Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt hat sich 2010 im Vergleich zum Vorjahr geringfügig verbessert. Aktuelle Deutschlandkarten verdeutlichen die unterschiedlichen regionalen Verhältnisse: Die offensichtlich bessere Lage in Ostdeutschland muss bei genauerer Betrachtung relativiert werden.

Wirtschaftskonjunktur und demographischer Wandel haben entscheidenden Einfluss auf die aktuelle Lage am Ausbildungsmarkt. Die rasche konjunkturelle Erholung nach der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise hat den befürchteten Einbruch des Lehrstellangebots verhindert. Dies belegen die aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) für das Ausbildungsjahr 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010. Danach ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2010 mit 560 Tsd. leicht gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr wurden damit deutschlandweit rund viertausend Ausbildungsverträge weniger abgeschlossen. Entscheidend für diese Entwicklung war der Rückgang im Osten (neue Länder und Berlin), wo 7,4% weniger Jugendliche eine Lehre antraten, während im Westen die Zahl der Neuabschlüsse um rd. 1% stieg. Für viele Jugendliche war es auch 2010 schwierig, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden: rund 68 Tsd. suchten im Herbst 2010 noch eine entsprechende Stelle – ein Jahr zuvor waren es rund 83 Tsd. (BIBB 2010 u. 2011a).

Deutschlandweite Situation
Die allgemeine Problemlage wird durch die Zahlen zur Angebots-Nachfrage-Relation an Lehrstellen (ANR, Glossar) untermauert. So stieg die ANR im Vergleich zum Vorjahr deutschlandweit um lediglich 0,7 Prozentpunkte auf 90,6 und befindet sich damit immer noch deutlich unter dem rechnerischen Gleichgewicht, das bei 100 liegt (BIBB 2011a).

Die sogenannte Einmündungsquote ist im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls leicht um 1,3 Prozentpunkte auf 66,1% gestiegen; sie ergibt sich aus der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Relation zur Zahl der Schulabgänger eines Jahres. Damit liegt die Quote bei etwa zwei Drittel, was nach Einschätzung des BIBB eine rechnerisch ausreichende Versorgung mit Ausbildungsplätzen gewährleistet.

Zu einer gewissen Entspannung hat auch die rückläufige Zahl von „Altbewerberinnen“ und „Altbewerbern“ beigetragen. Diese Gruppe Jugendlicher, die nach fehlgeschlagener Bewerbung im Folgejahr zusätzlich zu den erstmals suchenden Schulabgängern hinzukommt, reduzierte sich innerhalb der letzten fünf Jahre um 25%. 2010 waren es rund 256 Tsd., bei zusätzlich 848 Tsd. (Neu-)Abgängern aus allgemeinbildenden Schulen (BIBB 2011b).

Regionale Unterschiede
Der demographische Wandel führt zu einer zunehmenden Entkoppelung von regionalen Ausbildungs- und Arbeitmärkten, die sich sonst häufig parallel entwickelten. So haben Jugendliche in vielen ostdeutschen Regionen – trotz weiterhin hoher regionaler Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit – nun relativ gute Aussichten, einen Ausbildungsplatz zu finden, da die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden demographisch bedingt stark abgenommen hat. Während die Zahl der Schulabgänger in den neuen Ländern vor zehn Jahren noch bei etwa 235 Tsd. lag, ist sie im Jahr 2010 auf rund 114 Tsd. gesunken (BMBF 2011b).

In Ostdeutschland trägt zudem der weiterhin relativ hohe Anteil öffentlich finanzierter außerbetrieblicher Ausbildungsplätze zu einer zusätzlichen Entspannung auf den regionalen Ausbildungsmärkten bei. So wird jeder fünfte Ausbildungsplatz in Ostdeutschland überwiegend öffentlich finanziert, im Westen ist es nur jede 20. Lehrstelle.

Unter Berücksichtigung der amtlichen Zahlen zur Angebots-Nachfrage-Relation an Lehrstellen (Glossar) für die einzelnen Arbeitsamtsbezirke können Karten die entsprechende Lage auf den regionalen Ausbildungsmärkten deutschlandweit im direkten Vergleich verdeutlichen. So zeigt die aktuelle Karte zum Ausbildungsmarkt 2010 markante regionale Muster, die so vor einigen Jahren nicht erkennbar waren (Karte 1). Die noch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts deutlich schlechtere Lehrstellensituation in den neuen Ländern (Burdack 2007, Bode/Burdack 2008 u. 2009) ist inzwischen nicht mehr vorhanden. Wie schon im letzten Jahr (2009) befinden sich unter den elf Arbeitsagenturbezirken mit sehr ungünstigen Bedingungen (ANR < 80) keine ostdeutschen. Vielmehr verfestigen sich das Ruhrgebiet und Teile Nordwestdeutschlands als „Ausbildungsproblemregionen“.

Deutschlandweit ist die Zahl der Arbeitsagenturbezirke mit einem rechnerischen Lehrstellenüberschuss (ANR > 100) immer noch sehr gering. Nur neun der insgesamt 176 Bezirke weisen einen rechnerischen Angebotsüberhang auf (ein Jahr zuvor waren es lediglich vier): sechs davon liegen in den neuen Ländern (Stralsund, Schwerin, Neuruppin, Oschatz, Zwickau und Suhl), die übrigen in Oberbayern (Freising, München und Traunstein). Karte 2 untermauert die neuen räumlichen Strukturen des Lehrstellenmarktes auch im Ländervergleich.

