Beispiele für Ortsnamenendungen
– bach
Etwa seit dem 8. Jahrhundert ging man dazu über, Siedlungen nicht mehr primär nach Personen zu benennen, sondern man orientierte sich verstärkt an natürlichen Gegebenheiten, vor allem an der Lage an Wasserläufen. Die häufigste Namenendung ist -bach. Sie tritt im gesamten Mittelgebirgsraum auf, wo die ersten Rodungen häufig von den Tälern aus erfolgten. Im norddeutschen Tiefland fehlt die Endung -bach fast vollständig. Hier wird sie ersetzt durch das niederdeutsche – beck, in Schleswig-Holstein – bek und in den Niederlanden – beek.
– born
Die – born-Namen stammen aus einer mittelalterlichen Ausbauphase, in der viele Namen an natürliche Gegebenheiten angelehnt wurden (wie etwa – bach und – feld). Die Verbreitungskarte zeigt die Namen vereinzelt in Norddeutschland und sehr konzentriert im Gebiet der Mittelgebirgsschwelle. In Süddeutschland fehlen -born-Namen hingegen. Dies liegt daran, dass sich im Süden die älteren Sprachformen – bronn und -brunn gehalten haben, aus denen sich während des Hochmittelalters nach Norden hin – born herausbildete (Metathese des – r -).
– bur
Das althochdeutsche Wort bur bedeutet „kleines Haus“, „Wohnung“ und hat sich in Worten wie Nachbar oder Vogelbauer erhalten. In Ortsnamen kommt es bei Siedlungen aus der merowingischen Ausbauzeit vor. Allerdings hat sich das Wort nur in wenigen Siedlungsnamen (vor allem in Ostfriesland) erhalten. Will man die ganze Wortfamilie finden, muss man zusätzlich nach – büren (in Westfalen), – beuren (in Schwaben) und – beuern (in Oberbayern) suchen. Darüber hinaus wurden viele – bur-Namen im Laufe der Zeit verändert zu – born, manchmal auch zu – berg oder anderen Endungen. Solche „Verballhornungen“ können bei der automatisierten Suche nicht berücksichtigt werden und „verfälschen“ daher das Verbreitungsbild.
– by
Die dänischsprachige Bevölkerung in Südschleswig, die heute nur noch als kleine Minderheitengruppe existiert, hat auch im geographischen Namengut ihre Spuren hinterlassen. In den schleswigschen Landschaften Angeln und Schwansen findet man häufig in Ortsnamen das Suffix – by, dessen Verbreitungsgebiet sich über fast ganz Skandinavien erstreckt. Die Endung – by ist etymologisch verwandt mit – bur und bedeutet Hof oder kleines Dorf.
– dorf
Die häufigste Ortsnamenendung des Mittelalters dürfte – dorf (in Nordwestdeutschland auch – trup und – drup) sein. Siedlungen dieses Namentyps traten während des frühen Ausbaus (5./6. Jahrhundert) zuerst im Rhein-Mosel-Raum auf. Sie verbreiteten sich dann über den gesamten deutschen Sprachraum und fanden während des gesamten Mittelalters Verwendung. Wie in den meisten frühen Ortsnamen steckt im Bestimmungswort zumeist ein Personen- oder Sippenname.
– feld(e)
Eine der häufigsten Ortsnamenendungen in Deutschland ist – feld bzw. – felde. Diese Namen wurden seit der frühen Rodungszeit über einen langen Zeitraum verwendet und verteilen sich über den gesamten deutschen Raum. Die Bedeutung ist offensichtlich: Es handelt sich um ein nicht bewaldetes, ackerbaulich genutztes Gebiet. Die Bestimmungswörter stehen häufig für die Form, die Lage oder die Bodenbeschaffenheit der Siedlung.
– grün
Die Ortsnamen auf -grün konzentrieren sich räumlich in auffallender Weise auf das Vogtland und die angrenzenden Gebiete (Oberfranken, Egerland). Es handelt sich dabei um Siedlungen der späten Rodungszeit (12. – 14. Jahrhundert). Die Endung -grün deutet an, dass die Siedlung aus „grüner Wurzel“ entstanden ist, d. h. zuvor geschlossener Wald vorherrschte. In vielen dieser Namen taucht die Person des Lokators im Bestimmungswort auf, also der Person, die im Auftrag des Grundherrn die Rodung und Verteilung des Landes an die Kolonisten durchführte.
