Ein Gradmesser der studentischen Wohnversorgung ist die Unterbringungsquote in öffentlich geförderten Wohnheimen, also das Verhältnis von Wohnheimplätzen und Zahl der Studierenden. Derzeit gibt es bundesweit knapp 240.000 öffentlich geförderte Wohnplätze, davon rund 194.800 Wohnheimplätze der Studierendenwerke (DWS 2023, S. 4). Diese decken in Deutschland nur einen kleinen Teil des Bedarfs an studentischem Wohnraum ab. Die Versorgungsquote Studierender stagniert seit Jahren bei unter zehn Prozent (DSW 2023). Allerdings gibt es ausgeprägte regionale und lokale Unterschiede. In Karte 1 ist die Versorgungslage für die Hochschulorte mit mehr als 4.000 Studierenden dargestellt. Sie zeigt, dass in den größten deutschen Städten mit den höchsten Studierendenzahlen wie Berlin, München, Hamburg und Köln das Angebot an öffentlichen Wohnheimplätzen relativ niedrig ist. Einige kleinere Hochschulstädte weisen dagegen zum Teil vergleichsweise hohe Versorgungsquoten mit mehr als 15 Prozent auf. Beispiele sind auch traditionelle Universitätsstädte mit internationalem Ruf und hohen Anteilen von Studierenden an der Bevölkerung wie Heidelberg, Göttingen oder Tübingen (zur Studierendendichte siehe Lentz 2012).
Nimmt man die Länder in den Blick, die für den Studierendenwohnheimbau verantwortlich sind, zeigen sich relativ hohe Unterbringungsquoten in Thüringen (17 Prozent), Sachsen (15,7 Prozent) und Brandenburg (15,2 Prozent), sowie in Baden-Württemberg (14,3 Prozent), wo neben den Plätzen der Studierendenwerke noch ein nicht unerheblicher Teil öffentlich geförderter Plätze in privater Trägerschaft hinzukommt (Karte 2). Die umfangreichere Verfügbarkeit von Wohnheimplätzen in Ostdeutschland ist zum Teil ein Relikt der Wohnsituation Studierender zu DDR-Zeiten. So lag die Unterbringungsquote in Wohnheimen unmittelbar nach der deutschen Einheit in den neuen Ländern 1991 noch bei 86 Prozent (DSW 2023). Heute spiegelt sich dieses Erbe noch am stärksten in den hohen Versorgungsquoten kleinerer ostdeutscher Hochschulstädten wie Ilmenau (33,8 Prozent), Frankfurt (Oder) (27,1 Prozent) und Weimar (24,5 Prozent) wider.
Diese Verteilung macht gleichzeitig deutlich, dass hohe Anteile Studierender in öffentlichen Wohnheimen nicht unbedingt mit einer angespannten Lage auf dem freien Wohnungsmarkt am Hochschulort korrelieren. Vielmehr ist die Situation für Studierende in Städten mit geringen Unterbringungsquoten in Wohnheimen und gleichzeitig angespannten Wohnungsmärkten besonders prekär. Um die Wohnsituation Studierender und die Dringlichkeit eines weiteren Ausbaus öffentlich geförderter Wohnheimplätze besser einschätzen zu können, ist daher die Betrachtung unterschiedlicher Parameter, die die Verfügbarkeit von Wohnraum am Studienort mitbestimmen, entscheidend (Karte 3, Grafik 1).
Kosten für WG-Zimmer
Preiswerte Wohnungen und Zimmer in Wohngemeinschaften bilden ein typisches Segment, das stark von Studierenden nachgefragt wird. Die Mietpreise für WG-Zimmer sind daher ein wichtiger Indikator, um sich der studentischen Wohnsituation auf dem freien Markt anzunähern. In Karte 3 sind die durchschnittlichen Kosten für WG-Zimmer in Hochschulorten mit mehr als 9.000 Studierenden für das Wintersemester 2023/2024 dargestellt. Grundlage dieser Daten ist die Auswertung von Inseraten mit Angeboten und Suchanfragen, die das Moses Mendelsson Institut in enger Zusammenarbeit mit dem Portal WG-gesucht.de semesterweise auswertet. Berücksichtig werden Angebote bestehender Wohngemeinschaften mit zwei bis drei Personen, in denen Zimmer unbefristet zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten beziehen sich auf Warmmieten (MMI/WG-gesucht.de 2024, Glossar).
