzerne sind, rückten in den letzten Jahren infolge der Publikationen von Herbert Simon (2007, erstmals 1990) als „Hidden Champions“ ins Licht der Öffentlichkeit (Glossar). Viele dieser Unternehmen sind in ihrem Bereich hoch spezialisiert und dadurch in der Bevölkerung weitgehend unbekannt; dennoch sind sie eine wesentliche Säule der hiesigen Wirtschaft: Die 1116 Unternehmen der Weissman-Datenbank beschäftigen ca. 6,5 Millionen Menschen und setzen nach eigenen Angaben mehr als zwei Billionen Euro pro Jahr um (Weissman Institut für Familienunternehmen 2011). Ein großer Teil dieser Unternehmen ist zudem mittelständisch geprägt, im Familienbesitz (ca. 40%) und in besonderer Weise mit dem Ort ihrer Gründung verbunden.
In diesem Beitrag wird die räumliche Verteilung dieser Unternehmen im zeitlichen Verlauf betrachtet. Ausgangspunkt war ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung (Dostert 2009), in dem basierend auf Venohr (o.J.) in einer Karte die 100 umsatzstärksten Weltmarktführer dargestellt wurden. Allesamt befanden sich in Westdeutschland und dort erstaunlich viele in Regionen außerhalb der großen Verdichtungsräume. Allerdings ergibt sich ein anderes Bild, wenn man die Dynamik der Unternehmen mit berücksichtigt.
Zeitliche Perspektive
Besonders viele Weltmarktführer wurden zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Weltwirtschaftskrise gegründet sowie in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg (Graphik 1). So ist der Großteil der deutschen Weltmarktführer erstaunlich lange auf dem Markt. Mehr als 300 Unternehmen können bereits auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken. Der Median des Unternehmensalters aller Weltmarktführer beträgt gut 70 Jahre. Aufgrund der Geschichte Deutschlands sind die älteren Weltmarktführer überwiegend im Westen zu finden.
Gesamtüberblick
Die meisten Weltmarktführer befinden sich in Baden-Württemberg, gefolgt von Bayern und Nordrhein-Westfalen (Karte 1). Mit großem Abstand folgen dann Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hamburg (Graphik 2). Die Dominanz der drei bevölkerungsreichsten Länder nimmt allerdings im zeitlichen Verlauf ab (Karte 2). 75% der in den ersten fünf Phasen gegründeten heutigen Weltmarktführer liegen in diesen Ländern, in denen die Hälfte der Einwohner Deutschlands leben; bei den seit 1990 gegründeten Top-Unternehmen sind das nur noch 57,5% (knapp 22% in Bayern, gut 19% in Nordrhein-Westfalen und knapp 17% in Baden-Württemberg). Im Zeitverlauf haben sich alle Länder hinsichtlich ihrer Marktführer recht homogen entwickelt. Signifikante Ausreißer gibt es nur wenige: So wurden beispielsweise sechs der elf Weltmarktführer Bremens bereits vor 1918 gegründet und fünf der sieben Weltmarktführer aus dem Saarland in der Phase 1946-1973. Auch 16 der 37 Weltmarktführer aus Rheinland-Pfalz wurden in dieser Phase gegründet.
Unter Berücksichtigung aller Weltmarktführer ist Hamburg mit 33 Datenbank-Einträgen die Stadt mit den meisten Weltmarktführern, dicht gefolgt von München mit 30 Unternehmen (Karte 1). Danach folgen Heilbronn und Nürnberg (16) vor Stuttgart und Berlin (15). Als erste ostdeutsche Stadt liegt Dresden mit acht Weltmarktführern gemeinsam mit Reutlingen und Crailsheim auf Rang 13.
Die Orte mit der größten Weltmarktführer-Dichte (gemessen an der Anzahl der Weltmarkführer im Verhältnis zu den Einwohnern) liegen fast ausnahmslos abseits der klassischen Hochtechnologie- und Wissenschaftsstandorte (BMVBS/BBR 2008). Sie befinden sich vor allem in der württembergischen Region um Heilbronn, Wertheim, Crailsheim und Tauberbischofsheim sowie im nördlichen Oberfranken (Landkreise Coburg, Kronach, Hof, Wunsiedel). Als „Region der Weltmarktführer“ nutzt die Region Heilbronn-Franken diese Tatsache bereits für ihr Standortmarketing (Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken 2011).
Die jungen Weltmarktführer
Überraschungen gibt es bei den jungen Weltmarktführern: Hier schneiden die östlichen Länder besonders gut ab. 29 ostdeutsche Weltmarktführer wurden nach 1989 gegründet (Karte 3). Setzt man die 120 seit 1990 gegründeten Marktführer ins Verhältnis zur Einwohnerzahl, wird noch deutlicher, wo die Dynamik liegt. Besonders positiv entwickelten sich Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Hamburg und Thüringen, erst dann folgen Bayern und Baden-Württemberg. Der Osten Deutschlands kommt dabei auf 1,8 junge Weltmarktführer je eine Millionen Einwohner; im Westen beträgt der Wert ca. 1,4. Hinsichtlich der Anzahl der jungen Weltmarktführer hat Berlin Hamburg mittlerweile überholt; in der Hauptstadt sind sechs der nach 1989 gegründeten Unternehmen zu Marktführern aufgestiegen. Im Städtevergleich ist Berlin damit die Stadt mit den meisten jungen Weltmarktführern.
Die Branchenzugehörigkeit aller jungen Spitzenunternehmen verdeutlicht, dass diese Firmen nicht nur in den klassischen Bereichen Maschinenbau, Elektroindustrie und Chemische Industrie tätig sind, sondern sich auch in der Medizintechnik, der IT- und Datenverarbeitung sowie Softwarebranche erfolgreich auf dem Weltmarkt positioniert haben.
Ausblick
Während in diesem Beitrag ein erster regionaler und zeitlicher Überblick zu den deutschen Weltmarktführern vermittelt worden ist, soll im folgenden Kartenbeitrag insbesondere die räumliche Verteilung der führenden Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Branchenzugehörigkeit und im Verhältnis zur Siedlungsstruktur analysiert werden.