– ingen
Ortsnamen auf – ingen zählen neben den -heim-Namen zu den typischen Siedlungsnamen der germanischen Landnahmezeit (circa seit dem 4. Jahrhundert). Obwohl die heutige Forschung die frühere ethnische Deutung, – ingen in den alemannischen Gebieten, -heim in den altfränkischen Räumen ablehnt, fällt auf der Verbreitungskarte die deutliche räumliche Konzentration der – ingen-Namen im südwestdeutschen alemannisch-schwäbischen Raum auf. Im bairischen Raum kommt entsprechend die Endung – ing vor. Die sprachliche Anpassung im Französischen lautet – ange.
– koog
Die Neulandgewinnung an der Nordseeküste gehört zu den jüngsten Maßnahmen der Binnenkolonisation. Die Anfänge liegen allerdings bereits im Mittelalter, als man begann, das Land durch Deiche vor Sturmfluten zu schützen. Die zahlreichen Namen auf -deich an der Nordseeküste und an der Unterelbe zeugen von diesem ständigen Kampf des Menschen gegen den „blanken Hans“. Neben den Küstenschutz trat in den vergangenen Jahrhunderten der staatlich gelenkte Siedlungsausbau im neu gewonnenen Marschenland und heute zunehmend die Naturschutzfunktion. Der Begriff Koog für Deich tritt erst seit dem 18. Jahrhundert auf und kommt ausschließlich an der Westküste Schleswig-Holsteins vor.
– leben
Die Namenendung -leben gehört der germanischen Landnahmezeit (circa seit dem 5. Jahrhundert) an. Sie tritt in starker räumlicher Konzentration in den mitteldeutschen Gunstgebieten der Magdeburger Börde und dem Thüringer Becken auf, wo fruchtbare Lössböden gute Siedlungsbedingungen boten. Das Wort ist identisch mit „Lehen“ und bedeutet etwas „Überlassenes“, hier Land, das der Grundherr (Lehnsherr) seinem Vasallen (Lehnsmann) in erblichem Besitz überließ.
– rod(e)
Seit etwa dem 8. Jahrhundert kam es überall in Mitteleuropa zu umfangreichen Rodungen und zur Urbarmachung der vormaligen Wälder. Die Siedlungsnamen aus dieser Zeit differieren regional, deuten aber fast immer entweder auf den Wald oder die Rodung hin. Während – rod in Mittelhessen dominiert, schließt sich nach Norden hin ein Verbreitungsgebiet der -rode-Name an, im Rheinland herrschen Namen auf – rath vor, in Norddeutschland – rade. Auch die Endungen – reut und – rieth (aber nicht – ried!) gehören zu dieser Wortfamilie.
– tal
Die räumliche Verbreitung des Grundworts – tal zeigt keine besonderen Muster, sieht man vom seltenen Auftreten in Norddeutschland ab, was sich vielleicht aus der geringen Reliefenergie erklären lässt. Beim genaueren Hinsehen erkennt man, dass alle – tal-Namen administrativ festgelegte Gemeindenamen sind, die im Rahmen der Gebietsreformen der vergangenen hundert Jahre entstanden. Die siedlungsgeschichtlich relevanten Talnamen findet man, wenn man – thal sucht, denn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts schrieb man Tal mit – Th-.
– weiler
Ein Weiler ist eine kleine Gruppensiedlung mit unregelmäßigem Grundriss. In Ortsnamen tritt das Wort vor allem bei Siedlungen der frühmittelalterlichen Ausbauzeit etwa seit dem 7. Jahrhundert im (süd)westlichen Deutschland auf. Im alemannischen Sprachraum der Schweiz und im Elsass entspricht die Endung – wil, im germanisch besiedelten Frankreich und in Belgien – viller dieser Wortgruppe.