Ausblick
Der Übergang von der Schule auf einen Ausbildungsplatz stellt sich für Jugendliche in Ostdeutschland heute weit weniger problematisch dar als noch vor einigen Jahren. Entscheidend für diese relativ günstige Entwicklung ist jedoch nicht eine Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage in den neuen Ländern, sondern die demographisch bedingt stark sinkende Bewerberzahl einerseits und die Aufstockung des Lehrstellenangebots durch staatlich finanzierte außerbetriebliche Ausbildungsplätze andererseits. In Westdeutschland wird ein Schrumpfungsprozess der Nachfrage erst in den nächsten Jahren einsetzen und so aus Sicht der betroffenen Jugendlichen für eine nachhaltige Entspannung auf den regionalen Berufsausbildungsmärkten sorgen.

BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) (Hrsg.) (2011a): Ausbildungsstellenangebot, Ausbildungsstellennachfrage und Angebots-Nachfrage-Relation nach Arbeitsagenturbezirken und Ländern. Bonn.
URL:
http://www.bibb.de/de/56562.htm
Abrufdatum: 31.03.2011

BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) (2011b): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2011. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. (Vorversion 4. April 2011). Bonn.
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http://datenreport.bibb.de/Datenreport_2011_Vorversion.pdf
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BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) (2010): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2010. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn.
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http://datenreport.bibb.de/media2010/datenreport_bbb_2010.pdf
Abrufdatum: 28.04.2010.

BBiG (Berufsbildungsgesetz) vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931), zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 90 G v. 5.2.2009 I 160.
URL:
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bbig_2005/gesamt.pdf
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BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (Hrsg.) (2011): Berufsbildungsbericht 2011. Berlin; sowie Berufsbildungsberichte 1993 bis 2010 [BMBW, BMBWFT, BMBF]. Aktueller Berufsbildungsbericht:
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http://www.bmbf.de/pub/bbb_2011.pdf
Abrufdatum: 07.04.2011.

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2010): Ausbildungsmarkt und Jugendarbeitslosigkeit. In: Nationalatlas aktuell 4 (04/2010) [29.04.2010]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
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http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.4_04-2010.0.html

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2009): Lehrstellensituation – Trotz Besserung keine Entspannung. In: Nationalatlas aktuell 4 (05/2009) [07.05.2009]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
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http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.4_05-2009.0.html

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2008): Wende auf dem Lehrstellenmarkt? In: Nationalatlas aktuell 6 (05/2008) [05.06.2008]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
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http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.6_06-2008.0.html

BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2006): Chancen junger Menschen auf dem Lehrstellenmarkt. In: Leibniz-Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Bd. 7: Arbeit und Lebensstandard. Mithrsg. von Faßmann, H., Meusburger, P. u. B. Klagge. München, S. 82-83.

BURDACK, Joachim (2007): Keine Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt. In: Nationalatlas aktuell 3 (10/2007) [18.10.2007]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.1_05-2007.0.html

Bildnachweis
Lehrling beim Schweißen.
Foto: Handwerkskammer zu Leipzig.
Fundstelle: http://www.hwk-leipzig.de/3,327,1073.html
Abrufdatum: 18.05.2011.

Zitierweise
BODE, Volker u. Joachim BURDACK (2011): Leichte Besserung auf dem Ausbildungsmarkt. In: Nationalatlas aktuell 5 (07.2011) 7 [25.05.2011]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
URL:
http://aktuell.nationalatlas.de/Lehrstellensituation.5_05-2011.0.html

Dipl.-Geogr. Volker Bode
Leibniz-Institut für Länderkunde
Redaktion Nationalatlas aktuell
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
Tel.: (0341) 600 55 143
E-Mail: v_bode@leibniz-ifl.de

Prof. Dr. Joachim Burdack
Leibniz-Institut für Länderkunde
Schongauerstr. 9
04328 Leipzig
apl. Professor an der Universität Leipzig
E-Mail: j_burdack@leibniz-ifl.de

Angebots-Nachfrage-Relation (ANR)

Die Angebots-Nachfrage-Relation an Berufsausbildungsstellen (ANR) ist der meist verwendete Indikator zur Verdeutlichung der Situation auf dem Lehrstellenmarkt. Sie wird von der Bundesregierung in den jährlichen Berufsbildungsberichten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ausgewiesen.

„Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen sind gemäß § 86 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) wie folgt definiert: Das Angebot errechnet sich aus der Zahl der zwischen dem 1. Oktober und dem 30. September des Folgejahres neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zuzüglich der bei den Arbeitsagenturen gemeldeten Ausbildungsstellen, die am 30. September noch nicht besetzt waren. Die Nachfrage ergibt sich aus der Zahl der im gleichen Zeitraum abgeschlossen Ausbildungsverträge zuzüglich der am 30. September bei den Arbeitsagenturen gemeldeten, noch Ausbildungsplätze suchenden Personen“ (Berufsbildungsbericht 2007 Teil II, S. 2).

Seit 2008 werden bei der ANR auf der Nachfrageseite auch die Jugendlichen berücksichtigt, die nach erfolglosen Bewerbungen andere Tätigkeiten aufnehmen (Jobben, erneuter Schulbesuch, Berufsvorbereitung, freiwilliges soziales Jahr usw.) und von dort weiter nach einer Ausbildungsstelle suchen. Die neue Berechnungsmethode, in der nun auch die Bewerber in „Warteschleifen“ einfließen, ist daher deutlich praxistauglicher als die herkömmliche.