Vergleichsweise preisgünstig sind WG-Zimmer in Chemnitz, Jena oder Dresden. In diesen Städten sind die Anteile der Studierenden, die über einen Wohnheimplatz verfügen, zudem relativ hoch. Die Indikatoren sprechen somit für eine eher günstige Wohnsituation für Studierende (Grafik 1). In den Metropolen München, Frankfurt am Main, Berlin, Hamburg und Köln sind die Mieten demgegenüber besonders hoch und liegen hier mit WG-Kosten von durchschnittlich 560 Euro in Köln bis 760 Euro in München weit über der aktuellen BAföG-Wohnkostenpauschale von 360 Euro.
Zum Vergleich: Die durchschnittlichen Kosten für einen Platz in einem öffentlich geförderten Wohnheim liegen derzeit bei rund 280 Euro inklusive aller Nebenkosten (DSW 2023, S. 4). Allerdings schwanken auch in diesem Segment die Mietpreise. Während unsanierte ältere Wohnheime zu den günstigeren gehören, muss für ein nach moderneren Standards konzipiertes Appartement (mit Bad und voll ausgestatteter Küche) in einem neu errichteten oder sanierten Wohnheim oft deutlich mehr bezahlt werden. Ein Grund sind die gestiegenen Baukosten, die auch bei den öffentlichen Wohnheimplätzen nicht haltmachen.
Wohnen bei den Eltern – (k)eine Option?
Für die Beurteilung der Wohnversorgung in den Hochschulstädten sind auch die Studierenden, die noch bei den Eltern wohnen, von besonderer Bedeutung (zum Wohnen bei den Eltern siehe Leibert 2017). Verfügt eine Hochschule über ein großes Einzugsgebiet, liegen die Heimatwohnsitze der Studierenden durchschnittlich in weitaus größeren Entfernungen als dies bei Studienorten mit kleineren Einzugsbereichen der Fall ist. Dies bedeutet, dass weniger Studierende von der Möglichkeit Gebrauch machen können, auch während des Studiums am Wohnsitz der Eltern zu bleiben. Studierende sind in stärkerem Maß auf Wohnraum am Hochschulort angewiesen.
Im Wintersemester 2022/2023 waren es etwas mehr als die Hälfte der insgesamt fast 480.000 Erstsemester (Destatis 2023), die eine Hochschule innerhalb eines Radius von 50 Kilometer zu ihrem Heimatort wählten (Hüsch 2024). Die Herkunftsorte eines erheblichen Teils der Studierenden befinden sich somit außerhalb von akzeptablen Pendlerdistanzen. Ein Beispiel für einen Hochschulstandort mit besonders großem Einzugsgebiet ist Berlin: So ziehen die renommierten Berliner Hochschulen im starken Maß Studierende überregionaler Herkunft und aus dem Ausland an (Hüsch 2024, S. 22). In der Hauptstadt ist die Verfügbarkeit öffentlicher Wohnheimplätze jedoch besonders niedrig und lag 2023 nur bei etwas mehr als fünf Prozent. Gleichzeitig sind dort in den letzten zehn Jahren die Studierendenzahlen und das Mietpreisniveau auf dem freien studentischen Wohnungsmarkt stark angestiegen. Somit sind die Chancen der Berliner Studierenden deutlich gesunken, preiswerten Wohnraum zu ergattern.
Auch die beiden ältesten Universitäten mit durchgehendem Lehrbetrieb in Deutschland – die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und die Universität Leipzig – sind Hochschulen mit großen nationalen Einzugsgebieten (Bode 2015) und hoher internationaler Attraktivität. Hinsichtlich des Angebots an öffentlich geförderten Wohnplätzen ist die Lage in Heidelberg mit einer Unterbringungsquote von 22,3 Prozent aber günstiger als in Leipzig mit 12,8 Prozent (Karten 1 und 3). Dies liegt im wesentlich daran, dass es in Heidelberg neben den 4.705 Plätzen des Studierendenwerkes noch 2.310 weitere öffentlich geförderte Plätze in privater und kirchlicher Trägerschaft gab, die für Studierende bereitgestellt wurden; ohne diese Plätze würde die Quote lediglich bei rund 15 Prozent liegen. Das Beispiel verdeutlicht die Bedeutung von Anbietern studentischen Wohnraums jenseits der Studierendenwerke.
