Gründe für den Boom
Der Tourismusboom in deutschen Städten (Karte 2) resultiert im Wesentlichen aus zwei sich verstärkenden Entwicklungen: Zum einen sind Städtereisen (Reuber 2013) ein stark wachsendes Segment im internationalen Tourismus. Städte zeichnen sich als Reiseziele vor allem durch ihre Multioptionalität aus, d. h. durch ihr vielfältiges Erlebnisangebot von Kultur, Shopping, Flanieren, Besichtigungen und Veranstaltungen. Städte bieten dem Besucher die Möglichkeit den Aufenthalt individuell, nach eigenen Vorlieben zu gestalten.
Zum anderen wird Deutschland im Ausland immer mehr als attraktives Reiseziel entdeckt. So hat sich die Zahl der ausländischen Gäste im Bundesgebiet in den letzten 15 Jahren nahezu verdoppelt und ist damit sogar noch stärker gestiegen als die Zahl der Inlandstouristen: 2016 wurden in den Hotels und Pensionen über 35 Millionen ausländische Gäste registriert, das entspricht einem Anteil von rund 21 Prozent der Gesamtgästezahl in Deutschland (StBA 2017).
Großstädte stehen bei ausländischen Gästen hoch im Kurs
In 21 der 26 touristisch bedeutsamen Großstädte (Glossar) liegt der Anteil ausländischer Gäste über dem Bundesdurchschnitt. In Berlin, München Frankfurt a.M., Düsseldorf, Heidelberg und Freiburg i. Br. kommen sogar mehr als ein Drittel der Übernachtungsgäste aus dem Ausland (Karte 3). Geringer ist der Anteil der ausländischen Touristen dagegen u. a. in den ostdeutschen Städten Leipzig (14 Prozent) und Dresden (20 Prozent).
Vom Reiseboom profitieren einige Metropolen als regelrechte Touristenmagneten: Fast 40 Prozent (14,0 Mio.) aller Gästeankünfte aus dem Ausland konzentrieren sich auf die sechs Reiseziele Berlin, München, Frankfurt a.M., Hamburg, Köln und Düsseldorf. Besonders stark war der Anstieg in den letzten zehn Jahren in Berlin (plus 117 Prozent), Hamburg (plus 97 Prozent) und Dresden (plus 81 Prozent). Entgegen dem Trend sind die Zahlen in Trier und Mainz dagegen rückläufig (Karte 2).
Die tatsächlichen Touristenströme in den Städten sind wesentlich größer als die in der amtlichen Statistik ausgewiesenen Werte. Denn darin nicht berücksichtigt sind Tagestouristen und auch nicht die über airbnb und ähnliche Internetplattformen vermittelten Privatunterkünfte.
Die ausländischen Gäste bleiben meist ein bis drei Nächte in einer Stadt. Die längste durchschnittliche Aufenthaltsdauer weist Berlin mit 2,8 Übernachtungen pro ausländischem Gast auf; die kürzeste besteht in Würzburg mit 1,5 Übernachtungen.
Städte haben unterschiedliche Gästeprofile
Die Besucher bestimmter Herkunftsländer verteilen sich nicht gleichmäßig auf die Städte, vielmehr lassen sich klare Schwerpunkte erkennen. In Berlin und Köln bilden z.B. die Besucher aus dem Vereinigten Königreich die größte ausländische Besuchergruppe nach absoluten Zahlen (Karte 3). Touristen aus den USA stellen in vielen Städten der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone in Süddeutschland das größte Gästekontingent, so in München, Frankfurt a.M., Nürnberg, Heidelberg, Wiesbaden und Mainz.
Zum anderen ist auch ein gewisser Nachbarschaftseffekt zu erkennen. Dementsprechend sind Touristen aus Nachbarländern in grenznahen Großstädten besonders stark vertreten. So bilden die Schweizer in Freiburg i. Br. und Stuttgart, die Niederländer u.a. in Bremen, Essen und Düsseldorf, die Belgier in Aachen, die Schweden in Lübeck sowie die Dänen in Hamburg die jeweils größte ausländische Besuchergruppe.
In Karte 1 sind relative Konzentrationen von Touristen aus einzelnen Herkunftsländern dargestellt, also Besuchergruppen, die stark überproportional in einer Stadt vertreten sind (mehr als 50 Prozent über ihrem Anteil an ausländischen Touristen in Deutschland; siehe Glossar). Hier wird auch die Attraktivität einzelner Städte für Touristen aus Ländern mit kleineren Gesamtbesucherzahlen sichtbar. Norwegische Touristen konzentrieren sich z. B. stark auf Berlin und Hamburg. Besucher aus den arabischen Golfstaaten sind in München, Heidelberg, Bonn, Aachen und in den Städten im Rhein-Main-Gebiet konzentriert. Schwedische Touristen besuchen verstärkt norddeutsche Städte. Bei der relativen Betrachtung zeigt sich der Nachbarschaftseffekt noch deutlicher.
Berlin und München im Vergleich
Die beiden wichtigsten Touristenmagneten Berlin und München haben deutlich voneinander abweichenden Gästeprofile (Grafik 1). Berlin ist besonders attraktiv für Touristen aus dem westlichen und nördlichen Europa, hat also überproportional viele Gäste aus den skandinavischen Ländern, dem Vereinigten Königreich und Spanien, aber vergleichsweise wenige aus dem asiatischen Raum. In München sind dagegen die Gäste aus Russland den USA und dem asiatischen Raum (China, Japan, arabische Golfstaaten) stark vertreten. Die unterschiedlichen Gästeprofile hängen auch mit dem Image der Städte zusammen. Berlin gilt als coole und kreative Metropole mit ausgeprägtem Nachtleben („Hip Berlin: Europe`s Capial of Cool“, Time Magazine 2009). München steht international immer noch für das Oktoberfest und die „Weltstadt mit Herz“ („München mag dich/Munich loves you “, Slogan der Stadt München seit 2005).
Ausblick
Während sich das Tourismusmarketing vieler Städte bisher weitgehend darauf konzentrierte, die Besucherzahlen und die touristische Attraktivität zu steigern, hat in den letzten Jahren ein Umdenken eingesetzt. Aktuell werden auch verstärkt die negativen Folgen hoher Touristenzahlen unter Stichworten wie „Overtourism“ oder „Touristification“ diskutiert (Blickhan/Bürk/Grube 2014; Temsch 2018).