Die Datengrundlage vom Kleinen Atlas der Siedlungsnamen Deutschlands
Die Datenbank des Kleinen Atlas der Siedlungsnamen Deutschlands des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) basiert auf den Geographischen Namen 1 : 250 000 (GN250) des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (BKG). Das BKG-Produkt basiert auf der Objektart „Ortslage“ aus dem „Digitalen Landschaftsmodell DLM250“ des BKG und hat derzeit (Stand 2023) circa 46.000 Einträge. Die Gemeindenamen der rund 11.000 Gemeinden der Bundesrepublik sind zwar nicht Bestandteil der Datenbank, sie korrespondieren aber in der Regel mit den Namen der Ortslagen.
Wie kommt es nun zu der großen Differenz zwischen der Zahl der Einträge im Kleinen Atlas der Siedlungsnamen Deutschlands von rund 64.000 Einträgen zu den rund 46.000 im aktuellen GN250?
Eine Ursache liegt in der Entstehung des GN250. Das Produkt beruhte ursprünglich auf den Ortsnameneinträgen der gedruckten Topographischen Übersichtskarte im Maßstab 1 : 200.000 (TÜK200). Diese Karten basieren auf einem kartographischen Modell, bei dem Texteinträge – wie zum Beispiel Ortsnamen – einen gewissen Platz benötigen und dadurch an diesen Stellen nicht alle Karteninhalte visualisiert werden können.
Im Gegensatz dazu hat in einem dimensionslosen digitalen Modell, wie dem aktuellen Digitalen Landschaftsmodell 1:250 000 (DLM250), der Text (z. B. Ortsnamen) nur einen Aufsatzpunkt. Dabei ist es prinzipiell egal, ob bestimmte Texte beim Einblenden von anderen Texten überlagert werden und unlesbar sind.
Sehr gut deutlich wird dieser Unterschied in der Karte 3 zu den Ortsnamen von Leipzig: Die ursprünglich vorhandenen Orts- bzw. Stadtteilnamen (BKG 2014), hier mit fetter Schrift wiedergegeben, lassen einen nicht gefüllten Raum im Zentrum der Karte erahnen. Dieser Leerraum war in der gedruckten Karte im Maßstab 1 : 200.000 für eine detailreichere Darstellung der innerstädtischen Strukturen und für den relativ großen Schriftzug von Leipzig vorgesehen.
Die in halbfetter Schrift dargestellten Namen zeigen die aus dem digitalen Modell übernommenen Ergänzungen (BKG 2023). Dazu zählen auch einige Verwaltungsnamen, wie beispielsweise Reudnitz-Thonberg oder Dölitz-Dösen, wo ursprünglich zwei verschiedene Ortsteile mittels Doppelnamen zusammengefasst worden sind. Zudem sind in Leipzig im Rahmen der Stadterweiterung die Namen der Gartenstadt Marienbrunn und der Großwohnsiedlungen Grünau und Schönefeld-Ost hinzugekommen. Dass einige ältere Ortsnamen nicht in der Datenbank vorhanden sind, liegt sicherlich daran, dass sie bereits durch Gemeindefusionen Anfang des 20. Jahrhunderts an Bedeutung verloren hatten.
Deutschlandweit betrachtet sind dementsprechend in der der aktuellen BKG-Datenbank im Vergleich zur älteren Version 1.000 Einträge hinzugekommen. Dennoch weist die GN250 inzwischen deutlich weniger Ortsnamen-Einträge auf als der Vorgänger von 2014. Dies liegt ganz wesentlich an der Änderung der Kartenbasis als Quelle und der damit verbundenen Verkleinerung des Maßstabs von 1:200.000 auf 1:250.000 – mit deutlich weniger Ortsnameneinträgen für diese Maßstabsebene.
Die etwa 1.000 zusätzlichen Ortsnamen sind inzwischen in die Datenbank des Kleinen Atlas der Siedlungsnamen aufgenommen worden und haben zu einer positiven Nachverdichtung geführt. Sie ergänzen den umfangreichen BKG-Datenbank aus dem Jahr 2014, sodass der 2023 aktualisierte Atlas nun rund 64.000 Ortsnameneinträge aufweist.