Private Wohnanlagen für Studierende
In vielen Hochschulstädten sind aufgrund enger Wohnungsmärkte und unzureichender Investitionen der zuständigen Bundesländer in den Studierendenwohnheimbau Marktlücken entstanden. So befanden sich – Stand 1. Januar 2023 – deutschlandweit lediglich 7372 Studierendenwohnheimplätze im Bau (DSW 2023, S. 37). Auch aus diesem Grund ist der studentische Wohnungsmarkt zunehmend in den Blick von privaten Investoren geraten (Henn, Pink & Schenk 2015). Diese bringen komfortable Zimmer beziehungsweise sogenannte Mikroapartments für Studierende oder Young Professionals auf den Markt, die häufig voll ausgestattet sind und spezielle Services wie Sicherheits-, Paketannahme- und Hausmeisterdienste beinhalten. Die Vermietung privater Studentenwohnheimplätze verspricht vielfach deutlich höhere Renditen als sie über herkömmliche Mietwohnungsverträge erzielbar wären. Studierende bezahlen in privat geführten Unterkünften oft doppelt so viel Miete wie in den Wohnheimen der öffentlichen Hand. Außerdem können viele private Unternehmen von rechtlichen Vorteilen zu Lasten der Mieterinnen und Mieter profitieren, wie etwa befristete Mietverträge, eingeschränkten Kündigungsschutz und begrenzter Wirksamkeit der Mietpreisbreme. Die Unterbringung im privaten Wohnheim gewinnt besonders in den Großstädten mit einer hohen studentischen Nachfrage an Bedeutung. Hoch ist der Anteil zum Beispiel in Hochschulstädten mit sehr angespannten Wohnungsmärkten wie Mainz, Regensburg, München und Hamburg (Henn, Pink & Schenk 2015). Nicht zuletzt ist auch in diesem Marktsegment die regional unterschiedliche Entwicklung der Studierendenzahlen ein wichtiger Gradmesser für den lokalen Bedarf an Wohnraum.
Stärkung öffentlicher Wohnheime durch das Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“?
Auch wenn derzeit nicht von deutlich steigenden Studierendenzahlen in Deutschland auszugehen ist, sind Entlastungen auf den studentischen Teilwohnungsmärkten nicht in Sicht. Eine wesentliche Ursache liegt darin, dass Studierende häufig mit anderen Nachfragergruppen wie Auszubildenden, Fernpendlern sowie Rentnerinnen und Rentnern stark um den knappen preisgünstigen Wohnraum konkurrieren müssen (Oberst, Voigtländer, Sagner & Bona 2023). Dabei ist die ungleiche Angebotssituation in den Hochschulstädten mit erheblichen sozialen und regionalökonomischen Effekten verknüpft. So können entspannte Wohnungsmärkte und die Verfügbarkeit von öffentlichen Wohnheimplätzen auf der einen Seite dazu beitragen, dass Studierende verstärkt in strukturschwächere Regionen ziehen und dadurch ökonomische und demographische Entwicklungsimpulse erzeugen (z. B. Glatter, Hackenberg & Wolff 2014).
Auf der anderen Seite wirken angespannte Versorgungslagen in beliebten Hochschulstädten äußerst restriktiv für Studierende mit geringen finanziellen Möglichkeiten und stellen somit einen limitierenden Faktor bei der freien Wahl einer Hochschulausbildung dar. So besteht die Gefahr, dass Studierende, die nicht großzügig von ihren Eltern unterstützt werden (können), bei der Entscheidung für einen Studienort auf preisgünstigere Hochschulstandorte ausweichen oder falls möglich, bei den Eltern wohnend, heimatnah studieren müssen. Vor diesem Hintergrund warnt das Deutsche Studierendenwerk (DSW) davor, dass die Wahl des Studienortes nicht von der sozialen Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten der Studierenden abhängen dürfe. Gefordert wird seit langem mehr Geld für den Ausbau öffentlicher Wohnheimplätze.
Hinzu kommt der überfällige Modernisierungs- und Sanierungsbedarf zahlreicher älterer studentischer Wohnanlagen, die sowohl in West- als auch in Ostdeutschland in die Jahre gekommen sind (Fotos München und Leipzig). So standen allein in Bayern im Jahr 2023 aufgrund von Sanierungsarbeiten an den Standorten München, Würzburg, Regensburg, Augsburg und Bayreuth mehr als 3.000 Plätze in den Studierendenwohnheimen nicht zur Verfügung (Stand 1. Januar 2023, DSW 2023, S. 14).
In Anbetracht der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt hat das Bundesbauministerium zum Erhalt und zum Bau von Wohnheimen für Studierende und Auszubildende im Jahr 2023 das Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“ aufgelegt (BMWSB 2023, siehe Foto Leipzig). In welchem Umfang diese zusätzlichen Finanzmittel im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus (2023 waren es 500 Millionen Euro; siehe auch Wiest & Bode 2023) von den zuständigen Bundesländern abgerufen werden und dadurch umfangreicher Wohnraum für junge Menschen in Ausbildung neu gebaut oder erhalten wird, bleibt noch abzuwarten.